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Die perfide Kommunikation der juristischen „Lebensschützer“ und Abtreibungsgegner

4. November 2016 von Eva Engelken 1 Kommentar

braune-sosse[one-fourth-first][/one-fourth-first][one-fourth][/one-fourth][one-fourth][/one-fourth][one-fourth][/one-fourth][one-fourth-first][/one-fourth-first][one-fourth][/one-fourth][one-fourth][/one-fourth][one-fourth][/one-fourth]Im Polen gelang es vor wenigen Wochen knapp, eine Initiative abzuwehren, die das ohnehin strenge polnische Abtreibungsrecht praktisch in ein völliges Abtreibungsverbot verwandelt hätte. Davon ist das deutsche Recht mit seiner Beratungslösung ziemlich weit entfernt, doch eine konservative Strömung namens „Lebensschutzbewegung“ bemüht sich auch hierzulande um eine immer stärkere Ächtung von Abtreibungen. Man könnte die selbsternannten „Lebensschützer“ als Spinner belächeln, hätten sie nicht kommunikativ kompetente Fürsprecher aus Kirche, Adel, Ärzteschaft – und Rechtswissenschaft hinter sich. Die Dachorganisationen ist der Bundesverband Lebensrecht, der jährlich den sogenannten Marsch für das Leben organisiert. Die Juristen organisieren sich in der 1984 gegründeten Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. in Köln.

Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. : Das konservative Who is Who der deutschen Rechtswissenschaft

Man könnte den Kölner Verein als verstaubte Männerrunde vernachlässigen, läsen sich ihre Namen nicht wie das Who is Who der deutschen Rechtswissenschaft und prägten sie nicht seit Jahrzehnten Rechtsetzung, Rechtsprechung und einflussreiche Kommentare. Nun muss man angesichts des hohen Alters einiger Beteiligter allmählich fast schon von einem Who was Who sprechen. Zwei der Gründungsmitglieder, die Juraprofessoren Karl Lackner und Adolf Laufs, starben 2011 bzw. 2014. Die zwei noch lebenden Gründer, Professor Dr. Wolfgang Rüfner und Prof. Dr. Herbert Tröndle, gehen auf die 90 bzw. 100 zu. Auch etliche weitere Herausgeber der vereinseigenen Zeitschrift „Lebensrecht“ sind hoch in den Siebzigern. Geht es also um eine Rollatorfraktion, die sich in Kürze durch Zeitablauf erledigen wird? Das anzunehmen wäre leichtsinnig. Das Gedankengut der juristischen Lebensschützer hat sich der öffentlichen Meinung bemächtigt und junge Juraprofessoren stehen bereit, es weiter zu tragen. Die Wurzeln der Juristen-Vereinigung Lebensrecht reichen bis ins Dritte Reich zurück, aktuelle Verbindungen bestehen zur katholischen Kirche, zum Adel und zur politischen Rechten. Das macht sie zu einer Gefahr für eine liberale, demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft.

Die juristischen Argumente der Lebensschützer und ihre eigentlichen Ziele

Die Lebensschützer lehnen die Abtreibung und das geltende Abtreibungsrecht ab. Fast 100 Prozent aller in Deutschland gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche erfolgten aufgrund der Beratungsregelung. Von insgesamt 99.237 Abtreibungen 2015 in Deutschland waren 95.338 straffrei nach der Beratungsregelung in § 218 a Absatz 1 Strafgesetzbuch:

„Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen.“

Die restlichen vier Prozent der Schwangerschaftsabbrüche erfolgten aufgrund einer medizinischen Indikation (3879 Abbrüche 2015) oder aufgrund einer kriminologischen Indikation (20 Abtreibungen 2015). Hier liegt zwar der Tatbestand der strafbaren Abtreibung vor, die Indikation beseitigt jedoch die Rechtswidrigkeit. Vom Ergebnis läuft es für die schwangere Frau auf das Gleiche hinaus.

Bundesverfassungsgericht, ja, aber!

Vordergründig argumentieren die „Lebensschützer“ mit dem Schutz des Lebens des „ungeborenen Kindes“. Kommunikativ propagieren sie damit ein unterstützenswertes Ziel: Welcher verantwortungsvolle Mensch wäre nicht bereit, etwas so Niedlichem und Schutzlosen wie einen Baby – oder gar einem ungeborenen Baby – Schutz zuzusprechen? Doch wenn man genauer hinschaut, entdeckt man eine perfide Einseitigkeit in der Argumentation. Den juristischen Lebensschützer geht es darum, das „ungeborene Leben der Verfügungsgewalt der Schwangeren zu entziehen“. Juristisch ist es das Ziel, „dem Grundrechtsschutz des ungeborenen Lebens den Vorrang gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Frau zu sichern“. Es ginge nicht an, so Strafrechtskommentator Herbert Tröndle, das „Leben des ungeborenen Kindes allein in die Verfügungsgewalt der Schwangeren zu stellen.“ Embryo gegen Schwangere. Kind gegen Frau. [Weiterlesen…]

Kategorie: Aktuelles, Kanzleikommunikation, Klartext schreiben Stichworte: Abtreibung, Kommentare, Kommunikation, Literatur, Professor

Verständliche Schriftsätze fallen nicht vom Himmel

3. November 2016 von Eva Engelken Kommentar verfassen

tabelle-juveMandanten schätzen verständliche Schriftsätze noch mehr als Termintreue oder strategisches Verständnis

Im neuen JUVE-Handbuch 2016/2017 veröffentlicht der JUVE Verlag die Ergebnisse einer bereits im „Rechtsmarkt 02/16“ veröffentlichten Inhouse-Umfrage: „Worauf Mandanten bei Kanzleien Wert legen“. Auf einer Skala von 1-5 lagen „klare Aussagen/Risikobewertung“ mit 4,6 Punkten und „verständliche Schriftsätze“ 4,5 Punkten ganz vorne. Erst dahinter kamen „Person des Berater“, „Termintreue/Erreichbarkeit“, „ökonomisches Verständnis““, „detaillierte Rechnung“, „Branchenkenntnis“, „strategisches Verständnis“, „effektive Teamzusammenstellung“ und „Flexibilität bei den Honoraren“.

Die Umfrageergebnisse könnten darauf hindeuten, dass Mandanten klare Aussagen und verständliche Schriftsätze schätzen. Die schlechte Nachricht: Es kümmern sich noch zu wenige Kanzleien darum. Das, was jungen Associates bei Hengeler eingebläut wird: „Pro Satz nur 1 Relativsatz und dann Punkt“, ist längst nicht überall Standard. Die gute Nachricht ist jedoch: Kanzleien können viel gewinnen. Sie müssen nur damit beginnen, den Schachtelsätzen in ihrer Mandantenkorrespondenz den Kampf anzusagen.

Der Weg zu guter Rhetorik führt über die Verständlichkeit

Das Fundament jeglicher Überzeugungskraft ist die Verständlichkeit. Nach dem Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun gibt es vier Verständlichmacher für Texte:

  • Einfachheit;
  • Gliederung/Ordnung;
  • Kürze/Prägnanz und
  • anregende Zusätze.

Alle vier Verständlichmacher im richtigen Verhältnis zueinander anzuwenden, macht einen Text gut lesbar und verständlich.

Einfach ist nicht immer ganz einfach

Einfacher wird ein Text, wenn man kurze und geläufige Wörter nutzt und kurze und einfache Sätze bildet. Juristentypische Schachtelsätze lassen sich leicht kürzen, indem man eingeschobene Zusatzinformationen in eigene Sätze auslagert. Statt so:

„Aufgrund der im Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, erschienen unter Herausgeberschaft von Günter Hirsch, Frank Montag und Franz Jürgen Säcker, 3. Band, auf Seite 397 in Randziffer drei dargestellten Meinung, begründen wir unseren Anspruch wie folgt: …“

teilt man die Infos auf mehrere Sätze auf:

Wir begründen unsern Anspruch wie folgt: … Dabei stützen wir uns auf folgende Meinung: … Diese findet sich im Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, herausgegeben von Günter Hirsch, Frank Montag und Franz Jürgen Säcker; 3. Band, Seite 397, Randziffer drei.

Kürze und Prägnanz  entlasten das Gehirn des Lesers

Kurz und prägnant wird ein Text, wenn man überflüssigen Ballast wie Floskeln oder unwichtige Details entfernt.

Gut gegliedert ist halb verstanden

Gut gegliedert ist ein Text, der am roten Faden auf ein klar benanntes Ziel zusteuert und den Leser dabei an die Hand nimmt. Gutachtentechnik und Urteilstechnik sind hierbei per se hilfreich. Äußere Gliederungselemente wie Absätze, Überschriften und Nummerierungen machen die gedankliche Struktur sichtbar. Ein besonders hilfreiches Element sind Zwischenüberschriften. Sie helfen gerade bei langen Texten rasch das Wesentliche zu erfassen.

Kino im Kopf durch anregende Zusätze

Der vierte Verständlichmacher sind anregende Zusätze. Dazu gehören alle Informationen, die einen abstrakten Sachverhalt illustrieren und damit das Kino im Kopf anwerfen. Das gelingt zum einen durch die bildhafteren Wörter wie etwa „Party feiern“ statt „gesellige Zusammenkunft durchführen“. Zum anderen durch Beispiele, Erläuterungen oder Zeichnungen und Skizzen.

Mehr dazu lesen Sie im Wirtschaftsführer für Juristen mit freundlicher Genehmigung des Verlags Richard Boorberg:

Pdf-Download: Der Wirtschaftsführer 2016.2 68 WEITWINKEL
© Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München
Eva Engelken Sprache ist Macht – wenn man des Sprechens und Schreibens mächtig ist

engelken-wf_2016-02-pdf

Und noch mehr in meinem Beitrag für die LEGAL TRIBUNE ONLINE: Das Ende des Nominalstils

 

Kategorie: Aktuelles, Kanzleikommunikation Stichworte: Mandant, Verständlichkeit

Den Archetyp Jurist gibt es nicht – Interview von STUDJUR zu „111 Gründe Anwälte zu hassen“

3. Januar 2016 von Eva Engelken Kommentar verfassen

screenshoEin Titel wie eine Kampfansage: im vergangenen Jahr veröffentlichte der Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag aus Berlin ein mehr als dreihundert Seiten starkes Buch unter dem Titel „111 Gründe, Anwälte zu hassen“. Für die zweite Ausgabe der STUD.Jur. hatte Schriftleiter David Eckner die Gelegenheit, die Autorin kennenzulernen und nur ein paar wenige dieser Gründe zu beleuchten: Eva Engelken studierte Rechtswissenschaften, schrieb als Redakteurin für das Handelsblatt und berät Kanzleien in PR-Angelegenheiten. Eine seltsame Kombination?

Hier geht’s zum vollständigen Interview als Pdf: beitrag-engelken als Pdf Download

STUD.Jur.: Frau Engelken, wenn man durch die lokale Buchhandlung stöbert, bleibt einem Juristen beim Anblick des in grellem rot erschienenen Einband fast der Atem stocken: „111 Gründe, Anwälte zu hassen“, versehen mit einem Handzeichen, dass erst durch den Profi fußball salonfähig wurde. Wie empfinden Sie diese Reaktion, auch als Mitglied der Zunft?

EE: Es freut mich natürlich, wenn mein Buch Ihnen den Atem raubt. Wobei ich glaube, dass die meisten Juristen und Juristinnen das Handzeichen, das ja auch Peer Steinbrück eingesetzt hat, gut wegstecken können. Schließlich sind Angriff  und Verteidigung ihr tägliches Brot. Außerdem erinnert der rote Einband beruhigend an die dicken roten Bücher aus dem C.H.Beck Verlag.

STUD.Jur.: Berichten Sie uns von Ihrer Motivation für das Buch? Was hat sie zur Fertigung des Manuskripts gereizt? Die Praxis, die Ausbildung, das Aufräumen oder Etablieren der Klischees? EE: Ich muss sagen, das Buchschreiben war zum einen Teil Vergnügen und zum anderen Teil Aufräumaktion in meinem Hirn. In all den Jahren, in denen ich mit Juristen und ihren Mitarbeiterinnen zu tun hatte, haben sich so viele skurrile Erlebnisse angesammelt, die wollten einfach mal raus. Und da die Buchreihe „111 Gründe“ heißt, musste ich mir nur die Mühe machen, sie in genau 111 Häppchen und Karikaturen aufzuteilen.
STUD.Jur.: Der Deckel Ihres Buches berichtet uns von zahlreichen Funktionen, die Sie gegenwärtig und in der Vergangenheit ausgeübt haben, wie etwa zu allem Ursprung das Studium der Rechte. Haben Sie das Manuskript gedanklich schon in Ausbildungszeiten begonnen? Wo sehen Sie sich im Übrigen? Haben Sie juristisch praktiziert?

EE: Ich habe in der Tat Jura studiert und beide Staatsexamina abgelegt. Allerdings habe ich mich dann dafür entschieden, meinem Herzen zu folgen und die journalistische Laufb ahn einzuschlagen. Deshalb habe ich ans Referendariat noch eine praxisnahe Ausbildung in der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten gehängt und dann beim Handelsblatt gearbeitet.
STUD.Jur.: Gibt es einen Archetyp „Jurist“?

EE: Das habe ich versucht zu ergründen, bin mir aber immer noch nicht ganz sicher. Im Märchen gibt es die Helden und Heldinnen auf der einen Seite und auf der Gegenseite die Schurken. Das gibt es auch bei Anwälten, wobei die modernen Wirtschaftsanwälte oft gerne an der Seite derjenigen stehen, die das meiste Geld bezahlen. Das sind nicht immer die Guten. Ein anderer Ansatz ist die Organisationspsychologie. Die teilt Menschen in die 4 Gruppen DISG ein. Das steht für dominant, initiativ, strebsam und gewissenhaft. Anwälte, sagt man, entsprechen am stärksten dem G-Typ, was mich nicht überrascht hat. Ein dritter Ansatz: Kevin Dutton, britischer Psychologe, hat herausgefunden, dass erfolgreiche Anwälte hohe Werte auf der Psychopathenskala erreichen. Das heißt nicht, dass jeder gute Anwalt bzw. Anwältin automatisch psychopathisch ist. Aber es gibt gewisse, markante Eigenschaften, die einen guten Anwalt bzw. eine gute Anwältin ausmachen. Und das sind nicht dieselben Eigenschaften, die einen liebenswürdigen Charakter auszeichnen.
STUD.Jur.: Unsere Leser und Leserinnen sind in der Regel noch keine langjährigen Praktiker, häufig gerade am Start des Übels. Würden Sie Vermeidungstaktiken empfehlen? Manch ein Leser wäre vermutlich bereits beseelt, könnte er nur die Hälfte an Gründen, gehasst zu werde, auf sich vereinen.

EE: Da ist etwas dran. Um Schachtelsätze zu drechseln oder rhetorisch zu glänzen, benötigt man zumindest ein wenig Übung. Vielleicht sogar Begabung. Zwar  sagen Rechtsgelehrte wie etwa Uwe Wesel, dass für den Notenerfolg nur Fleiß und keine Intelligenz notwendig sei, aber ich denke doch, dass man für all das abstrakte Denken eine Basisintelligenz braucht. Um eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Mehrpersonenverhältnis durchzudenken, hilft diese gewiss.
STUD.Jur.: Das Buch bedient Stereotypen, lässt doch aber jeden Juristen, der auch herzhaft über sich selbst lachen kann, über wahrhaftig Wahres schmunzeln. Wie viel Wahres trifft die fünfundzwanzig Artikel und 111 Gründe Ihres Buches?

EE: Natürlich ist vieles satirisch überzogen, etwa, dass Anwälte beim Fernsehsessel Anschnallgurte empfehlen, aber im Kern ist immer etwas Wahres dran. In diesem Fall, dass Anwälte darauf gedrillt sind, von allen möglichen Ausgängen immer den schlimmsten Fall, den Worst Case, vorherzusehen. Das macht sie einerseits zu nervigen Bedenkenträgern. Andererseits ist es genau diese Eigenschaft, die ihnen zu Gute kommt, wenn sie einen Vertrag aufsetzen, der regelt, wie man bei einem Streit verfährt.
STUD.Jur.: Also sind die Hassensgründe eigentlich gar nicht so hassenswert?

EE: Zumindest sind viele der im Buch persiflierten  Eigenschaften ambivalent. Nehmen Sie die anwaltliche Fähigkeit, alles zu definieren, was nicht bei 3  auf den Bäumen ist. Wer die Kunst beherrscht, Definitionen zu erfinden und sie bei Bedarf abzuändern, kann sich sprachlich fast aus jeder Klemme winden. Anwaltsgegner finden dieses sprachliche Lavieren höchst hassenswert, für Anwälte und ihre weiblichen Pendants ist es überlebenswichtig. Mir war es wichtig, auf diese Ambivalenz hinzuweisen.
STUD.Jur.: Sie sind in Wahrheit eine Anwaltsversteherin?

EE: Ja, bin ich. Ich verstehe, wie sie ticken und halte ihnen den Spiegel vor. Nach dem Motto: So wirkt ihr nach außen. Sich darüber klar zu werden, wie man auf die Außenwelt wirkt, ist für alle Mitglieder des Berufsstandes nützlich, da sie sich im Gegensatz zu Richtern ja nicht darauf verlassen können, dass die Mandanten zu ihnen kommen. Das heißt aber nicht, dass ich Anwälte, zu denen auch die Anwältinnen zählen, in dem Buch nicht auch kritisiere.
STUD.Jur.: Dann einmal zur Wahrheit: Was werfen Sie Anwälten ernsthaft vor?

EE: Lesen Sie „111 Gründe, Anwälte zu hassen“ (lacht). Nein, im Ernst, ich übe auch Kritik. Teils persönliche Kritik am Verhalten Einzelner, zum Teil übergeordnete Kritik am Berufsstand. Zum Beispiel nehme ich den DAV und die BRAK auf die Schippe, weil sie bis heute keine Reform der Referendarausbildung durchgesetzt haben. Wir haben in Deutschland 164.000 zugelassene Anwälte und Anwältinnen und 20.000 Richter und Richterinnen, dennoch muss jeder junge Mensch, der den Anwaltsberuf ergreifen will, die Befähigung zum Richteramt erwerben, aber keine Anwaltszulassungsprüfung ablegen.
STUD.Jur.: Warum braucht es eine spezielle Anwaltsausbildung?

EE: Weil zum Anwaltsberuf eben noch mehr gehört als das bloße Subsumieren von Fällen. Es gehören Wirtschaftskenntnisse, psychologische Fähigkeiten und vieles mehr dazu. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele große Kanzleien eigene Akademien unterhalten, um den Nachwuchs optimal auszubilden. Als Berufseinsteiger/-in sollte man das berücksichtigen und sich auf jeden Fall eine Kanzlei suchen, die eine gute Aus- und Weiterbildung garantiert.
STUD.Jur.: Dass sie die falsche Ausbildung haben, war Grund Nr. 32. Gibt es weitere ernsthafte Kritikgründe?

EE: Kritik übe ich am Berufsstand auch, weil er die Verfassung und insbesondere die Demokratie nicht entschieden genug verteidigt. Ein Rechtsanwalt ist ja per Gesetz ein unabhängiges Organ der Rechtspflege und genießt als solches bestimmte Berufsprivilegien. Warum? Weil er oder sie den Zugang zum Recht im demokratischen Rechtsstaat ebnen soll. Das erfordert zwingend eine durchsetzungsfähige Berufsaussicht, die streng kontrolliert und gnadenlos denen die  Zulassung entzieht, die es mit Demokratie und Unabhängigkeit nicht so genau nehmen. Dazu gehören für mich Anwälte aus der nationalsozialistischen Szene, die selber als Unterstützer in Erscheinung getreten sind. Aber auch Anwälte, die befangen sind, weil sie sowohl als Abgeordnete in Parlamenten sitzen als auch Mandanten mit vielleicht divergierenden Interessen beraten. Wenn die Berufsaufsicht da nicht  eingreift und Transparenz fordert und gegebenenfalls die Zulassung zumindest teilweise zum Ruhen bringt, hat sie ihren Namen nicht verdient.
STUD.Jur.: In Grund Nr. 34 spotten Sie, dass Anwälte niemals die Note „sehr gut“ vergeben, aber bei Einstellungen nur auf die guten Noten achten. Wie können sich angehende Juristen darauf einstellen?

EE: Wer selber nach Perfektion strebt, ohne sie je zu erreichen – und das tun Anwälte – gesteht anderen auch keine Perfektion zu, sprich, kann keine 18 Punkte vergeben. Trotzdem gucken Kanzleien bei der Einstellung vor allem auf die Noten. Ich befürchte aber, solange sich die Ausbildung nicht ändert, wird es auch bei der Anbetung der guten Noten bleiben. Anfängern und Anfängerinnen kann ich nur raten: Versucht, ein gutes Examen hinzubekommen, aber verliert nicht den Mut, wenn es nicht hinhaut und lasst euch um Gottes willen nicht einreden, ihr wärt Juristen oder Juristinnen zweiter Klasse. Das ist nicht ganz einfach, denn besonders ältere Richter oder Professoren vermitteln einem gerne diesen Eindruck. Umso mehr empfehle ich jedem Anwalt und jeder Anwältin, sich vom Glauben frei zu machen, nur wer mindestens  9 Punkte hat, könne gut sein.
STUD.Jur.: Es heißt, „als Jurist könne man so ziemlich alles machen“. Neben Ihrer journalistischen Tätigkeit sind Sie unter anderem Texttrainerin für Kanzleien. Was können wir uns darunter vorstellen?

EE: Ich gebe Schreibtrainings für Anwältinnen und Anwälte. Ein Schriftwechsel mit dem Mandanten ist ja nichts anderes als ein schriftlich niedergelegtes  Beratungsgespräch. Es muss vermitteln „ich habe  dein Anliegen verstanden und ich zeige dir, wie ich dir helfen kann.“ Dafür reicht Fachwissen alleine nicht aus. Es müssen auch psychologisches Geschick und eine entsprechende schriftliche Ausdrucksweise hinzukommen, damit sich der Adressat gut beraten fühlt und gerne die Rechnung bezahlt. Ergänzt wird das durch  Körpersprachetrainings. Da arbeite ich mit Schauspiel- und Medientrainern zusammen.
STUD.Jur.: Sind Juristen und Juristinnen denn nicht von Natur aus sprachbegabt?

EE: Ja, viele sind das. Aber auch sie machen sich oft nicht klar, dass ihre Fachsprache eine echte Hürde darstellt. In den 111 Gründen lästere ich, dass Juristendeutsch an Körperverletzung grenzt. Hier trennt sich übrigens die Spreu vom Weizen. Gute Anwälte und Anwältinnen – von Richtern will ich jetzt nicht reden –  sind in der Lage, sich höchst verständlich auszudrücken und souverän genug, es auch zu tun. Es  sei denn, sie verstecken sich absichtlich hinter  Geschwurbel. Die weniger klugen Berufsvertreter  haben durchaus schon mal Schwierigkeiten damit, sich verständlich auszudrücken oder sie sind einfach gedankenlos und machen sich nicht klar, welchen Schaden sie mit schwer lesbarem Gelaber anrichten. Die lernen das in den Seminaren aber meist ganz schnell.

STUD.Jur.: Sie sagen also, sich mit der Sprache zu  beschäftigen, wäre gut für das Geschäft?

EE: Unbedingt. Sprache ist Werkzeug und Verkaufsargument in einem. Juristinnen und Juristen im  Allgemeinen und Anwältinnen und Anwälte im  Besonderen müssen in jeder Lebenslage sprachlich überzeugen. Das Gericht, die Mandanten, die Kolleginnen, die Partnerversammlung und daheim den Partner oder die Partnerin. Heißt für Juristen in der Ausbildung: Trainieren, was das Zeug hält. Wenn es die Uni anbietet, schon im Studium.

STUD.Jur.: Neben Ihren Schreibtrainings sind Sie vor allem als PR-Beraterin für Kanzleien tätig. Können Sie uns von diesem Tätigkeitsfeld berichten?

EE: Ich berate Kanzleien bei ihrer internen und externen Kommunikation. Nach außen sind dies die Mandanten, die Medien und die künftigen Mitarbeiter. Nach innen sind dies die Partner und Anwälte untereinander und die sonstigen Mitarbeiter. Als externe Beraterin unterstütze ich die für das Marketing zuständigen Partner. Zunächst geht es immer um die Strategie, also die  Frage: Welche unternehmerischen Ziele will ich als Kanzlei oder als einzelne Anwaltspersönlichkeit erreichen? Anschließend um die Umsetzung. Mit welchen Kommunikationsmaßnahmen komme ich dahin?
STUD.Jur.: Was sind denn im Jahr 2015 die gängigen Kommunikationsmaßnahmen der Anwalts-PR?

EE: Im Grund gehört dazu die gesamte Bandbreite der Unternehmenskommunikation. Vom traditionellen Fachbeitrag über die Pressemitteilung bis hin zum Youtube-Video. Die wichtigste Kommunikationsmaßnahme ist allerdings auch im Jahr 2015 nach wie der Anwalt oder die Anwältin selber. Denn er bzw. sie erbringt höchstpersönlich die zu bewerbende Beratungsleistung und die ist von der Person nicht zu trennen. Anders gesagt, Anwälte verkaufen sich pausenlos selber. Das bedeutet wiederum, dass Anwälte stark an ihrem Marketing arbeiten können, indem sie an sich selber arbeiten und ihre persönlichen Stärken einbringen.
STUD.Jur.: Können Sie das näher ausführen und können das auch schon junge Anwälte?
EE: Unbedingt. Jeder Mensch verfügt über ein individuelles Set an Stärken, Vorlieben und besonderen  Fähigkeiten. Eine erfolgreiche Kanzleistrategie setzt  auf diese Stärken und nicht darauf, vermeintliche Schwächen zu beseitigen. Nehmen Sie als Beispiel eine junge Anwältin, die überhaupt kein Vergnügen daran findet, in einer Großkanzlei tage- und wochenlang  Aktenvermerke zu schreiben. Ihr vorgesetzter Partner findet, das sei notwendig, damit sie sich gut einarbeitet, sie hat aber das Gefühl, in dem Zimmer zu  verrotten. Umgekehrt ist sie sehr gut darin, Mandantengespräche zu führen und herauszuhören, wo  der Schuh drückt und welche Beratungsleistungen  womöglich hilfreich sind. Eine stärkenorientierte  Karriereplanung wird das berücksichtigen und ihr  ermöglichen, ihr akquisitorisches Potenzial weiter zu entwickeln. Sich hier individuell coachen zu lassen, hilft weiter.
STUD.Jur.: Sind Sie der Ansicht, dass man als PR- Beraterin – so wir den Blick auf potentielle (studienbegleitende) Weiterbildung wenden – geboren oder fortgebildet wird?

EE: Nein, zum PR-Berater oder zur PR-Beraterin wird man nicht geboren, sondern ausgebildet und zwar lebenslang. Public Relations sind die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Zielgruppen; sie mittels  geeigneter Kommunikationsstrategien im Interesse des Unternehmens zu beeinflussen, ist Aufgabe der PR-Managerin. Anders gesagt, Public-Relations- Manager und Managerinnen arbeiten mit am Image des Unternehmens. Hierfür gibt es jede Menge Fortbildungen, aber genauso wichtig ist das Learning on the Job und die Bereitschaft, sich mit dem Unternehmen und seinen Bedürfnissen fortzuentwickeln.
STUD.Jur.: Welche Chancen hätten angehende Juristen, diesen Berufsweg einzuschlagen?

EE: Ziemlich gute, denn zahlreiche Eigenschaften, die für eine juristische Tätigkeit nötig sind, helfen auch bei der PR: Biss, Beharrlichkeit, Geschick im Umgang mit Menschen, strategisches Denken, Organisationstalent und gute Schreibe. Eine journalistische Ausbildung zusätzlich zum Jurastudium ist eine gute Ergänzung, denn das schnelle, aber gründliche Zusammenstellen und Auf-den-Punkt-bringen von Fakten ist auch in der Kommunikation gefragt.
STUD.Jur.: Und welche Stellen stehen einem in der PR dann offen?

EE: Sie finden Juristen und Juristinnen nahezu in allen Bereichen der Unternehmenskommunikation und in allen Branchen. Nicht zwingend, aber naheliegend ist natürlich der Einstieg in der Marketingabteilung einer Kanzlei. Dank des juristischen Hintergrunds versteht man als Berater oder Beraterin das zu verkaufende Produkt Rechtsberatung besser als ein juristischer Laie und kann es gegenüber der Presse und den Mandanten besser verkaufen.
STUD.Jur.: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Anwälte niemanden ernst nehmen, der nicht mindestens ein zweites Staatsexamen hat. Gilt das nicht auch für PR-Berater?

EE: Dass Juristen nur einander ernst nehmen, ist natürlich überspitzt ausgedrückt, hat aber einen wahren Kern. Gerade ältere Anwälte halten Marketing oft noch für eine überflüssige Spielerei, die sie notfalls auch selber erledigen können. Gerade diese älteren Anwälte bringen jedoch Beratern mit juristischem Hintergrund einen ungeheuren  Vertrauensvorschuss entgegen. Den müssen sich „normale“ Mitarbeiter erst mühsam verdienen. Je moderner und auch je wirtschaftlicher die jeweilige Kanzleiführung denkt, desto eher ist sie bereit, auch Fachleuten ohne juristischen Background Kompetenz zuzugestehen und Marketingtätigkeiten systematisch an Nichtanwälte zu delegieren.
STUD.Jur.: Spielt bei dem Nicht-delegieren-können vielleicht die Angst vor der Haftung eine Rolle?

EE: Die Angst vor Haftung sitzt einem als Anwalt  natürlich immer im Nacken bzw. die Angst vor berufsrechtlichen Verfehlungen oder Klagen der Wettbewerber. Das führt bei vielen zu einer Art Pingeligkeit, die ich in Grund Nr. 22 als „Korinthenkackerbazillus“ verspotte. Der äußert sich in dem fast manischen  Bedürfnis, stets und immer Kommafehler korrigieren zu wollen. Und außerdem darin, dass Anwälte selbst unwichtige Kleinigkeiten schlecht aus der Hand  geben können. Wenn Sie das nachprüfen wollen,  fragen Sie mal in Großkanzleien nach, wie viele hoch bezahlte Partnerstunden jedes Jahr für das Auswählen und Gestalten von Weihnachtskarten draufgehen. Das sind einige.
STUD.Jur.: Nach dem Schreiben des Buches: Würden Sie trotzdem dazu raten, den Anwaltsberuf zu ergreifen?

EE: Unbedingt. Zumal unsere Welt nicht einfacher wird. Man braucht Leute, die einem helfen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook zu verstehen, die sie vorher selber verfasst haben. Oder nehmen sie  nur den ganzen Bereich Wirtschaftskriminalität und Compliance. Ohne Anwälte wären Unternehmer aufgeschmissen. Böse Zungen behaupten allerdings, im Bereich Compliance helfen Anwälte, Probleme zu lösen, die es ohne sie nicht gegeben hätte. In jedem Fall bleibt das Fazit, dass Anwälten die Arbeit nicht ausgehen dürfte. Und mir nicht das Material für meine Bücher.
STUD.Jur.: Und das nächste Buch heißt wie? 111 Gründe, Anwälte zu lieben?

EE: Gut möglich, aber das Material dafür zu finden, dauert ein bisschen länger.

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Und hier geht’s zum blätterbaren E-Paper auf der Website von Studjur: Und hierhttps://indd.adobe.com/view/1dfc9a5f-f4f8-41d2-bbb6-2c6e00346592?ref=ide

 

Kategorie: Aktuelles, Interviews, Public Relations Stichworte: Buch, Pressearbeit

Vortrag beim Leadership-Colloquium: Mit welchen Eigenschaften qualifizieren sich Anwälte als moderne Leader?

3. November 2015 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Unter dem Titel „The Big C- Cash, Culture, Controlling and Creatures durfte ich beim 11. LEADERSHIP-Colloquium und der 3. Verleihung des Management Taktstocks durch die Deutsche Gesellschaft für Professional Service Firms DGPSF Tag referieren, am Freitag, 25. September 2015, Grandhotel Schloss Bensberg  in Bergisch Gladbach.
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Eva beim Leadeship Colloquium in Schloss Bensberg Foto von Georg Gerber mit freundlicher Genehmigung

Hier mein leicht augenzwinkernder und gekürzter Vortrag:

Leadership  – geht das mit Anwälten?

Sie haben heute bereits einiges gehört über die Notwendigkeit und über die Möglichkeiten, neue Formen des Managements zu etablieren. Reden wir  – kurz vor dem Sektempfang – über die entscheidende Herausforderung dabei: wir müssen diese neuen Formen des Managements in Anwaltskanzleien etablieren. In denen arbeiten bekanntermaßen Anwälte und Anwältinnen. Das führt uns zu der Frage: Modernes Leadership – ist das mit Anwälten möglich? Oder: Mit welchen Eigenschaften qualifizieren sich Anwälte als moderne Leader?

1.    Überzeugt ihr optische Außenwirkung?

Wie du kommst gegangen, so wirst du empfangen, heißt ein Sprichwort und das beherzigen auch Wirtschaftsanwälte. Sie sehen top aus. Bei ihnen ist das normale Outfit ein Honorarargument. Erfahrungsgemäß bezahlt der Mandant eine Rechnung über 100.000 Euro bereitwilliger, wenn der Anwalt Budapester Schuhe trug beziehungsweise die Beraterin ein Tuch von Hermès. Das Prinzip dahinter ist die Mimikry. Das ist die optische Angleichung an den Feind, die Insekten oder andere Tiere betreiben. Ungiftige Schlangen ahmen die Muster ihrer giftigeren Artgenossen nach, in der Hoffnung, für einen von ihnen gehalten zu werden. Wirtschaftsanwälte versuchen daher immer, so auszusehen, als seien sie reich und erfolgreich. Der normale Anwalt kündigt lieber das Abo bei C.H. Beck als die Leasingraten für den neuen Porsche. Und sie achten auf Statussymbole: Sattes Brummen unter der Motorhaube, schickes Büro in guter Lage, sexy Sekretärin, Vielfliegerkarte und schicker Titel. Für sie gilt: Mit welchem Namen du kommst gegangen, so wirst du empfangen. Wer nur Thilo Müller heißt und nicht gerade Bernulph oder Maximilian, muss mindestens einen Doktortitel haben, um in Anwaltskreisen was herzumachen oder einen Adelstitel oder einen LL.M.

Selbst beim Doktortitel sind Anwälte sehr penibel. Kanzleimanager bzw. Managing Partner sollen sich ja immer auf der Wesentliche konzentrieren und Doktortitel sind nun mal etwas ganz Wesentliches. Allerdings ist auch ein schönes und beeindruckendes Äußeres alleine nicht ausreichend für Führungskräfte. Sie müssen auch kommunizieren können.  Kommen wir also zur nächsten Frage:

2.    Sind sie kommunikativ überzeugend?

Hervorragende Leader sind zugleich hervorragende Kommunikatoren oder Kommunikatorinnen. Egal, ob schriftlich oder mündlich – sie verstehen es, ihr Gegenüber zu erreichen, es zu unterhalten und es zu überzeugen. Das setzt voraus, dass sie sich ihm verständlich machen können. Wie sieht es damit bei Anwälten aus? Man muss die Frage stellen, denn zuweilen kommt es vor – zumindest in der schriftlichen Kommunikation – dass Anwälte da gewissen Herausforderungen unterliegen. Ein anderes Thema ist der althergebrachte autoritäre Führungsstil. Traditionelle autoritäre Führung hieß:

„Los, Sklave, arbeite, bis du umfällst. In Klammer: Und bis ich die Kohle im Sack habe“

Moderne Führung verpackt das subtiler. Bei Google oder Amazon heißt es:

„Wir sind eine Familie. Und wir sind immer für einander da. Und sogar der Frisör ist Tag und Nacht für dich da.“

Die Bedeutung ist dieselbe wie in der autoritären Variante:

„Los, Sklave, arbeite rund um die Uhr, ich sorge nur dafür, dass dir dabei die Haare nicht ins Gesicht hängen.“

Anwälte haben das problemlos verinnerlicht. Im Recruiting/Employer Branding kommunizieren gerade die arbeitsintensiven Großkanzleien gerne voller Stolz, dass ein Kindermädchen bereitstehe, das rund um die Uhr Kinderbetreuung anbietet. Botschaft: Auch hier kannst du bis zum Umfallen schuften. Manchmal können Kanzleien aber nicht mit finanziellen oder geldwerten Anreizen wie Kindermädchen und ähnlichem arbeiten. Hier muss sich nüchternerweise die 3. Frage stellen: Können Anwälte ihre Mitarbeiter durch Lob motivieren?

3.    Können sie motivieren?

Hervorragende Leader spornen ihre Mitarbeiter durch Lob an. Sie motivieren sie, vermitteln Sinn und Wertschätzung.Wie sieht das bei Anwälten aus? Aufschlussreich ist ein Blick auf die Anwaltswerdung, also auf die juristische Ausbildung und die beiden juristischen Staatsexamina. Mit den Noten im Staatsexamen ist das ja so eine Sache. Wenn Kanzleien Junganwälte einstellen, wollen sie nur welche haben mit Top-Noten: Prädikat oder gut oder gar sehr gut. Aber wenn sie selber Noten vergeben sollen, als Prüfer im ersten oder zweiten Staatsexamen, sind Juristen und Anwälte extrem knauserig. Die Bestnote »sehr gut« wird nur vergeben, wenn Ostern und Weihnachten zusammenfallen.

Warum bewerten Juristen andere Juristen so schlecht? Weil Jura so schwer ist? Dann müssten die Juristen eigentlich ja auch bei der Einstellung milder sein, aber das sind sie nicht. Oder tun sie sich so schwer mit der Anerkennung der Leistungen, weil ihr persönliches Selbstverständnis es nicht zulässt, andere gütig und milde zu beurteilen? Das führt uns tief in die Anwaltspsyche… Möglicherweise nagen im geheimen an Anwälten tiefste Selbstzweifel, auf den sie nach außen mit Zynismus reagieren…

Solche Selbstablehnung führen Psychologen auf eine traumatisierende Ablehnung in der Kindheit zurück. Traumatisierte Kinder reagieren leicht mit selbstverletzendem Verhalten wie dem Ritzen der Arme oder mit einer exzessiven Lebensweise, Drogen und dergleichen mehr. Damit riskieren sie unbewusst, Schaden zu nehmen. Bei Anwälten äußert sich das subtiler. Nach außen demonstrieren sie stets, dass sie sich selbst für die Krone der Schöpfung halten und die anderen für Schwachköpfe. Für psychologisch geschulten Betrachtern könnte das ein Indiz sein, dass sie in Wahrheit damit von etwaigen Selbstzweifeln ablenken.

Auch die von Dienstleistern oder untergebenen Mitarbeitern oft beklagte Beratungsresistenz ist auf die Selbstablehnung zurückzuführen. Statt nach innen kehren die Anwälte ihre latente Aggressivität und Abwertung nach außen. Das ist natürlich bitter. Denn vielleicht sind auch Anwälte in Wahrheit ganz anders. Tief drinnen sind sie vielleicht zutiefst friedliebend? Vielleicht  bemüht sich niemand stärker, Konflikte zu vermeiden als Anwälte? Sind es vielleicht einfach vertrauensselige Gemüter, die in ihren Mitmenschen nur das Gute sehen? Und  von den täglichen Enttäuschungen allmählich verbittert sind? Das Fazit lautet: Beachten Sie die traumatisierte Anwaltsseele.Die könnte Ihnen womöglich einen Strich durch die Rechnung macht, wenn es ans Loben geht. Wer keine Anerkennung erfährt, kann auch anderen nur schwer Lob und Anerkennung spenden. Aber man kann ja auch delegieren. Womit wir beim nächsten Punkt unserer Leadership-Merkmale wären:

4.    Können Anwälte führen?

Führung heißt, nicht alles selber machen, sondern Verantwortung an die richtigen Personen delegieren. Gute Manager planen ein Projekt, bestimmen Verantwortliche für untergeordnete Bereiche und statten sie mit so viel Verantwortung aus, dass sie ihre Aufgaben eigenmächtig erfüllen können. Nur in wichtigen Punkten mischen sie sich selber ein. Etwa bei den Weihnachtskarten. Hier sind strategisch relevante Fragen zu klären: Soll der Tannenbaum auf die linke oder auf die rechte Seite? Solche wichtigen Entscheidungen kann man nicht der Marketingtusse überlassen, die ja nicht mal ein 2. Staatsexamen, geschweige denn ein Prädikat hat.

Auch bei Kommas oder der Rechtschreibung verzichten Anwälte lieber darauf, Arbeit zu delegieren, weil sie wissen, das kann zur Katastrophe führen. Zum Beispiel bei Verträgen. Da kann ein falsches oder fehlendes Wörtchen, wie zum Beispiel „nicht“, eine Haftung in Millionenhöhe  auslösen. Da prüft der Partner lieber noch dreimal nach, ob der Vertrag stimmt. Das führt bei den meisten Anwälten über kurz oder lang zum Korinthenkackerbazillus.Ein Symptom von diesem Bazillus ist die pathologische Kommakorrigierwut. Sobald der Anwaltsblick auf bedrucktes Papier fällt, beginnt er, wie ein Scanner die Zeilen entlang zu rattern. Bei jedem fehlenden Komma macht es »Kling«, und vom Anwaltshirn zuckt ein Blitz zur Hand, die sich zur Tastatur hebt und das Komma einfügt. Es gehört schon viel innere Ruhe dazu, sich in Anwaltsnähe die Gewissheit zu bewahren, dass von einem falsch gesetzten Komma nicht die Welt untergeht. Fazit: Was heißt das für unsere Frage, ob Anwälte gute Leader sind, die Unwichtiges delegieren können? Natürlich, dass Anwälte Unwichtiges delegieren können. Kommafehler sind für Anwälte wichtig. Das führt uns zur 5. Frage:

5.    Sind Anwälte visionär?

Leadership heißt ja unter anderem, charismatisch und visionär sein Unternehmen in die Zukunft führen. Das ist mehr als reines Management. Leader organisieren nicht nur, sie tragen das Unternehmen weitsichtig in die Zukunft.Wie ist das bei Anwälten? Anwälte sind dafür gut präpariert. Sie können nämlich in die Zukunft blicken.Sie wissen aber auch, was die Normalsterblichen gern verdrängen: dass die Zukunft böse ist. Und dass von allen möglichen Szenarien immer das Worst-Case-Szenario eintritt. Ein Beispiel-Szenario: Schüttet ein Mitarbeiter Bohnerwachs aufs Parkett, weil er seinen Konkurrenten kurzfristig aus dem Feld ziehen will, wird der Kerl nicht nur ausrutschen, sondern sich den Kopf anschlagen, ins Koma fallen und anschließend mit Querschnittslähmung wieder erwachen und horrende Schadensersatzansprüche geltend machen.
Noch bevor der Mitarbeiter das Fläschchen mit dem Bohnerwachs aufschraubt, sieht der Anwalt das alles vor sich.Wie ein rotes Blinklicht blinken in seinem Kopf die Rechtsfolgen auf: Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung, Ansprüche auf Schmerzensgeld, Schadenersatz, Rehabilitationskosten, lebenslange Rente und so weiter.Anwälte sind darauf getrimmt, Katastrophen vorherzusehen.Das macht sie für die Entscheider in Politik und Wirtschaft unentbehrlich und den normalen Leuten unheimlich. Fazit: Als Fazit könnte man ziehen: Wenn Sie für Ihre Kanzlei visionäre Ziele entwickeln wollen, also visionäre Höhenflüge anstreben, dann gehen Sie davon aus, dass die Anwälte das durchaus mittragen. Aber berücksichtigen Sie das, was nur Anwaltsaugen sehen: Dass man von weit oben tief runterfallen kann. Das heißt: für die Anwälte legen Sie unbedingt Anschnallgurte bereit!Überleitung: Equipment wie Anschnallgurte und ähnliches führt uns direkt zum nächsten und 6. Kriterium: nämlich zur Frage: Sind Anwälte auch organisationsstark?

6.    Sind sie organisationsstark?

Gute Manager haben das Zeit- und Ressourcenmanagement im Griff. Wie ist das bei Anwälten? Anwälte haben keine rosarote Brille vor der Nase, aber in jedem Fall haben sie die Uhr im Blick. Sei es, um die billable Hours nachzuhalten, sei es, um eine Frist einzuhalten. Mit den Fristen ist es so eine Sache. Wenn man sie einhält, bemerkt es keiner und dann klatscht auch keiner Beifall. Das widerspricht dem schon besprochenen anwaltlichen Bedürfnis nach Anerkennung, nach Lob und so weiter. Aufmerksamkeit in Form von Ärger gibt es nur, wenn man die Frist versiebt. Oder wenn man sie unter großem Trara gerade noch einhält. Jawohl, Anwälte können Fristen einhalten. Aber sie reizen sie auch gerne aus. In Kombination mit ihrem hohem Verantwortungsgefühl kann das normale Zeitpläne manchmal crashen.

7.    Sind Anwälte mental fokussiert?

Leader sind konzentriert und mitunter kaltblütig und skrupellos.Wie sieht es da bei Anwälten aus?Hier finden wir einen Anwaltskenner nicht überraschenden Befund in der Psychologie. Der Anwaltsberuf gehört zu den psychopathischsten Berufen der Welt. Das hat der bekannte Psychologe aus Oxford Kevin Dutton untersucht. Buchtitel: Psychopathen – was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann.  Es gebe, so Duttons These, auch außerhalb des kriminellen Firmaments Psychopathen, die oft bestens in Berufen wie den folgenden zurechtkommen: Chirurg, Anwalt oder Firmenchef. »Eine psychopathische Strategie kann sich zum Beispiel auch im Sitzungssaal als äußerst nützlich erweisen«, sagte Dutton. Psychopathische Persönlichkeitsmerkmale können Anwälten im Beruf nützen. Dazu betrachten Psychologen die Big Five. Das sind fünf entscheidende Faktoren der Persönlichkeit.

  • Offenheit für Erfahrung
  • Gewissenhaftigkeit
  • Extraversion
  • Verträglichkeit
  • Neurotizismus

Wer bei Verträglichkeit, wozu Vertrauen, Freimütigkeit und Altruismus zählen, niedrige Werte hat, profitiert, wenn es um erbitterte Auseinandersetzungen etwa vor Gericht oder bei Verhandlungen geht. Dutton spricht von den Siegermerkmalen, wenn er von den Grundprinzipien der Psychopathie spricht. Dies sind: Skrupellosigkeit, Charme, Fokussierung, Mentale Härte, Furchtlosigkeit, Achtsamkeit, Handeln. Diese Merkmale können, richtig dosiert, helfen, berufliche Erfolge zu erzielen. Erfolgreiche Psychopathen und Psychopathinnen, können diese Merkmale einblenden, wenn die Situation es erfordert. Verhandlungsmarathon. Oder vor Gericht. Die gute Nachricht: Erfolgreiche Psychopathen können diese Merkmale wieder ausblenden – wie die Regler an einem Mischpult. Zum Beispiel, wenn sie zu Hause mit ihren Kindern herumtoben oder ihre kranke Mutter pflegen. Oder mit ihren Mitarbeitern sprechen.

Das Fazit lautet: Modernes Leadership mit Anwälten ist eine Herausforderung, denn es sind Anwälte dabei. Modernes Management mit Anwälten ist jedoch möglich, denn sie weisen Eigenschaften auf, die für modernes Leadership erforderlich sind. Anders gesagt, Leadership ist möglich, denn es sind Anwälte dabei!

Vielen Dank!

 

Kategorie: Kanzleikommunikation, Veranstaltungen Stichworte: Kanzlei, Kommunikation, Persönlichkeit, Rechtsanwalt

Deutsch lernen mit Musik: Welcomegrooves – kostenloser Audio-Sprachkurs für Flüchtlinge

14. Oktober 2015 von Eva Engelken 2 Kommentare

Eva-Brandecker
Eva Brandecker, Audio-Produzentin und Initiatorin von Welcomegrooves.de

WelcomegrooveslogoIch bin geflasht von diesem großartigen Projekt, von der mitreißenden Kreavitität und Tatkraft von Eva Brandecker (Thegrooves) und davon, dass so viele tolle Menschen, von denen ich viele aus dem Texttreff kenne, mitgearbeitet haben. Wenn ich das hier poste, hoffe ich, dass das vielleicht auch die eine oder andere Kanzlei anspricht, von denen sich ja auch sehr viele für Flüchtlinge oder andere wichtige soziale Belange engagieren.

welcomegrooves – der kostenlose Audio-Sprachkurs für Flüchtlinge und Helfer in über 20 Sprachen ist online: www.welcomegrooves.de. Ehrenamtlich inititiiert von Eva Brandecker, Produzentin der Audio-Sprachkurs-Reihe „The Grooves“ und unterstützt von rund 70 Kreativen aus den Bereichen Musik, Sprache und Text, Gestaltung, Technik und Social Media.

Worum geht’s in dem Audio-Sprachkurs?

Es gibt sechs Lektionen und Kulturtipps. Die Welcomegrooves enthalten sechs Lektionen mit nützlichen Wörtern und Sätzen für die Basiskommunikation im Alltag der Flüchtlinge. Anhören oder als MP3 aufs Handy laden kann man die welcomegrooves auf www.welcomegrooves.de. Dazu gibt’s die Tipps zum Download in Schriftform.

In welchen Sprachen gibt es die Deutschlektionen?

In ganz vielen Sprachen: Außer in Englisch gibt’s die Lektionen auf Französisch, Spanisch und Russisch. Ferner auf Serbisch, Bosnisch, Arabisch, Farsi, Tigrinya, Urdu, Somali, Hausa, Kiswahili, Amharisch und andere. Nach und nach soll die Palette der Übersetzungen mit Hilfe der Netzgemeinde noch erweitert werden.

Warum funktioniert das Deutschlernen mit Musik so gut?

Das erklärt Eva Brandecker: „Schöne Musik und warme Stimmen sind emotional und können eine angenehme Stimmung erzeugen. Eine gute Gelegenheit, um zeitgleich zum Deutschlernen auch ein paar positive Wünsche zur Gegenwart und Zukunft einzubringen“.

Eva Brandecker hat mit ihrem Unternehmen Thegrooves bereits Audio-Sprachtrainer für fünfzehn Sprachen aufgenommen, dabei saßen auch schon Udo Wachtveitl, Emil Steinberger und Josef Hader bei ihr vor dem Mikrofon. Indem sie Sprache mit eingängigen Klängen kombiniert, sorgt sie dafür, dass der Wortschatz besser im Gedächtnis bleibt und sich der Lernerfolg durch reines Zuhören einstellt.

Wie sind die welcomegrooves entstanden?

Um ihre Idee eines kostenlosen Audio-Deutschkurses verwirklichen zu können, hat Eva Brandecker ihren Freundeskreis und ihr großes Netzwerk mobilisiert – mit überwältigendem Erfolg: Innerhalb von wenigen Tagen meldeten sich rund 70 engagierte Menschen, die sich alle unentgeltlich für die welcomegrooves einsetzen: professionelle Sprecherinnen und Sprecher, zwei Tonstudios und Fachleute für Übersetzungen, Musik, Text und Social Media. Unterstützung gibt es außerdem von Mitarbeitern von Flüchtlingsinitiativen und nicht zuletzt von Flüchtlingen selbst.

Wie geht’s weiter? Sponsoren und Förderer gesucht für Phase 2 – welcomegrooves als App

Für Phase 2 sucht Eva Brandecker noch nach Sponsoren und Förderungen. Zum einen sollen weitere Sprachen dazu kommen. Außerdem soll es ergänzend zum Sprachkurs in der zweiten Phase Schilder mit der Aufschrift welcomegrooves in vielen Sprachen geben. Bibliotheken, Geschäfte oder auch Privatleute können sie ans Fenster kleben und so signalisieren: Hier sind Flüchtlinge willkommen, hier können sie die welcomegrooves kostenlos herunterladen und/oder Lektionen ausdrucken. „So könnte ein kleines Gespräch entstehen, aber auch eine Einladung zum weiteren Kennenlernen oder auf einen Kaffee“, hofft Eva Brandecker.

Weitere Pläne des Teams sind weitere Lektionen – über die sechs Basislektionen hinaus, etwa speziell für Kinder. Angedacht ist auch eine erweiterte Variante als App. Dazu wünschen sich Eva Brandecker und Team noch Sponsoren oder Förderungen.

Kontakt zu welcomegrooves:

  • Brandecker Media & Friends
  • c/o Brandecker Media Verlag
  • Eva Brandecker
  • Hoffeldstraße 33
  • 40235 Düsseldorf
  • E-Mail: welcome@thegrooves.de
  • Tel.: +49 (0) 151 – 59787478
  • Fax: +49 (0) 3212 – 102 78 59
  • Bilder und Presseinfos zum Download in der Dropbox: http://bit.ly/1Ou4wlw

welcomegrooves im Internet:

  • http://welcomegrooves.de/
  • http://blog.thegrooves.de/
  • http://www.facebook.com/thegrooves
  • http://twitter.com/thegrooves
  • https://storify.com/KuWiWege/deutschlernen-mit-den-welcomegrooves

Kategorie: Aktuelles, Strategie Stichworte: Corporate Social Responsibility, CSR, Deutsch, Flüchtlinge, Kommunikation

Psychologie berücksichtigen – Rezension der eBroschüre „Effektivere Schriftsätze“ von Dr. Rolf Platho

8. Oktober 2015 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Cover Effektivere SchriftsätzeDie Broschüre „Effektivere Schriftsätze – Kognitionspsychologie und Rhetorik für Anwälte“ von Dr. Rolf Platho ist eine gut strukturierte Hilfe, um bessere, weil wirkungsvollere Schriftsätze zu erstellen.

Sie konzentriert sich auf den Schriftsatz, die Tipps lassen sich jedoch auf jeden Text im Anwaltsalltag übertragen. Egal, ob Schriftsatz, Memo, Gutachten oder Anschreiben, es sind genau die von Platho vermittelten Strukturtipps, die darüber entscheiden, ob ein Text sein Ziel erreicht – oder eben nicht. Folgt das Gericht der eigenen Meinung? Stimmt die Mandantin der vorgeschlagenen Strategie zu? Gibt sie Schriftsätze frei? Und bezahlt sie am Ende anstandslos die Rechnung, weil sie das Gefühl hat, kompetent beraten worden zu sein?

Um die 45 Seiten starke Broschüre durchzulesen, braucht man allerdings Konzentration, denn der Autor kleidet selbst die praktischen Tipps in anwaltstypisch fundierte Sätze. Das klingt dann so: „Die Optimierung der eigenen juristischen Schriftsätze steht bisher nicht im Mittelpunkt anwaltlicher Überlegungen zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs.“ Anders gesagt, den eigenen Ratschlag, lieber kurz und einfach zu schreiben, befolgt der Autor der Broschüre nur begrenzt.

Wer sich weder von solchen Sätzen noch von der langen „Einleitung“ abschrecken lässt, wird belohnt. Denn was sich hinter den wissenschaftlich klingenden „kognitionspsychologischen Grundlagen der Schriftsatzoptimierung in Makrostruktur und Inhalt des Textes“ verbirgt, trifft den Nagel auf den Kopf.

Eine der wichtigsten Botschaften ist, dass das Gehirn Informationen dann am bereitwilligsten annimmt, wenn ihm jeweils angekündigt wird, was als Nächstes kommt. Damit ist nicht einfach gemeint, „das Wichtigste nach vorn“, sondern vielmehr: „Liefere am Anfang immer einen Ausblick auf das, was kommt.“ In Seminaren erlebe ich oft einen Aha-Effekt, wenn den Teilnehmenden klar wird, wie sehr sie mit einer guten Vorstrukturierung die Lesbarkeit ihrer Texte steigern können. Plathos Broschüre liefert dafür die kognitionspsychologische Erklärung: Weiß die Leserin, was als nächstes kommt, ist sie darauf vorbereitet. Das erhöht nicht nur die Verstehensleistung, sondern auch die Akzeptanz des Gelesenen.

Sage mir vorher, was du tun wirst, dann bin ich bereit, dir zu folgen

Plathos Verdienst ist es, darzustellen, wo sich diese „Vorausschau“ überall in der Makrostruktur und im Inhalt des Textes platzieren lässt: In der Einleitung und in der ausformulierten Perspektive (worauf will der Schreibende hinaus?), in den Gliederungselementen Überschrift und Zwischenüberschrift und im Text selber. Der Autor rät, und das kann ich nur unterschreiben, jeden Textabsatz mit einer „dezidierten Ergebnisvorschau“ beginnen zu lassen. Für Juristen ist das leicht nachvollziehbar, wenn man ihnen rät: „Schreiben Sie Urteilsstil statt Gutachtenstil“. Beim Gutachtenstil wird bekanntermaßen erst die zu prüfende Frage gestellt und dann das Ergebnis genannt. Beim Urteilsstil ist es umgekehrt.

Beispielsätze veranschaulichen, wie man die Ratschläge umsetzt und damit den Test damit gut gliedert. Sie sind es wert, ausgedruckt und über dem Schreibtisch aufgehängt zu werden. Zwar sind Anwälte dank Gutachtentechnik und Urteilstechnik durchaus imstande, Texte einigermaßen zu gliedern. Zumindest deutlich besser als etwa Pädagogen oder Sozialarbeiter. Doch auch bei guten Stilisten ist noch Luft nach oben.

Besonders die von Platho empfohlene Möglichkeit, Texte mit Gliederungsüberschriften „vorzustrukturieren“, ist es wert, beherzigt zu werden. In der Praxis vieler Kanzleien produzieren Anwälte gerne seitenlange Bleiwüsten, die allenfalls mit Nummerierungen unterteilt sind. Will der arme Leser wissen, was drin steht, muss er alles lesen. Wie sehr würde es ihm helfen, wenn ihm Zwischenüberschriften sagen würden, was im jeweiligen Absatz drin steht! Würden die Zwischenüberschrift gar das Ergebnis vorwegnehmen, müsste er – wie auf einer Schnelllesestraße – nur die Überschriften überfliegen und wäre über den Inhalt des Textes informiert.

Eine Beispielüberschrift aus der Broschüre, wo das Thema genannt wird:

  • „Der Umfang der Rechteeinräumung bei Auftragsvergaben“
  • Noch besser ist es, in der Überschrift gleich die Ergebnisvorschau zu geben: „Keine Rechteeinräumung bei Auftragsvergabe“

Weitere Hilfestellung leistet die eBroschüre beim Thema Stil. Satzkonstruktion, Wortwahl, Layout, Veranschaulichung mithilfe von Grafiken sind weitere Themen.

Fazit: Es schadet kein bisschen, wenn in jeder Kanzlei ein Exemplar der Broschüre rumliegt. Und wenn möglich, auch gelesen wird.

Effektivere Schriftsätze – Kognitionspsychologie und Rhetorik für Anwälte – eBroschüre (PDF)

Rolf Platho
1. Auflage 2015, 45 Seiten
ISBN 978-3-8240-5688-0
24,90 EUR

http://www.anwaltverlag.de/effektivere-Schriftsaetze

Kategorie: Aktuelles, Rezension

„Junge Leute für eine Assistenz in der Kanzlei zu begeistern, ist nicht so einfach“, Interview zur neuen ReNoPatAusbildungsverordnung

15. Juni 2015 von Eva Engelken 6 Kommentare

Illustration verwendet mit freundlicher Erlaubnis von Legalprofession
Gute Assistentinnen zu finden, ist nicht so leicht, Industrie und Handel sind eine starke Konkurrenz für Kanzleien, die sich mit der Werbung noch etwas schwer tun, sagt Marion Proft von Legalprofession.

Vor einem Jahr schrieb ich in 111 Gründe, Anwälte zu hassen, Anwälte hätten ein Problem, gute Rechtsanwaltsfachangestellte zu finden. Das soll sich jetzt ändern. Zum 1. August tritt die neue ReNoPat-Ausbildungsverordnung in Kraft. Ich habe Personalvermittlerin Marion Proft, Inhaberin von LegalProfession, gefragt, was die Novelle bringt.

Frau Proft, in der neuen Ausbildung wird mehr Wert auf die Mandanten- oder Beteiligtenbetreuung gelegt. Außerdem lernen die künftigen Fachangestellten etwas über den elektronischen Rechtsverkehr, Grundzüge des Wirtschaftsrechts und Englisch? Haben wir jetzt eine attraktive und zeitgemäße Ausbildung?

Marion Proft
Marion Proft, Legalprofession

Proft: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Die Ausbildungsverordnung ist ja nur in dem vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) vorgegebenen Rahmenplan verbindlich. Wie die Berufsschulden die Inhalte umsetzen, muss man abwarten. Bevor hier keine Lehrpläne aufgestellt sind, wird es schwierig. Noch schwieriger wird es dann in der praktischen Ausbildung. Ausbilder brauchen Informationen und eine Anleitung, um das Verordnete auch umzusetzen. Die zeitgemäße Ausbildung ist aber nur die eine Seite der Nachwuchssicherung. Es muss auch gelingen, genügend junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Dann muss man Ausbilder finden, die den Rahmenlehrplan mit all seinen Anforderungen beherzt umsetzen und dann muss der Azubi noch drei Jahre durchhalten und die Kammerprüfung erfolgreich bestehen. Und zu guter Letzt muss er oder sie auch noch Lust haben, in diesem Beruf zu arbeiten. Das ist ein langer Weg und man läuft wohl Gefahr, die eine oder den anderen zu verlieren, denn Begeisterung, Durchhaltevermögen und Motivation kann man nicht verordnen.

Wer hat denn die größten Nachwuchsprobleme? Die Großkanzleien, der Mittelstand oder die Einzelanwälte?

Proft: Das Problem liegt in der Heterogenität des Anwaltsmarktes. Die Aufgaben und die Arbeitsweise der Marktteilnehmer sind sehr verschieden. Die Novellierung richtet sich an die klassischen Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte, nicht an die Großkanzleien. Die waren in dem Novellierungsprozess gar nicht vertreten.

Haben die Wirtschaftskanzleien kein Interesse an der ReNoPat-Ausbildung?

Proft: Die Wirtschaftskanzleien haben ganz andere Probleme mit der Ausbildung der Anwaltsassistenz, sind sie doch ein sehr separierter Teil des Anwaltsmarktes. Auf der einen Seite können sie die Ausbildungsinhalte der alten, wie der neuen Verordnung in der Praxis wenig abrufen, weil die Tätigkeit der Wirtschaftsanwälte eher beratend und weniger prozessual ist, andererseits lernt die ReNoPat in der Ausbildung an der Berufsschule nicht das, was in einer Law Firm von der Anwaltsassistenz erwartet wird.

Hilft die Novelle Groß- und Wirtschaftskanzleien also nicht? Zumindest Englisch soll doch jetzt Bestandteil der Ausbildung sein.

Proft: Nur bedingt. Denn selbst wenn der Rahmenausbildungsplan die fachbezogene Anwendung der englischen Sprache zumindest teilweise integriert, wird dies den tatsächlichen Anforderungen im internationalen Rechtsdienstleistungsmarkt nicht gerecht. Aber es ist nicht nur die notwendige fremdsprachliche Kompetenz, es ist zum Beispiel auch die Parkettsicherheit im internationalen Umfeld.

Woher soll die Parkettsicherheit für Großkanzleien kommen? Aus der Ausbildung?

Proft: Meine Kunden wünschen sich das, aber das ist in der Erstausbildung gar nicht darzustellen, das kann ein Oberstufenzentrum nicht leisten. Hier müsste man über eine Anschlussqualifizierung zum Beispiel für Fremdsprachenkorrespondenten nachdenken.

Wäre es da nicht besser, einen anderen Ausbildungsberuf zu favorisieren, zum Beispiel den Kaufmann für Büromanagement?

Proft: Und wer notiert dann die Fristen und macht bei Bedarf die Kostenrechnung nach RVG? So einfach ist das nicht, der Wirtschaftsanwalt wünscht sich bei Bedarf eine ReNo. Und das ist auch gut so, denn gerade die Vorschriften im Fristenwesen, hat der BGH trotz dem anerkannten Mangel an ausgebildeten Fachkräften nicht aufgehoben.

Zurück zu den kleineren Kanzleien. Warum findet man dort so wenig Bewerber für die ReNoPat- Berufe?

Proft: Vorweg, es ist nicht dem demografischen Wandel geschuldet. Die duale Berufsausbildung steht allgemein nicht hoch im Kurs bei den Abiturienten, man macht heute lieber einen Bachelorabschluss. Absolventen mit mittlerem Bildungsabschluss sind in der Zwischenzeit stark umworben von Industrie und Handel.

Machen die Kammern, die Kanzleien und die Verbände denn schon eifrig Werbung, um möglichst viele Absolventen für die reformierte Ausbildung zu begeistern?

Proft: Das sollten sie eigentlich tun. Im August beginnt das Ausbildungsjahr. Umso erstaunlicher ist es, dass weder vom BIBB noch vom RENO Bundesverband die verabschiedete Verordnung verbreitet wird, von den Kammern ganz zu schweigen. Selbst auf den Webseiten der Berufsschulen findet man noch die Ausbildungsverordnung von 1987.

Was können Kanzleien tun, um gute Azubis zu bekommen? Bei ihrer lahmen Kammer Sturm laufen?

Proft: In jedem Fall, obwohl das wohl eher langfristig etwas bewirkt. Mittelfristig sollte man eine Ausbildungsoffensive starten und gemeinsam werben. Ich habe zu diesem Zweck mein Informationsportal für die juristische Assistenz ins Leben gerufen. Hier findet der Bewerber nicht nur den Stellenmarkt, sondern vor allem Berufsorientierung und nützliche Informationen zu den Berufsbildern. Hier können Arbeitgeber und Ausbilder ihre Anzeigen schalten. Vor allem sollten alle Arbeitgeber ab sofort ihre Auszubildenden fordern, fördern und gut behandeln.

Zum Thema Employer Branding/Wie werde ich attraktiv für Azubis? unterhalten wir uns beim nächsten Mal. Für heute: vielen Dank für das Gespräch, liebe Marion Proft.

Kategorie: Aktuelles, Employer Branding, Interviews Stichworte: Nachwuchs, Recruiting

Hardline – wie ich einen Autor im Regionalzug entdeckte

3. Juni 2015 von Eva Engelken 2 Kommentare

Buchcover Hardline - Ein autobiografischer Roman aus Deutschlands DrogenszeneHeute mal nix über Kanzleikommunikation. Dafür etwas über die Zufälle, die bei der Entstehung von Büchern manchmal mitwirken. Zum Beispiel HARDLINE von M.P.D. JOHN, das am 1. Oktober in den Handel kommt.

Manchmal sind Richter doch für was gut. Richter und ich, das ist nicht die beste Kombination, jedenfalls nicht, wenn ich ihnen beizubringen versuche, dass normale Menschen ihre komischen Verfügungen und Sätze nicht mögen. Aber zumindest haben sie dafür gesorgt, dass ich am 15. Juli 2014 in ihrer Akademie in Trier war. Auf der Rückfahrt im Zug traf ich nämlich Marius. Oder er mich, als er durch den Zug tigerte. Auf der Suche nach einer Zigarette.

So eine Zugfahrt im bummeligen Regionalzug ist ganz schön lang und so kam ich mit dem schmalen jungen Mann in der bedruckten Jeanskutte ins Gespräch.
Zwischen Wittlich und Koblenz erläuterte er mir, was all die Symbole und Aufnäher, 666 und MC auf der Jeansweste bedeuteten und bot mir Würste aus der Metzgerei von seinem Vater an. Ein paar Romafrauen bekamen auch Würste – für eine Zigarette.

Sich mit ihm zu unterhalten, machte Spaß und Regionalzüge brauchen, wie gesagt, lange. Im muffigen IC ab Koblenz redeten wir über Machu Picchu und zwischen Andernach und Remagen waren wir beim Schreiben angekommen. Ich erwähnte, dass ich gerade ein Buch über Anwälte schreibe und er vertraute mir an, dass er ein Buch über sein Leben verfasst habe. Einen Titel dafür hätte er schon: Hardline, weil es um die harte Seite des Lebens ginge.

Weil er den Text teilweise im Knast auf Papier geschrieben habe, hätte ein Freund ihn in den Computer übertragen. Ich bot ihm an, den Kontakt zu meinem Buchagenten herzustellen, wenn er mir eine Leseprobe aus seinem Buch anvertrauen möge. Und es wäre gut, wenn er sich eine E-Mail-Adresse anlegen würde, denn mit dem Agenten und später dem Verlag müsse er auch per E-Mail verkehren.

Manche Dinge sollen passieren. Ich bekam eine Mail. Und erfuhr, was ich eigentlich schon wusste: dass es hier um die harte Seite ging. Drogen und Alles. Und dass hier jemand schreiben konnte. Ungeschliffen, aber gut beobachtet. Und mit einer Prise Selbstironie. Also fragte ich Martin Brinkmann, ob er einem jungen Ex-Dealer helfen wolle, seinen Traum zu verwirklichen und sein Buch an einen Verlag zu bringen. Er wollte. Seitdem sind etliche Monate vergangen. Heute habe ich Post bekommen: Die Verlagsvorschau vom Schwarzkopf-Verlag. Spitzentitel (das sind die, für die viel Werbung gemacht wird): „HARDLINE“ von M.P.D. JOHN. Marius, ich freue mich riesig für dich. Du kannst stolz auf dich sein!

HARDLINE – Autobiografischer Report aus Deutschlands Drogenszene
Broschiert: 456 Seiten
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (1. Oktober 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3862654869

Kategorie: Aktuelles, Rezension, Sachbuch: Tutorial Stichworte: Buchagent, Sachbuch

Juristisch für Gartenfreunde – Kleingartengesetz

20. Januar 2015 von Eva Engelken 8 Kommentare

SicherheitBis die Diplomingenieurin, Bloggerin und Buchautorin Anja Klein auf Idee kam, Kleingärtnerin werden zu wollen, wusste sie nicht, dass dies fundiertes Rechtswissen erfordert. Inzwischen besitzt sie sowohl einen Kleingarten als auch solide Kenntnisse des Bundeskleingartengesetzes und der Kölner Kleingartenverordnung. Als mir beim Texttreff-Blogwichteln zugeloste Gastbloggerin gibt sie einen kleinen Einblick.

Gastbeitrag von Anja Klein:

Kleingärtner brauchen starke Nerven! Dafür sorgen neben der Kleingartenverordnung auch die bunt gemischten Vereinsmitglieder samt Vorstand.

(1) Ein Kleingarten ist ein Garten, der dem Nutzer (Kleingärtner) zur nichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf , und zur Erholung dient (kleingärtnerische Nutzung) (§ 1 BKleingG)

Anja Klein SchaufelDas wurde mir bereits bei meinen Besuchen der wöchentlichen Kleingarten-Sprechstunde, zwecks Gartenvergabe, klar. Ein Termin bei dem ich nur mal nachfragen wollte wie es so läuft, wie viele, der gefühlten 999 Schritte, mich noch von der Übergabe der Gartentorschlüssel trennen, geriet besonders bizarr.

Statt in das erwartete Kleingartenidyll geriet ich mitten in ein „Best Ager“-Drama. Männer im idealen Kleingärtneralter stritten sich – mit vollem Körpereinsatz – um Fallrohre. Genauer um Fallrohrreperaturrechnungen. Noch genauer um falsche Fallrohrreperaturrechnungen.

urban gardeningWen interessierte denn da noch, ob der Abschätzer meinen zukünftigen Garten schon begangen hatte, wie viele Euros der Vorbesitzer für seine 20 Jahre alte (voll funktionsfähige!) Torftoilette haben wollte, und ob der gute alte Gartenzwerg weiter im Garten wohnen darf.

Der Vorstand darf nicht gestatten, was laut Gartenordnung und Pachtvertrag «verboten» ist! (Merkblatt „Bauliche Anlagen“)

Der Gatte, der mich zum ersten Mal (zwecks Überbrückung der, bei meinen vorherigen Besuchen stets ausgesprochen langweiligen und ereignislosen, Wartezeit) begleitete, war schockiert. So hatte er sich das alles nicht vorgestellt. Der Fluchtreflex war ihm deutlich anzusehen.

Am Ende wurde alles gut. Die Fallrohre wurden weggesteckt. Und wir erfuhren was wir wissen, wenn es auch nicht was wir hören wollten: die Kleingartenmühlen mahlen langsam. Bis zur Gartenübergabe half nur Geduld.

Inzwischen ist der Gartentorschlüssel schon lange in meinem Besitz und die Kleingartenverordnung kann ich nachts im Schlaf aufsagen. Dazu hat ein besonders skurriler Vorfall beim Bau unseres Gewächshauses beigetragen.

Im Kleingarten ist eine Laube in einfacher Ausführung mit höchstens 24 Quadratmetern Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz zulässig (§ 3 BKleingG)

Ein paar Tage hatten wir schon damit verbracht, alte Fachwerkfenster zu einem neuen Gewächshaus zusammen zu puzzeln. Meistens denkend, manchmal arbeitend. Den vielen Zaungästen nickten wir anfangs freundlich zu. Der Kölner an sich ist halt neugierig, dachten wir. Bis es dann eines Tages, im Schutz der Dämmerung über den Gartenzaun klang: „Dat muss weg! Dat lässt de Verein nittens zu! Dat sieht Scheiße uss!“

Überdachter Freisitz. In Abhängigkeit von der bebauten Fläche max. 12 m2. Dachüberstand max. 50 cm. Mindestens an einer Seite der Laube anschließend. (Merkblatt „Bauliche Anlagen)

Naja, dachten wir, Kommentare von anderen Kleingärtnern muss man sportlich nehmen. „Dat sieht Scheiße uss!“ ist im Grunde genommen das Kölsche Synonym für: „Interessante Optik. Habe ich so noch nie gesehen. Ist nicht ganz mein Geschmack.“

Jeder Block oder Weg wird durch einen Blockwart betreut. (Kleingärtnerverein Blücherpark e.V.)

Unser Blockwart (ja, das heißt wirklich so) hat uns dann gesteckt, dass unser Gewächshaus das Gesprächsthema in der Kleingartenanlage ist. Schneller als seinerzeit Wirbelsturm Katharina hatte sich die Kunde der regelwidrig umbauten Laube in der Kolonie verbreitet – mit vergleichbar zerstörerischem Potential. Hintergrund der ganzen Aufregung ist das Bundeskleingartengesetz mit seinem Verbot umbauter Freisitze.

Unser Anlehngewächshaus steht auf dem ehemaligen Laubenfreisitz. Der jetzige – nicht umbaute Freisitz – ist vom Weg aus nicht zu sehen. Aber selbst wenn, hätte das am Aufstand wenig geändert. Der Kleingärtner an sich regt sich halt gerne auf. Denn ist er erst mal auf 180, kann er anschließend das Entspannungspotential der Gartenarbeit voll und ganz ausnutzen.

Ein Kleingarten ist ein Garten, der […] zur Erholung dient (§ 1 BKleingG)

Danke, liebe Anja, und weiterhin viel Spaß und gute Erholung in und mit deinem kleinen Horrorgarten!

Kategorie: Aktuelles

Deutschland hat es verdient, von den Richtigen verteidigt zu werden

23. Dezember 2014 von Eva Engelken 3 Kommentare

Mein Deutschland, das ich mag, ist deutsch, europäisch, gleichberechtigt und weltoffen. Es ist reich und sein Reichtum speist sich genau aus diesen Eigenschaften. Deshalb sollten wir sie mit aller Kraft verteidigen.

Wie reich und vielfältig Deutschland ist, merkt man am besten beim Weihnachtsmarkt. Gäbe es nur deutschen Kohl und saures Bier, röche es ziemlich ärmlich. Doch dank Pasta, Kaffee, Schokolade, Zimt, Fisch und hunderten anderer internationaler Zutaten verführen liebliche Düfte die Sinne.

Die Kirche übt in Deutschland kaum noch Zwang aus, sondern stiftet Sinn

Dahinter thront die Kirche als malerische Kulisse. Sie ist zur Marktzeit geöffnet, doch niemand zwingt mich, hinein zu gehen und zu beten. Anders als noch vor einem knappen Jahrhundert diktiert sie mir nicht mehr, wie ich mein Leben zu führen habe. Ich konnte heiraten, wen ich wollte und ich hätte bleiben lassen können.

Kirche light ist für mich akzeptabel, auch wenn viele biblische Geschichten hanebüchen sind. Die Jungfräulichkeit Marias oder die Erschaffung der Welt in 7 Tagen! Was habt ihr geraucht, Jungs und Mädels? Dennoch stiften manche von ihnen Sinn. Und die kirchlichen Feste und der arbeitsfreie Sonntag gliedern die Arbeitswoche und das Kalenderjahr.

Frauen entscheiden sich hierzulande selber fürs Kinderkriegen oder dagegen

An Deutschland gefällt mir auch, dass ich selbstverständlich Kinder bekommen konnte, weil ich es wollte. Und dass ich mich auch dagegen hätte entscheiden können. Für selbstverständlich halte ich es ferner, dass weder meine Schamlippen verstümmelt noch meine Vagina zugenäht wurden, so dass mir der Geschlechtsverkehr Freude bereitet und hoffentlich bis ins hohe Alter bereiten wird. Und dass sich, nebenbei bemerkt, niemand anmaßt, Frauen wegen Ehebruchs zu steinigen.

Ob in der Wirtschaft oder in der Partnerschaft – von der Gleichberechtigung profitieren Männer und Frauen

Lässt man Weihnachtsmarkt und Kirche links liegen, erreicht man die Einkaufsstraße. Sie ist für Autos gesperrt, was okay ist, schließlich können Einkaufende dann besser bummeln. Schon in der Straße nebenan dürfen die Autos wieder fahren. Am Steuer sitzen Männer oder Frauen. Weil ein Fahrverbot für Frauen absurd wäre.

Seit 1945 steht sogar im Grundgesetz, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Einer Partnerschaft tut es gut, wenn Frauen und Männer rechtlich und finanziell auf einer Ebene stehen. Von den Kindern ganz zu schweigen. Auch für die Wirtschaft ist es förderlich, wenn Männer und Frauen respektvoll neben- und miteinander arbeiten, statt sich einseitig zu beherrschen.

In meinem idealen Deutschland haben all jene, die Frauen Stimme und gleiche Rechte verweigern, keine Chance.

  • Weder die Neu-Nationalsozialisten, die ihren Vorbildern von 1939 bis 1945 folgen, die Frauen als willige Gebärmaschinen ansahen und ihnen Mutterkreuze verliehen, wenn sie besonders oft geworfen hatten.
  • Noch die christlichen Fundamentalisten, die zurück zur Prügelstrafe für Kinder wollen und die Ärzte und Ärztinnen attackieren, wenn sie Frauen sichere Abtreibungen ermöglichen, darunter die Teile der AfD.
  • Und schon gar nicht die unter dem Kürzel „IS“ wütenden Verbrecher, die sich als die Herren der Welt und Frauen als rechtlose Sex- und Arbeitssklavinnen betrachten.

… und mein Deutschland verteidigt seine Grundrechte gegen Angreifer…

Mein ideales Deutschland lässt sich von solchen Angreifern nicht an der Nase herumführen. Es verbietet Frauen auf der Stelle, als gesichtslose schwarze Kleidersäcke herumzulaufen. Es hört auf, Ehrenmorde oder Beschneidungen mit Religionsfreiheit zu rechtfertigen. Gerichte zögern keine Sekunde, Machthaber in die Schranken zu weisen, die unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Menschen- und Frauenrechte einschränken.

Weder Medien noch PolitikerInnen lassen ein Vakuum an Verteidigung entstehen, in dem sich Feinde der Demokratie breit machen können. Etwa die Initiatoren von AfD, Pegida & Co. Wer immer sich dort in führender Position tummelt, hat was gegen die Demokratie.

  • Er oder sie mag es nicht, dass Frauen und Männer gleichberechtigt miteinander leben und arbeiten.
  • Er oder sie hetzt gegen Ausländer und Minderheiten, weil er oder sie Sündenböcke sucht.
  • Er oder sie mag es nicht, dass Deutschland Teil von Europa ist, das uns und unsern Nachbarländern seit 1945 Frieden, Wohlstand und ein Mehr an Demokratie gebracht hat.

Diese Leute sind gegen mein Deutschland, das ich liebe. Es ist Zeit, sie in die Schranken zu weisen.

Mit freundlichen Grüßen

Eva Engelken

 

Kategorie: Aktuelles, Recht Stichworte: Gleichberechtigung, Menschenrechte, Pegida, Weihnachten

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