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Vom Sparfuchs zum Schwerverbrecher – wie Frames unser Rechtsempfingen beeinflussen und wie man sie für die eigene Kommunikation nutzen kann

14. Juni 2018 von Eva Engelken 1 Kommentar

Ob Menschen ein bestimmtes Verhalten als rechtens empfinden oder nicht, hing noch nie alleine davon ab, ob es gesetzlich erlaubt oder verboten war, sondern von einer gesellschaftlichen Übereinkunft, ob das Verhalten erlaubt oder verboten sein sollte. Diese Übereinkunft ist jedoch brüchig; Interessengruppen, Trends und andere Faktoren beeinflussen sie ständig. Aber auch wir selber können sie beeinflussen: durch unsere Sprache und das durch sie erzeugte Framing unserer Wertvorstellungen.

Das Anliegen meiner Dinner Speech anlässlich des 6. Düsseldorfer Anwaltsessens am 26.11.2018 im Industrie-Club Düsseldorf war es, den Einfluss von Sprache und Frames auf unser Rechtsempfinden zu beleuchten. Dieser Blogbeitrag ist eine weiterentwickelte Fassung davon.

Ich bei der Generalprobe für die Dinner Speech zum Thema Frames und Anwaltskommunikation

Ein schönes Beispiel für die Macht der Frames sind die Steueranwälte und ihre Steuersparmodelle. Als Organe der Rechtspflege sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet. Als Vertreter ihrer Mandanten jedoch deren Interessen. Das führt zu Konflikten, wenn Steueranwälte im Mandanteninteresse „Steuerschlupflöcher“ entdecken, die den Fiskus und damit das Gemeinwesen schädigen. Aktuelles Beispiel sind die Cum-Ex-Aktiendeals, die laut Medienberichten den deutschen Staat um zehn Milliarden Euro erleichtert haben.

Warum dauerte es über zehn Jahre, dass aus dem „Steuersparmodell“ Cum Ex eine schwere Steuerhinterziehung wurde?

Der auch als Dividendenstripping bezeichnete Vorgang war, wie bei allen „Steuersparmodellen“ üblich, zunächst von den Gesetzen gedeckt und wurde später verboten. In der der Zwischenzeit fügte er dem Staat jedoch einen Milliardenschaden zu. Berechtigte Fragen an die Anwälte wären:

  • Hätten sie trotz fehlender Verbote von Anfang an einen Unrechtsgehalt in ihrem Tun erkennen müssen?
  • Hätten sie angesichts der hohen Summen, um die es ging, gar die Radbruch‘sche Formel analog anwenden müssen? Nach dieser soll sich ein Richter bei einem Konflikt zwischen Gerechtigkeit und gesetztem Recht für die Gerechtigkeit entscheiden, wenn das Gesetz als unerträglich ungerecht anzusehen sei.

Der nunmehr wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagte Erfinder der Cum-Ex-Steuersparmodelle, Rechtsanwalt Dr. Hanno Berger aus Hessen, würde mit Sicherheit für sich in Anspruch nehmen, ein gesetzestreuer Anwalt zu sein, der nur dank seiner Findigkeit mal wieder eine Gesetzeslücke entdeckt und zu Geld gemacht hat.

War nur das Wirtschaftsstrafrecht den Anwälten nicht gewachsen oder gab es weitere Gründe?

Der ehemalige Finanzbeamte könnte vorbringen, dass das heute von der Staatsanwaltschaft behauptete Unrecht vor über zehn Jahren gar nicht erkennbar war. Immerhin dauerte es bis zum Jahr 2012, bis die Cum-Ex ermöglichende Gesetzeslücke geschlossen wurde. Und dann noch einmal fünf Jahre, bis Ende 2017 die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung erhob.

Gewiss ist die Komplexität einer Rechtsfrage ein Argument für ein langes Verfahren. Und Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und erst recht Wirtschaftsstrafrecht sind ja wirklich komplex. Der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer schrieb einmal in seiner ZEIT-Kolumne „Fischer im Recht“, dass das Strafrecht dem White-Collar-Crime nicht gewachsen sei. Eine Putzfrau, die fünf Euro stiehlt, ließe sich leichter bestrafen als ein Bankmanager, der 500 Millionen veruntreut.

Das Unrecht eines Cum-Ex-Deals dingfest zu machen, gehört sicherlich in die Kategorie Brainfuck. Alleine die Sachverhaltsaufklärung bei Aktientransaktionen rund um einen Dividendenstichtag brennt WirtschaftsjuristInnen Denkfalten in die Stirn. Hinzu kommt die umstrittene strafrechtliche Bewertung der Cum-Ex-Deals. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz besagt, dass es keine Strafe ohne Gesetz geben darf. Gegenstand des Strafverfahrens dürfte also auch die Frage sein, ob eine zunächst nicht strafbare Handlung überhaupt rückwirkend zu einer Straftat erklärt und bestraft werden darf.

Oder hat ein Framing das „Steuersparen“ zur Notwehr gegen einen gierigen Staat umgedeutet?

Gut möglich, dass es wegen der genannten Faktoren so lange dauerte, bis Gesetzgeber, Staatsanwaltschaft und nicht zuletzt hartnäckige JournalistInnen die Cum-Ex-Deals tatsächlich als Straftaten bezeichneten. Doch auch die eingangs genannte gesellschaftliche Übereinkunft  was okay und was nicht okay ist, spielte eine Rolle. Im Hinblick auf die gemeinnützige Pflicht Steuern zu bezahlen, herrscht hier nämlich ein erbitterter Streit.

  • Das „Sparen“ von Steuern sei eine notwendige Gegenwehr gegen einen allzu gierigen Staat, lautet das traditionelle Credo der Gesetzeslückenfinder und wird unterstützt von Politikern und Medien.
  • „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt mehr“ lautete hingegen die Botschaft, die etwa der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter Borjans (SPD) mit seinen millionenschweren Ankäufen von CDs mit den Namen potenzieller Steuerhinterziehern zu senden versuchte.

Sprachwissenschaftlerin Wehling: „Frames liefern den Deutungsrahmen für die Wirklichkeit“

Eine Waffe in diesem Kampf ist die eingesetzte Sprache beziehungsweise sind die durch sie aktivierten Frames. Das Framing zählt zu den mächtigsten Wirkmechanismen unserer Sprache. Jedes Wort, das wir hören, aktiviert in unserem Kopf bestimmte Frames, also eine Bedeutung über seinen Wortlaut hinaus.

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling bezeichnet in dem von ihr verfassten SPIEGEL-Besteller „Politisches Framing“ Frames als „gedankliche Deutungsrahmen, innerhalb derer wir Fakten verarbeiten“. Laut Wehling verleihen Frames Fakten und Begriffen eine Bedeutung, indem sie die Fakten bzw. Begriffe mit unseren körperlichen Erfahrungen und unserem abgespeicherten Wissen über die Welt einordnen.

Als Folge davon sind es nicht die Fakten, die die unsere Einstellung zu Dingen bestimmen, sondern die Frames. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann hat mit dieser Erkenntnis die Annahme vom rational handelnden Nutzenmaximierer erschüttert. In dem gemeinsam mit seinem Forschungspartner Amos Tversky verfassten Werk „Choices, Values, and Frames“ erläuterte er, wie Frames die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen.

Im Hinblick auf die Pflicht Steuern zu zahlen, spielen die in den Medien benutzten Frames den „Steuervermeidern“ in die Hände. Objektiv betrachtet dient die Tätigkeit von Steueranwälten wie Hanno Berger dazu, Konstrukte zu entwickeln, mit denen Mandanten eine eigentlich vom Gesetzgeber beabsichtigte angemessene Besteuerung umgehen können. Die verwendeten Frames erzählen jedoch eine Rechtfertigungsstory.

Storytelling für Steuermilliarden: Flüchtende Mäuse und erquickende Oasen

Ein eindrucksvolles Beispiel von Elisabeth Wehling ist der Begriff Steuerschlupfloch. Er aktiviert den Frame einer Bedrohung, weil das Wort Schlupfloch in uns die Vorstellung einer Bedrohung hervorruft: Bedroht ist eine kleine Maus, die sich mit List dem Zugriff der bösen Katze durch Flucht in ein Schlupfloch entzieht. Somit macht der Begriff Schlupfloch den zu besteuernden Gewinn als Maus begreifbar, die vor der Bedrohung in Form der Besteuerung fliehen möchte. Die eigentlich geschuldete Entrichtung der Steuer wird als Situation vorstellbar, in der man gefangen ist und berechtigterweise ein Schlupfloch sucht.

Dem Schlupfloch stehen weitere Frame-Geschwister zur Seite, etwa das Steuerasyl. Wie der Begriff der politischen Flucht aktivert es semantisch mehrere Rollen:

  • Die Rolle der politischen Übermacht wird besetzt von den eigentlich demokratisch erlassenen Steuergesetze, die als Verfolger dem Geld der Reichen und Superreichen etwas Böses wollen.
  • Die Rolle des bedrohten wehrlosen Menschen, der fliehen muss, wird wahlweise von den Steuermillionen oder von ihren Eigentümern, den Superreichen, eingenommen. Sie fliehen, um ihr Geld dem übermächtigen Zugriff der Besteuerung zu entziehen.
  • Die Rolle des sicheren Asyl, an dem der bedrohte Flüchtling vor Verfolgung sicher ist, das Asyl, wird besetzt von jenen Ländern, die mit ihren Gesetzen die Steuerflucht möglich machen.

Die Verwendung des Fluchtframes und des Asylframes schafft es, in unseren Köpfen aus der gesetzlich vorgeschriebenen Steuer, die dazu dient, öffentliche Aufgaben zu finanzieren, eine Bedrohung grundlegender Menschenrechte zu machen. Aus den Arschlöchern, die ihren Beitrag zum Gemeinwohl verweigern, werden bedrohte wehrlose Geschöpfe, denen man moralisch bedenkenlos Schutz gewähren kann. Ähnliche Mechanismen wirken beim Steuerparadies, wo ja bekanntlich nur die Guten hinkommen.

Deaktivieren kann man sie nur, indem man sie nicht verwendet oder Alternativen anbietet

Wir finden also tatsächlich auf der Ebene der Sprachwirkung einen Ansatz, der erklären kann, warum die Forderung, Steuersparmodellen einen Riegel vorzuschieben, nur schwer Gehör findet. Die gedanklich erweckten Frames sprechen dagegen. Was also wäre die erste Maßnahme, um gegen Steueroasen, Steuersparmodelle oder Steuerflucht wirksam vorzugehen?

Wehlings Rat lautet ganz einfach: Nicht mehr diese Frames benutzen, wenn man über die Vorgänge spricht. Stattdessen sollte man Alternativen suchen, die andere Frames aktivieren. Anstelle des Frames vom ehrlichen Sparer könnte man den Frame eines Betrügers aktivieren, der mit seinem Konstrukt seinen geschuldeten Beitrag zum Gemeinwesen verweigert und damit die Gemeinschaft schädigt.

In dem zuvor erwähnten Kampf um die Bewertung des Steuerzahlens ist tatsächlich eine kleine Verschiebung zu beobachten. So war im Handelsblatt jüngst von den „ergaunerten Steuermillarden“ zu lesen. Der Begriff „Ergaunern“ ruft deutlich andere Vorstellungen wach als etwa die „Steuerflucht“.

Auch Richter und Richterinnen sind beeinflussbar: Tipps für die Kanzleikommunikation

Welche Erkenntnisse sollten Anwälte und Anwältinnen für ihre Kommunikation mitnehmen?

Zum einen die Erkenntnis, dass Frames allgegenwärtig sind. Nur so kann man die Gefahr bannen, die eigene Argumentation mit entgegen wirkenden Frames unwissentlich zu entkräften. Zudem kann man wirkungsvoller kommunizieren. Etwa im Gerichtsprozess. Zwar besagt der Neutralitätsgrundsatz, dass Richter Sine ira et studio, also ohne Zorn und Eifer für die eine oder andere Partei entscheiden sollten. Doch auch Richter und Richterinnen sind der Prägung durch Framing zugänglich. Das erklärt auch, warum Litigation PR solche Wirkung zeigt. Sie setzt Frames ein, um Meinungen zu aktivieren und so den Gerichtsprozess zu beeinflussen.

Frames machen Täter unsichtbar oder ändern ihre Wahrnehmung

Frames können sogar Täter aus dem Blickfeld rücken. 2012 erstach ein Münchner Ehemann seine Frau und die Mutter seiner vier Kinder. Weil ich ihn flüchtig kannte, als Partner einer einer internationalen Wirtschaftskanzlei, verfolgte ich interessiert die Zeitungsartikel, die der Tat folgten und stieß schon damals auf den Begriff von „häuslicher Gewalt“. „Jedes Jahr werden in Deutschland rund 127.000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt“ lautet eine beliebige Zeitungsschlagzeile. Fällt Ihnen etwas  auf? Der Begriff der häuslichen Gewalt nimmt den Täter aus dem Fokus. Spricht man von häuslicher Gewalt, klingt es, als ginge die Gewalt von prügelnden Häusern aus, aber nicht von Männern. Dabei sind es in 90 Prozent der Fälle sie, die prügeln oder auf andere Weise Frauen verletzen oder eben töten. Korrekt wäre meines Erachtens von „häuslicher Männergewalt“ zu sprechen.

Eine weitere Eigenschaft der Frames: Sie können ändern, wie ein Täter oder eine Täterin wahrgenommen wird. Bezeichnet die BILD-Zeitung einen Straftäter als Raubtier oder Bestie, erweckt sie damit kognitionspsychologisch die Vorstellung, dass man den Straftäter wie ein gefährliches Tier bekämpfen, einfangen, einsperren oder notfalls töten müsse. Als RechtsvertreterIn rutschen Sie prompt in die Rechtfertigungsfalle.

Wirkungsvolle Alternativframes etablieren

Leider hilft es Ihnen überhaupt nichts, einen Frame zu verneinen, also zu sagen: „Nein, mein Mandant ist keine Bestie“, weil auch die Verneinung eines Frames den Frame aktiviert. Selbst wenn Sie zehnmal wiederholen würden: „Nein, mein Mandant ist wirklich keine Bestie“, würden Sie zehnmal den Frame einer wilden Bestie aktivieren.

Was tun? Das einzige, was Ihnen übrigbleibt, ist zu versuchen, einen wirkungsvollen Alternativframe zu aktivieren. Aktivieren Sie für Ihren Mandanten das Bild eines Robin Hood, der für das Gute kämpft. Auf eine interessante Lösung für Thema Kriminalität weist Elisabeth Wehling hin. Danach könne es sich anbieten, die Kriminalität als Virus begreifbar zu machen. „Die Kriminalität greift um sich wie ein Virus.“, oder:  „Der Täter stammt aus einer kriminalitätsverseuchten Gegend.“ Die Assoziationskette dahinter lautet, dass man sich mit Strafbarkeit wie mit einem Virus infiziert. Also erweckt der Frame vom Virus in den Lesern oder Zuhörern die Vorstellung, dass die Straftaten eine Krankheit seien, die sich mit besserer Bildung, mit Resozialisierung und gesamtgesellschaftlich mit dem Abbau von Armut behandeln lassen. Das ist doch eine ganz andere Vorstellung als die von abzuknallenden Bestien, oder?

Das Fazit lautet: Frames wirken überall. Ensprechend wird unser Rechts- und Unrechtsempfinden durch unsere Sprache und die mit ihr aktivierten Frames beeinflusst. Mit ein wenig Übung können Sie überall die jeweils wirksamen Frames identifizieren. Das eröffnet Ihnen die Möglichkeit, sie entweder zu nutzen oder sie durch alternative Frames zu ersetzen.

Zur Lektüre:

Elisabeth Wehling

Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht

2016 224 S.,
ISBN 978-3-86962-208-8, 21,00 EUR
EBOOK (PDF)
ISBN 9783869622095
17,99 EUR bestellen
EBOOK (EPUB)
ISBN 9783869622101
17,99 EUR bestellen

https://www.halem-verlag.de/politisches-framing/

Kategorie: Aktuelles, Kommunikationstipps, Rezension, Veranstaltungen Stichworte: Kommunikation, Kommunikationsinstrument, Linguistik, Rechtsanwalt, Rezension, Rhetorik, Steuerrecht

Mit Schopenhauer rhetorisch punkten und Rezension von „Störenfriedas – Feminismus radikal gedacht“

4. Juni 2018 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Cover des Buches Störenfriedas: Feminismus radikal gedacht Kaum ein Themenkomplex wird öffentlich derart kontrovers diskutiert, geschmäht, für überflüssig erklärt oder bis aufs Messer verteidigt wie der Feminismus, also die Forderung nach Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und immer wird der Kampf auch um die Deutungshoheit geführt. In Kombination mit dem Schopenhauer-Rhetorik-Klassiker „Die Kunst, Recht zu behalten“ bietet das Buchkapitel „Schopenhauer für Feministinnen oder wie man Antifeministen rhetorisch besiegt“ eine hervorragende Hilfestellung für Diskussionswillige und ein anschauliches Praxisbeispiel zu Schopenhauers doch eher drögen Buch.

Argumentationshilfe des Philosophen Arthur Schopenhauer

Das von Mira Sigel verfasste Kapitel findet sich in dem 550 Seiten starken Werk „Störenfriedas –  Feminismus radikal gedacht“ für 24,90 Euro. Praxisnah referiert die Autorin darin die Rhetoriktipps des Philosophen Arthur Schopenhauer (*1788, † 1860) und benutzt sie, um zu erläutern, wie man gegen Frauen eingesetzte Sophismen erkennt und entkräftet. Es regt zum Schmunzeln an, dass Sigel ausgerechnet Schopenhauers Tipps für den Feminismus in Stellung bringt, wo sie dem Philosophen doch unterstellt, ein Frauenhasser zu sein.

Sophismen und Scheinargumente anhand von Tweets identifizieren

Noch während der Lektüre bin ich sofort auf Twitter gegangen und habe dort jede Menge Scheinargumente entdeckt. Eine ergiebige Fundgrube war eine längere Diskussion, die entstand, als sich eine Frau beschwerte, dass sich in Diskos fremde Typen ungefragt an ihr reiben würden, das empfinde sie als sexuelle Belästigung.

kerle im club denken sexuelle belästigung ist eine erfindung der gesellschaft und reiben einem beim tanzen ihren ständer in den rücken und packen einen an den arsch aber hey wenn sie einem was zu trinken ausgeben hinterher ist das doch ok oder etwa nicht

— Lena blauer Haken (@leanindersprite) 20. Mai 2018

Dieser Tweet bekam viel Zuspruch, aber auch viel Gegenwind durch Argumente, die sich ohne weiteres den Schopenhauer’schen Sophismen oder Scheinargumenten zuordnen lassen. Einer davon bezog sich auf die aktuelle Klage über die „Weißen Männer“ und den von US-Präsident Donald Trump benutzten Slogan „Make Amerika great again“.

Endlich weißen patriarchalischen Männer verbieten feiern zu gehen. Make Society Great Again!
Ich würde ja ehrlich deinen Versuch hören dieses Problem zu lösen.

— Insomnia_Tweets (@NocteTacere) 21. Mai 2018

Mithilfe der Störenfrieda-Lektüre konnte ich diesen Kommentar als sogenanntes Strohmann-Argument identifizieren. Strohmann-Argumente widerlegen Argumente, die ursprünglich gar nicht angeführt wurden. Im Twitter-Beispiel beschwerte sich die Frau ja über unerbetenes sexuelles Berührtwerden in Diskotheken. Zur Debatte stand also ein konkretes Verhalten an einem konkreten Ort. Daraus zu folgern, die Beschwerdeführerin wolle Männern insgesamt und generell das Feiern verbieten, ist eine Unterstellung.

Ob diese Aussage zutrifft oder nicht, ist für den Scheinargumentierer nebensächlich, denn der eigentliche Zweck der Unterstellung liegt darin, geschickt die Aufmerksamkeit von der eigentlich zu führenden Debatte abzuziehen.

Bei rhetorischen Ablenkmanövern stur Ad Rem diskutieren

Strohmann-Argumente justieren den Aufmerksamkeitsscheinwerfer neu und richten den Lichtkegel auf ein anderes Objekt, wodurch das eigentliche Thema in den Schatten gerät. Dieser Effekt wird in dem betreffenden Tweet durch Buzzwords verstärkt: „Weiße patriarchalische Männer“ oder der Slogan „Make Society Great Again“, der den bekannten Trump-Slogan „Make Amerika Great Again“ verfremdet. Beide Buzzwordkombinationen tragen dazu bei, die Debatte auf einen Nebenkriegsschauplatz zu führen. Im Ergebnis ist der gesamte Tweet ein Ablenkmanöver, um die objektiv berechtigten Ausgangsfragen nicht weiter zu thematisieren.

Der einzig wirkungsvolle Konter auf solche Ablenkmanöver besteht darin, stur auf den eigentlichen Debattengegenstand zurückzuführen und sinngemäß zu sagen:

„Lenk nicht ab! Es geht hier um die Frage, ob sich eine Frau in einer Disko sexuell berühren lassen muss. Und warum Männer denken, sie hätten sich das Recht dazu erkauft, wenn sie der Frau einen Drink bezahlt haben.“

Keinesfalls zielführend ist es, das Strohmann-Argument widerlegen zu wollen und sinngemäß zu entgegnen:

„Nein, ich habe überhaupt nichts gegen feiernde Männer, aber…“,

denn schwupps hat man sich auf den Nebenkriegsschauplatz begeben.

Persönliche Angriffe ad personam wirkungsvoll parieren

Auch weitere Twitterkommentare auf den eingangs genannten Beschwerdetweet konnte ich als Scheinargumente identifizieren. Zum Teil gehörten sie in die Kategorie der Tu quoque(=Du auch)-Argumente, einer Untergruppe der Ad personam-Argumente. Beim Tu quoque wird der sich beschwerenden Frau vorgehalten, sie oder irgendeine andere Frau habe doch irgendwann auch schon einmal das betreffende Verhalten gezeigt oder es sogar selber herausgefordert.

Es ist mit nichts zu entschuldigen und ich kann es auch nicht erklären.
Aber umgekehrt verhalten sich einige (betrunkene) Frauen beim „feiern“ nicht anders. Ist also nicht (nur) ein Geschlechterproblem, sondern eher ein (unter Alkohol) Gesellschaftsproblem.

— The Real Mr Grey (@marcomeckert) 20. Mai 2018

Das Tu quoque-Argument bezweckt, der Frau als Beschwerdeführerin das Recht abzusprechen, sich zu beschweren. Es lässt sich nur mit dem Hinweis entkräften, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Sinngemäß:

Es geht hier um mich und darum, dass ich von Männern sexuell belästigt werde. Es macht mein Leid durch diese Belästigung nicht weniger schlimm, dass anderswo auch andere belästigt werden.

„Aber die Frau wollte es doch auch!“

Eine perfide Argumentation besteht darin, der Beschwerdeführerin vorzuwerfen, das beschwerende Verhalten selber herausgefordert zu haben. Leider lässt sich diese Argumentation nicht einfach entkräften, denn ihr liegt eine zutiefst fragwürdige Betrachtung von sexualisiertem Verhalten zugrunde. Hier ist das Buch „Störenfriedas“ eine gute Denkanregung, weil solche Argumente unweigerlich kommen und auch in meinem Beispiels-Thread auftauchten.

Der folgende Antworttweet enthält entsprechende Strohmann- und Tu quoque-Argumente und bezweckt eine Abschwächung des Belästigungsvorwurfs durch die Suggestion, dass die Frau die Belästigung ja absichtlich provoziert habe.

Lol, ihr tut hier so als hätte eine frau ihr gutes aussehen oder nen sexy outfit noch nie ausgenutzt… Klar gibt das kerlen keinen grund zu grabschen etc, aber genügend wollen betört oder angehimmelt werden, in kombi mit free drinks…

— M1KKS (@M1onX1) 22. Mai 2018

Problematisch sind diese Argumente, weil sie in Einklang mit einer krass patriarchalischen Grundeinstellung stehen. Der Tweet suggeriert, dass Frauen durch „sexy outfits“ und aufreizendes Verhalten einen Handel anbieten, bei dem der Mann mit ihren Körpern als Gegenleistung für einen Drink nach Belieben verfahren dürfe. Anders gesagt, wenn sich eine Frau mit aufreizendem Verhalten wie eine Prostituierte anbietet, hat das zur Folge, dass sie sich nicht mehr beschweren dürfe, wenn der Mann das Angebot annimmt und mit dem Drink als Bezahlung das Recht einkauft, ihr auf den Hintern zu schlagen oder seinen Penis an ihr zu reiben.

Welches Weltbild steht hinter einer Argumentation?

Die patriarchalische Grundeinstellung blendet aus, dass auch Frauen Lust auf Sexualität und Körperkontakt haben, jedoch selbstverständlich über alle Phasen einer Annäherung hinweg die Hoheit über das Verfahren behalten wollen. Entsprechend muss über den gesamten Fortgang des Verfahrens laufend Konsens zwischen Mann und Frau erzielt werden. Entsprechendes gilt für gleich- oder zwischengeschlechtliche Paare. Jede sexuelle Annäherung ist praktisch eine fortdauernde Bewerbungs- und Verhandlungssituation.

Leider vergiftet die staatlich tolerierte Existenz von Prostitution diese in den Köpfen der Menschen grundsätzlich vorhandene Werbungs- und Verhandlungsbereitschaft, weil sie es „okay“ einstuft, dass sich eine Partei, überwiegend die Männer, das Recht herausnimmt, einseitig den Umfang der Annäherung zu bestimmen.

Die goldene Mitte führt zu faulen Kompromissen

Eng verwandt mit dem Hinweis „Du wolltest es doch auch“, ist das Scheinargument Argumentam ad temparantiam, also der Aufruf zur beiderseitigen Mäßigung.

Er lautet: „Hört auf zu streiten!“ oder: „Lasst uns doch mal alle den Ball flach halten, Frauen werden schließlich auch sexuell übergriffig oder gewalttätig.“

Mit Hinweis auf Schopenhauer warnt Buchautorin Sigel davor, bei Logikfragen derart faule Kompromisse zu schließen. In einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft führe ein beiderseitiges Einlenken nämlich zu keinem Ausgleich zwischen den Geschlechtern, sondern erhalte nur die vorhandene Dysbalance.

Sexuelle Gewalt gehe nun einmal mehrheitlich von Männern aus. Zudem bestehen die von Männern begangenen Taten statistisch in viel schwereren Verletzungen als die Taten von Frauen. Ein Vorschlag, sich doch in der goldenen Mitte zu treffen, weil es ja auch gewalttätige Frauen gebe, verharmlost dieses Problem.

Schönreden, aufbauschen und mit Labeln versehen

Energisch entgegentreten sollten Diskutandinnen auch Euphemismen und Dysphemismen, so Sigel. Diese rhetorischen Tricks basieren darauf, Sachverhalte und Personen zu labeln oder umzubenennen. Negative Sachverhalte werden damit verharmlost.

„Gewalt und Machtverhältnisse verschwinden hinter neutralen bis positiven Bezeichnungen, den Euphemismen“, so Mira Sigel.

Das Gegenteil sind die Dysphemismen, die die damit bezeichnete Person diskreditieren. Sigel nennt als Beispiel den Begriff „Feminazi“, der engagiert für Feminismus eintretende Frauen mit Nazis gleichsetzt und sie damit persönlich abwertet. Wenig überraschend tauchten Dysphemismen auch in meiner untersuchten Twitterdebatte auf.

Tja das sind halt die Mysterien der pseudofeministischen „Logik“. Hirnloses Männer-Bashing ist halt einfacher als sich mit schwerwiegenden gesellschaftlichen Problemen auseinander zu setzen…#MeToo

— Admiral Landwirt (@AdmiralLandwirt) 21. Mai 2018

Mit dem Adjektiv „pseudofeministisch“ und dem in Klammer gesetzten Wort „Logik“, sowie der Unterstellung, dass die nicht näher bezeichneten TwitterautorInnen gehirnlos Männer „bashen“, also schmähen wollten, zog der Twitterautor das angegriffene Verhalten pauschal in den Schmutz. Eine Alternative wäre es gewesen, der Tweetautorin des Ausgangstweets persönlich bestimmte Eigenschaften oder Absichten zu unterstellen („pseudofeministisch“ oder „hirnlos“).

Das wäre ein klassisches Scheinargument Ad hominem gewesen. Mit Ad hominem-Scheinargumenten setzt man ebenso fies wie wirkungsvoll die Glaubwürdigkeit seiner Gegner und Generinnen herab. Ein Beispiel aus der Politik ist Trumps Hillary-Bashing im US-Präsidentschaftswahlkampf mit dem Schlagwort von der „crooked Hillary“, also der gaunerhaften Hillary.

Ad Rem: Zurück zur Sache, Schätzchen!

Der einzige wirkungsvolle Konter auf ein Ad hominem-Argument ist es Sigel zufolge, das Ad hominem-Argument klar zu benennen und auf die Sachebene, Ad rem, zu verweisen. Auf keinen Fall solle man anfangen, so Sigel, sich zu rechtfertigen nach dem Motto „Ich bin aber gar nicht gaunerhaft“. Vielmehr solle man an das Thema erinnern (im oben genannten Tweet die Beschwerde über sexuell übergriffige Männer in der Disko) und zu Argumenten dazu auffordern.

Fazit zu den Störenfriedas

„Schopenhauer für Feministinnen oder wie man Antifeministen rhetorisch besiegt“ ist ein lesenswertes Buchkapitel aus einem ebensolchen Buch, auf dessen Inhalte ich hier sicherlich noch öfter Bezug nehmen werde.

Cover des Buches Störenfriedas: Feminismus radikal gedachtStörenfriedas: Feminismus radikal gedacht

Books on Demand (2018), Deutsch, Kartoniert
ISBN 9783746018515

Osiander: https://www.osiander.de/webdb/index.cfm?osiaction=details&id=LBRA32375202&source=UWK

Amazon: https://www.amazon.de/St%C3%B6renfriedas-Feminismus-radikal-Huschke-Mau/dp/374601851X

Mehr Infos unter https://diestoerenfriedas.de/

Die Kunst, Recht zu behalten

Gebundene Ausgabe – 1. April 2009
von Arthur Schopenhauer (Autor)

Arthur Schopenhauer
Die Kunst, Recht zu behalten
Nikol Verlag (2009), Deutsch, Hardcover

ISBN 9783868200270

https://www.osiander.de/webdb/index.cfm?osiaction=details&id=KNO2009040600059&source=UWK

Kategorie: Kommunikationstipps, Rezension Stichworte: @Metoo, Buchrezension, Frauen, Kommunikation, Rezension, Rhetorik, Social Media, Trump

Kommunzieren Sie mit Büchern! Rezension von „Umweg Jakarta“

29. Mai 2018 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Was hat die Rezension eines Berichts über eine syrische Familienzusammenführung in einem Blog über Kanzleikommunikation zu suchen? Zum einen steht sie hier, weil ich als Bürokollegin der Autorin das seltene Glück hatte, die Story-Genese aus nächster Nähe mitzubekommen. Zum anderen ist Umweg Jakarta ein gutes Beispiel für die Buchgattung Reality-Bericht und ihren Einsatz in der Unternehmenskommunikation. Die vier Themen, die ich näher ausführe, sind Anliegen, Spannung und Stil sowie Tipps rund um die Veröffentlichung.

Aus einem kleinen Gefallen wird eine systematische Rettungsaktion

Der Bericht beschreibt die Familienzusammenführung der syrischen Familie Alkhory. Im Sommer 2015 landet der syrische Familienvater Elias* als Flüchtling am Niederrhein. Dort lernt ihn die Marketinfachfrau Biggi Mestmäcker, die sich im Asylkreis ihres Heimatortes engagiert, als freundlichen und hilfsbereiten Koch kennen.

Ein zurückhaltender Mann in Jeans und blauem Poloshirt fiel mir gleich auf. Er sprach nicht viel, tat aber umso mehr. Ohne viele Worte brachte er sich ein, nahm ein Messer und zerschnitt die Tomaten säuberlich in kleinste Würfel. Wir standen nebeneinander an der Arbeitsplatte in der Küche und ich versuchte ein erstes Gespräch.
„Hello, my name is Biggi“, sagte ich und reichte ihm die Hand.
„Ich heiße Elias, ich komme aus Syrien.“

Engagement gegen willkürliche Vorschriften

Schnell bekommt sie mit, dass den „Mann mit den traurigen Augen“ die Sorge um seine in Damaskus wartende Ehefrau Mari* und seinen kleinen Sohn Joni* drückt, die als syrische Christen gewissermaßen zwischen allen Stühlen sitzen. Biggi Mestmäcker beschließt, ihre Fähigkeiten als Texterin und Netzwerkerin einzusetzen, um der Familienzusammenführung zu helfen.

Was als kleiner Gefallen beginnt, entwickelt sich zu einem fintenreichen Katz-und-Maus-Spiel. Auf der einen Seite kämpfen der syrische Neuankömmling und seine deutsche Helferin, ebenfalls Mutter von zwei Kindern, und ein wachsendes Netzwerk aus Freunden, Kolleginnen, mitleidigen Behördenmitarbeitern und anderen Helfern. Auf der anderen Seite bemüht sich eine Behördenmaschinerie, den nach Geflüchteten und ihren Familien immer größere Hindernisse in den Weg zu legen.

Ein Buch als Plädoyer für die Menschlichkeit

Die letzte Chance für Elias‘ Familie, der Gefahr in Syrien zu entkommen, ist ein Visum der Deutschen Botschaft in Jakarta. Tausende von Kilometern weg von Syrien und von Deutschland. Ansatzweise habe ich vom Nachbarbüro aus das stundenlange bange Warten am PC miterlebt: auf die heißersehnte Rückmeldung des Konsularbeamten in Jakarta…, doch erst der Bericht hat mir die Hochspannung der ganzen Rettungsaktion noch einmal so richtig vor Augen geführt.

Auch wenn der Bericht durchweg klar, fast nüchtern verfasst ist, fiebert man mit. Und wird mit einem Happy End belohnt: Mari und Joni dürfen einreisen und Elias darf sie glückselig in die Arme schließen. Er hat in der Zwischenzeit mit Biggi Mestmäckers tatkräftiger Hilfe einen Hilfsjob als Gärtner gefunden hat und begonnen, sich auf ein Leben am Niederrhein einzustellen.

Mehr Infos zum Buch unter https://umweg-jakarta.de/

*Namen der Geflüchteten im Buch geändert

Welche Erkenntnisse aus dem Buch und der darin verarbeiteten Geschichte lassen sich nun auf die Unternehmenskommunikation übertragen? Im Wesentlichen sind es vier Erkenntnisse.

1.       Nutzen des Buches in der Kommunikation: Spannende Geschichten transportieren Anliegen wirksam zum Leser

Engagierte und zu Herzen gehende Berichte sind seit jeher ein hervorragendes Mittel, einem Publikum das eigene Anliegen nahe zu bringen.  Wenn immer Sie Verständnis für Ihre Tätigkeit wecken möchten, sind Sie gut dran, dies mit einer Geschichte zu tun, die Ihre Tätigkeit nicht nur abstrakt sondern auch emotional nachvollziehbar macht. Echte Geschichten finden einen Draht zum Leser und bringen Ihnen als Autor oder als Autorin sehr viel Aufmerksamkeit. Der wichtige Unterschied bei selber veröffentlichten Geschichten und Berichten: Sie bestimmen, was darin steht. Es macht einen großen Unterschied, ob Sie etwas veröffentlichen oder ob die Medien, das Fernsehen oder gar der Gegner Ihre Geschichte erzählt.

Check: Wozu dient Ihre Geschichte? Litigation PR? Lobbyarbeit? Eigenwerbung? Sympathie?

Biggi Mestmäckers Anliegen hat sowohl eine privat wie eine öffentliche Seite. Auf der einen Seite hat sie Menschen geholfen, die ihr zu Freunden geworden sind. Auf der anderen Seite hatte sie seit Ankunft der ersten Geflüchteten in ihrem Heimatort Schwalmtal das Bedürfnis, auf positive konstruktive Weise an der Integration der hier angekommen Menschen mitzuarbeiten. Seit der Veröffentlichung von Umweg Jakarta ist sie regelmäßig mit Lesungen unterwegs. Eingeladen wird sie von Kommunen, Kirchengemeinden sowie privaten und öffentlichen Einrichtungen, die sich Anregungen für ihre Arbeit mit Migranten holen wollen, oder die sich durch Elias‘ Geschichte bestätigen lassen möchten, dass sie das Richtige tun, wenn sie geflüchteten Menschen beim Neuanfang in Deutschland helfen.

Tipp:

  • Überlegen Sie, mit welcher Story Sie assoziiert werden möchten?
  • Welchem (beruflichen) Anliegen möchten Sie mehr Aufmerksamkeit verschaffen?
  • Wollten Sie Ihrer Person mehr Glaubwürdigkeit oder Transparenz verschaffen?
  • Gibt es einen laufenden Prozess oder ein Gesetzgebungsverfahren, auf den Sie mit Litigation PR oder Lobbying Einfluss nehmen wollen, indem Sie eine Geschichte auf Ihre Art und Weise erzählen?

2.       Finden Sie Ihre Story! Gute Geschichten erkennt man daran, dass man sie gerne erzählt

Es klingt banal und ist doch so wichtig: Eine gute Geschichte wie die in Umweg Jakarta erzählte, hat einen Spannungsbogen, einen Helden respektive eine Heldin und einen Gegner. Man erkennt sie am einfachsten daran, dass man sie gerne erzählt. Wenn es erfolgreiche Prozesse gibt, von denen Sie immer wieder gerne berichten, oder erfolgreich geschlagene Schlachten gegen Gegner, die auch Behörden sein können, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass hier alle Zutaten einer guten Geschichte vorhanden sind.

Der Vergleich zu Romanen liegt nahe. Der berühmte amerikanische Beststellerautor und Ex-Anwalt John Grisham hat dem Anwaltsberuf und zahlreichen Mandanten mit seinen Romanen mehr als einmal ein Denkmal gesetzt. Doch nicht jeder Fall lässt sich in einen Roman pressen.  Oft sind Reportagen oder spannende Berichte aber auch genau so gut oder sogar besser geeignet, ein bestimmtes Anliegen zu transportieren. Vorausgesetzt, sie sind spannend. Dazu mehr im 3. Punkt.

Tipp:

  • Überlegen Sie, welche wahre Geschichte aus Ihrem Berufsleben Sie gerne immer wieder erzählen, wenn Sie privat von Ihrem Beruf erzählen.
  • Gibt es Fälle oder Case Studies, die Sie in Form eines Tatsachenberichts transportieren können?
  • Gibt es eine große Geschichte oder mehrere kleine Berichte von Leuten, denen Sie vielleicht geholfen haben?

3.       Wecken Sie Emotionen! Lieber spannend als literarisch hochwertig

Lassen Sie sich von der vermeintlichen Größe der Aufgabe nicht abschrecken. Spannende Geschichten müssen nicht literarisch hoch anspruchsvoll geschrieben sein. Es reicht, wenn sie sauber und klar erzählt sind. Als Faustformel bei Zeitungsstorys gilt seit jeher: Je spannender die Story, desto weniger sprachlicher Glanz ist nötig, um sie fesselnd zu erzählen. Natürlich ist guter Stil toll, aber guter Stil ist nichts ohne eine gute Geschichte, die Ihre LeserInnen mitreißt.

Dass diese Faustformel zutrifft, sehen Sie übrigens auch an erfolgreichen Romanen. Sowohl Frank Schätzing als auch Stieg Larsson wurden von Buchkritikern als eher holzschnittartige Erzähler geschmäht. Sowohl „Der Schwarm“ wie auch die „Millenniums-Trilogie“ verkauften sich jedoch millionenfach, weil die Geschichten, die sie erzählten, die Leute mitrissen. Schimmern durch Ihre Zeilen Engagement durch und schafft Ihre Geschichte es, dieses Engagement auch in Ihren LeserInnen zu wecken, verzeihen Ihnen diese gnädig die fehlende stilistische Brillanz.

Tipp:

  • Hat Ihre Geschichte Spannungselemente?
  • Gibt es einen Helden oder eine Heldin, mit dem man sich identifizieren kann?
  • Gibt es einen Gegner oder eine Gegnerin?
  • Einen spannenden Wettstreit zwischen Rivalen?
  • Einen Underdog, der sich gegen alle Widerstände durchsetzt?
  • Gibt es Emotionen, die Sie für sich und Ihr Anliegen instrumentalisieren können?

Beispiel Umweg Jakarta

In Umweg Jakarta war es Elias als einzelner Flüchtling, der mithilfe von Biggi Mestmäcker dem „System“ die Stirn geboten hat. Der Gegner waren hier die hastig entworfene und erkennbar unsystematische Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland, die erkennbar unsystematisch die Zahl der Neuankömmlinge zu reduzieren versuchte, indem sie den Familiennachzug erschwerte.

Nur dank Biggi Mestmäckers Pfiffigkeit und Entschlossenheit, sich durch das Dickicht der Vorschriften zu wühlen, konnte Elias seine in Gefahr schwebende Frau und seinen kleinen Sohn in Sicherheit zu bringen. Emotionen, die hier überzeugend im Leser aufgerufen wurden, waren Mitleid, eine gewisse Freude an der Findigkeit, mit der die Heldin Biggi Mestmäcker gegen alle Widerstände, wie es im Buchuntertitel heißt, allen Widerständen die Stirn bietet.

4.       Sie dürfen sich helfen lassen: Lektorat, professionelle Selfpublishing-Dienstleister

Wenn Sie zu der Ansicht gelangt sind, dass Ihre Geschichte es wert ist, erzählt zu werden, können Sie sich ohne Weiteres nach jemandem umschauen, der Ihnen beim Aufschreiben hilft. Die eben erwähnten Bestsellerautoren Stieg Larsson und Frank Schätzing waren vor ihrer Schriftstellerkarriere Zeitschriftenredakteur und Werbetexter, das hilft ernorm.

Wenn Sie Ihre Geschichte selber aufschreiben und kein teures Ghostwriting beauftragen möchten, sollten Sie Ihrem Werk zumindest ein professionelles Lektorat gönnen. Eine gute Geschichte liest sich besser, wenn sie nicht mit überflüssigen Details überfrachtet wird oder wenn der Spannungsbogen schreibhandwerklich korrekt aufgebaut wird. Auch hilfreich: Wenn möglichst wenig Rechtschreibfehler das Lesevergnügen trüben.

Sie müssen nicht in einem renommierten Verlag veröffentlichen. Zum einen wird es angesichts des Siegeszugs von E-Books und der allgemeinen Flut an neuen Büchern immer schwieriger, reguläre Verlage für Buchprojekte zu begeistern. Zum anderen sind E-Books und über Print-on-Demand gedruckte Bücher eine immer bessere Alternative, um Ihre Geschichte Ihren LeserInnen zugänglich zu machen. Relativ preisgünstig zu erstellen sind sie auch.

Tipp:

  • In der Fachfrauendatenbank von www.texttreff.de finden Sie zahlreiche Fachfrauen für alle schreibrelevanten Aufgaben.
  • Gerne können Sie auch mich ansprechen: Engelken@klartext-anwalt.de.
  • Meine hervorragende Netzwerkkollgin Birte Vogel bietet ausführliche Tipps und Coaching zum Sachbuch-Schreiben und Vermarkten an.

Infos zum Buch

Titel Buch Umweg Jakarta von Biggi MestmäckerUmweg Jakarta von Biggi Mestmäcker

Deutsch-Arabische Ausgabe

Hardcover, 256 Seiten 22,90 €
Paperback, 256 Seiten 12,90 €
E-book – alle gängigen Formate 4,99 €
https://umweg-jakarta.de
Umweg Jakarta ist überall im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich

 

Kategorie: Aktuelles, Kommunikationstipps, Rezension

Digitale Kommunikation und Rezension „Web oder stirb“ von Kerstin Hoffmann

9. Februar 2017 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Web oder stirb – Erfolgreiche Unternehmens-kommunikation in Zeiten des digitalen Wandels von Kerstin Hoffmann

Das Internet geht nicht mehr weg

Anderthalb Jahre nach seinem Erscheinen ist „Web oder Stirb“ von Kerstin Hoffmann für die Kanzleikommunikation immer noch hochaktuell. Denn mittlerweile ist zwar den meisten Anwälten und Business Developern klar, dass das Internet bis auf weiteres bleiben wird. Und dass es Einfluss auf Akquise und Personalsuche hat.

Doch weitere Konsequenzen haben sich viele noch nicht bewusstgemacht. Zum Beispiel, dass die sozialen Medien das Ende der kommunikativen Einbahnstraße bedeuten. Kommunikation im digitalen Zeitalter heißt Interaktion!

Im Social-Media-Zeitalter kann jeder Mitarbeiter Markenbotschafter sein.

Mit der digitalen Transformation kann jede Einzelperson Botschafterin ihres Unternehmens respektive ihrer Kanzlei sein. Zwar avanciert sie nicht zur Pressesprecherin des Unternehmens. Aber sie kann über Facebook, LinkedIn, Instagram und andere Kanäle Inhalte beitragen. Sie kann auf Veranstaltungen hinweisen oder mit schnell geknipsten Handyfotos das Unternehmens menschlich machen. Menschlich ist wichtig, denn auch in der Rechtsberatung werden Menschen von Menschen mandatiert.

Das System verändert sich

„Web oder stirb“ leistet zweierlei. Es stellt systematisch alle Formen digitaler Kommunikation dar – von der internen Unternehmenskommunikation bis hin zu Einzelkanälen wie Twitter. Und es schärft den Blick für die Systemveränderungen, etwa die Schnelligkeit, das Empfehlungswesen und die Interaktion, um nur einige zu nennen.

Schnellere Anfragen erfordern schnellere Antworten

Die digitale Kommunikation hat es viel eiliger als die analoge, auch wenn dabei das sorgfältige Abwägen manchmal auf der Strecke bleibt. Antworten auf Anfragen oder Reklamationen werden viel schneller erwartet als in der analogen Welt. Im Internet können viel mehr Menschen miteinander kommunizieren und tun es auch. Die Medien und Methoden, mit denen ein Unternehmen Informationen verbreiten kann oder mit denen ein Nutzer sich über selbiges informieren kann, haben sich vervielfältigt.

Bewertungen – igitt oder nützlich?

Empfehlungen und Bewertungen von Produkten oder Dienstleistungen haben einen sehr hohen Stellenwert. Auf www.anwalt.de und anderen Portalen kann jederman Beurteilungen zu seinem Anwalt oder seiner Anwältin abgeben oder konsumieren. Diese Beurteilungen sind nicht immer aussagekräftig oder gerecht, aber es gibt sie nun einmal. Dieses Empfehlungswesen ärgert Juristen durchaus, worüber man schmunzeln kann, schließlich gehört das Urteilen und Beurteilen zum juristischen Tagesgeschäft. Und natürlich haben sich Volljuristen zweimal im Leben selber einem harten Staatsexamen gestellt und vielleicht auch noch dem Rigorosum bei der Doktorarbeit. Doch damit sollte es dann aber auch gut sein, denken viele, wenn es darum geht, sich etwaigen Bewertungen im Internet auszusetzen.

Dabei können Kanzleien von Bewertungen auch bei der Bewerbersuche im Internet profitieren. Auch hier gilt: Jede Kanzlei, die sich traut, Bewertungen einzuholen oder ihre Bewertungen als Arbeitgeber etwa bei Kununu aktiv managt, hat einen Vorsprung gegenüber ihren zurückhaltenderen Wettbewerbern.

Die klassische Sorge der Anwälte: Wer sich zeigt, macht sich angreifbar

Doch immer noch hält die Furcht vor ominösen Kommentaren oder gar dem Shitstorm, der im weiten Meer des Internets unerwartet ausbrechen kann, viele davon ab, sich überhaupt mit den Möglichkeiten der Interaktion zu beschäftigen. Und selbst wenn sie sich klargemacht haben, dass ein Shitstorm nicht das erste ist, das ihnen widerfährt, sobald sie sich einen Twitteraccount zugelegt haben, sorgen sich viele um ihren guten Ruf, wenn sie sich überhaupt zeigen.

Twitter ist nicht nur für Politiker ein nützliches Medium

Jeder, auch die Verfasserin, kennt dieses natürliche Schamgefühl, das sich einstellt, wenn man beginnt, im Internet irgendetwas zu schreiben, seien es Blogbeiträge, Kommentare oder Twittermeldungen. Am Anfang geniert man sich ein bisschen und das lässt erst nach, wenn man gewissermaßen seine Schreibstimme gefunden hat.

Diese Schreibstimme oder Persönlichkeit im Netz kann vollkommen seriös sein. Dass es gelingen kann, sich persönlich und mit Augenzwinkern auszudrücken, ohne die anwaltliche Würde zu beeinträchtigen, zeigen twitternde Anwälte wie etwa die Graf-von-Westfalen-Partnerin Barbara Mayer (https://twitter.com/Barb_Mayer) oder der Noerr-Parter  Thomas Klindt (https://twitter.com/TomKlindt).

Ganz abgesehen von der Möglichkeit, sich fachkundig und zugleich menschlich zu präsentieren, ist Twitter natürlich ein hervorragendes Trainings-Camp für alle, die üben wollen, sich kurz und prägnant auszudrücken. Schließlich ist die Länge eines Tweets weiterhin auf maximal 140 Zeichen beschränkt.

Starke Profile im Netz machen den Umweg über die mühsame Pressearbeit entbehrlich

Eine wichtige Erkenntnis ist es, dass soziale Medien am besten über persönliche Kontakte und über Gesichter funktionieren. Um Einfluss auszuüben, sich als Experte einen Ruf zu verschaffen oder um Kontakte zu knüpfen, sind nicht mehr alleine die herkömmlichen Tools der PR entscheidend, also die Pressearbeit oder die gekauften Anzeigen. Starke Influencer im Netz können mittlerweile ganz ohne die Hilfe herkömmlicher Medien News machen oder verbreiten.

Ein Beispiel aus der Unterhaltungsbranche ist die amerikanische Sängerin Taylor Swift. Sie hat Millionen Follower auf ihrem Tumblr-Account. Mittels eines Postings brachten sie 2015 den Techkonzern Apple höchst medienwirksam dazu, das Bezahlmodell seines neuen Streamingdienstes „Apple Music“ zu ändern. Ausführlich dazu die Zeit: http://www.zeit.de/kultur/musik/2015-06/apple-music-taylor-swift-musik-streaming.

Der einzelne persönliche Kontakt auf XING oder Facebook kann entscheiden

Nun haben Anwälte in der Regel keine Millionen Follower auf Instagram, XING, Twitter oder Tumblr. Doch auch sie können im Netz sichtbar werden und bei ihren Mandanten, Kollegen und anderen interessierten Menschen Einfluss ausüben, ohne dass die herkömmliche Presse über sie berichten musst. Es reicht, wenn sie als Privatperson auf sozialen Plattformen sichtbar sind und man sie aufgrund ihres Namens der Kanzlei zuordnen kann.

Über Umwege kann man über einen Twitteraccount auch zu einem der begehrten Gastbeiträge in einer traditionellen Zeitung kommen, etwa wenn ein Journalist auf den Tweet eines Anwalts aufmerksam wird und bei ihm ausführlichere Informationen anfordert.

Der digitale Wandel findet jetzt statt

In jedem Fall lautet das wichtigste Fazit des Buches, dass Unternehmen den digitalen Wandel nicht verschlafen sollten. Hoffmann: „der beste Zeitpunkt, in den digitalen Wandel einzusteigen, ist schon seit längerer Zeit: allerspätestens jetzt.“ Die Umsetzung erfordert natürlich eine gute Strategie. Aber das ist beim Thema Kommunikation ja nichts Neues.

  • Kerstin Hoffmann
  • Web oder stirb! Erfolgreiche Unternehmenskommunikation in Zeiten des digitalen Wandels
  • Haufe Verlag 2015
  • https://shop.haufe.de/prod/web-oder-stirb

 

Kategorie: Aktuelles, Employer Branding, Kanzleikommunikation, Public Relations, Rezension Stichworte: Buchrezension, Internet, Pressearbeit, Social Media

Schwarze Rhetorik: Gutmenschenlektion 2: Erkenne Narzissten

11. November 2016 von Eva Engelken 1 Kommentar

Tough TalkSeit gestern läuft hier im Über-den Tellerrand-Blog die lockere Serie der „Gutmenschenlektionen in Schwarzer Rhetorik“. Hintergrund ist der nicht mehr aufzuhaltende Einzug Trumps ins Weiße Haus, der im Wahlkampf obszöne, vulgäre und beleidigende Sprache salonfähig gemacht hat. Der Grund für solche aggressive Kommunikation ist häufig beleidigter Narzissmus. Doch woran erkennt man Narzissten? 

Wie ticken Narzissten?

Narzissten schwanken zwischen Selbstüberschätzung, auch gesteigerte Selbstliebe genannt, und tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplexen. Also wollen sie grenzenlos bewundert werden. Und wenn sie sich schlecht fühlen, müssen sie zwanghaft andere niedermachen, um sich selber nicht gar so mickerig zu fühlen. Der Narzisst, der auch eine Narzisstin sein kann, ist eigentlich innen quasi hohl. Echtes Selbstwertgefühl oder gar Selbstliebe fehlt. Also muss die außen kommende Anerkennung wie eine stetige Vitamininfusion dafür sorgen, dass die narzisstische Person dieses Loch nicht spürt. Die Fassade der Anerkennung muss perfekt sein. Misslingt der Narzisstin etwas, sucht sie nach immer größeren Rechtfertigungsgründen, um ihr jedes noch so große Versagen zu rechtfertigen.

Zerstörer in Unternehmen und Politik

Ebenfalls hoch ist der Neid auf andere, die womöglich besser sind oder etwas besser können, weil sie der narzisstischen Person das Gefühl geben, mickrig zu sein, weshalb sie diese dann wieder niedermachen müssen. Ein Teufelskreis, bei dem keiner gewinnt. Bis zum bitteren Ende können Narzissten, wenn sie in den entsprechenden Positionen sind, allerdings viel Schaden anrichten. Sind sie Führungskraft in einem Unternehmen oder in der Politik, können sie eine ganze Zeit lang dafür sorgen, dass sie sich gut fühlen. Alle gleich guten oder besseren Kollegen und Kolleginnen ekeln sie über kurz oder lang weg, weil ihr in Wahrheit erbsengroßes Selbstbewusstsein fremde Größe als Angriff empfindet. Übrig bleiben nur noch Ja-Sager und grenzenlose Bewunderer. Letztere sind die Krücken, die das labile Selbstwertgefühl der Narzissten stützen. Dass solche Persönlichkeiten weder dem Unternehmen, noch dem Gemeinwohl nützen, liegt auf der Hand.

Woran erkennen Sie Narzissten?

Unter anderem können Sie narzisstische Persönlichkeiten an ihrer narzisstischen Rhetorik erkennen. Diese besteht naturgemäß aus aggressiver Abwehr und Diffamierung von Kritikern. Denn egal wie begründet die Kritik auch sein mag: für die narzisstische Person ist jede Kritik ein auf Leben und Tod abzuwehrender Angriff auf ihr erbsengroßes Ego. Diese aggressive Abwehr von Kritik kann eskalieren. Bzw. um Kritik von vornherein zu verhindern, neigen Narzissten dazu, vorbeugend alles wegzubeißen, was ihnen gefährlich werden könnte. Dabei sind sie nicht zimperlich, wie man an Donald Trump gesehen hat. Um von seinem eigenen Rentneralter und seiner eigenen gehässigen Art abzulenken, hat er Hillary Clinton ohne jegliches Zögern als alte „hag“, also als alte Hexe beschimpft. Sowas bleibt hängen.

Gemeinerweise ist die aggressive Rhetorik der Narzissten ansteckend. Andere Leute um sie herum fangen an, genauso zu reden, weil es ja offenbar in Ordnung ist und – wie man an Trumps Wahlsieg gesehen hat – sogar erfolgversprechend. Und ihre Rhetorik hinterlässt Flecken. Der SPIEGEL hat das gut mit seiner Titelgeschichte von Montag illustriert: Hillary Clinton und Donald Trump waren beide mit Schlamm befleckt. Wobei eigentlich Trump der Schlammwerfer war. Ich habe von Clinton keine vulgären Beleidigungen gehört oder gelesen. Doch an ihr blieb der Schlamm hängen. Leider zu viel, als dass sie der Mehrheit der Amerikaner noch wählbar erschien.

Lektion 2 gelernt?

Welche Lehre können wohlmeinende Diskutanten im Umgang mit Narzissten daraus ziehen?

  1. Überall, wo extrem aggressive Rhetorik zu hören ist beziehungsweise der Kommunikationsstil sehr aggressiv wird, könnten Narzissten (oder Psychopathen, dazu bald mehr) dahinterstecken.
  2. Narzissten sind vernünftigen Argumenten, geschweige denn Kritik, nicht zugänglich, denn jede Kritik ist ein massiver Angriff auf ihr erbsengroßes Selbst.
  3. Der Glaube vieler Gutmenschen, man müsse die Welt nur aufklären und immer noch bessere Argumente liefern, dann würde alles gut, ist hier ein frommer Glaube, weil Narzissten nicht aufgeklärt werden wollen.

Wie man mit ihnen umgeht, erfahren Sie in einer der nächsten Folgen.

Lesetipp: Tough Talk

„Tough Talk: Die Die rhetorischen Spielregeln zum Überleben im Haifischbecken“ von Marc-Stefan Daniel, Wiley Verlag, September 2016.

 

Nachtrag:

Gerade meldet die Zeit, Trump setze nicht auf Erfahrung, sondern auf bedingungslose Loyalität. Na, ist da wohl ein Narzisst am Werk?: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/donald-trump-kabinett-regierung

Kategorie: Kanzleikommunikation, Kommunikationstipps, Rezension Stichworte: Aggression, Kommunikationsstil, Rhetorik, Schwarze Rhet, Trump

Psychologie berücksichtigen – Rezension der eBroschüre „Effektivere Schriftsätze“ von Dr. Rolf Platho

8. Oktober 2015 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Cover Effektivere SchriftsätzeDie Broschüre „Effektivere Schriftsätze – Kognitionspsychologie und Rhetorik für Anwälte“ von Dr. Rolf Platho ist eine gut strukturierte Hilfe, um bessere, weil wirkungsvollere Schriftsätze zu erstellen.

Sie konzentriert sich auf den Schriftsatz, die Tipps lassen sich jedoch auf jeden Text im Anwaltsalltag übertragen. Egal, ob Schriftsatz, Memo, Gutachten oder Anschreiben, es sind genau die von Platho vermittelten Strukturtipps, die darüber entscheiden, ob ein Text sein Ziel erreicht – oder eben nicht. Folgt das Gericht der eigenen Meinung? Stimmt die Mandantin der vorgeschlagenen Strategie zu? Gibt sie Schriftsätze frei? Und bezahlt sie am Ende anstandslos die Rechnung, weil sie das Gefühl hat, kompetent beraten worden zu sein?

Um die 45 Seiten starke Broschüre durchzulesen, braucht man allerdings Konzentration, denn der Autor kleidet selbst die praktischen Tipps in anwaltstypisch fundierte Sätze. Das klingt dann so: „Die Optimierung der eigenen juristischen Schriftsätze steht bisher nicht im Mittelpunkt anwaltlicher Überlegungen zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs.“ Anders gesagt, den eigenen Ratschlag, lieber kurz und einfach zu schreiben, befolgt der Autor der Broschüre nur begrenzt.

Wer sich weder von solchen Sätzen noch von der langen „Einleitung“ abschrecken lässt, wird belohnt. Denn was sich hinter den wissenschaftlich klingenden „kognitionspsychologischen Grundlagen der Schriftsatzoptimierung in Makrostruktur und Inhalt des Textes“ verbirgt, trifft den Nagel auf den Kopf.

Eine der wichtigsten Botschaften ist, dass das Gehirn Informationen dann am bereitwilligsten annimmt, wenn ihm jeweils angekündigt wird, was als Nächstes kommt. Damit ist nicht einfach gemeint, „das Wichtigste nach vorn“, sondern vielmehr: „Liefere am Anfang immer einen Ausblick auf das, was kommt.“ In Seminaren erlebe ich oft einen Aha-Effekt, wenn den Teilnehmenden klar wird, wie sehr sie mit einer guten Vorstrukturierung die Lesbarkeit ihrer Texte steigern können. Plathos Broschüre liefert dafür die kognitionspsychologische Erklärung: Weiß die Leserin, was als nächstes kommt, ist sie darauf vorbereitet. Das erhöht nicht nur die Verstehensleistung, sondern auch die Akzeptanz des Gelesenen.

Sage mir vorher, was du tun wirst, dann bin ich bereit, dir zu folgen

Plathos Verdienst ist es, darzustellen, wo sich diese „Vorausschau“ überall in der Makrostruktur und im Inhalt des Textes platzieren lässt: In der Einleitung und in der ausformulierten Perspektive (worauf will der Schreibende hinaus?), in den Gliederungselementen Überschrift und Zwischenüberschrift und im Text selber. Der Autor rät, und das kann ich nur unterschreiben, jeden Textabsatz mit einer „dezidierten Ergebnisvorschau“ beginnen zu lassen. Für Juristen ist das leicht nachvollziehbar, wenn man ihnen rät: „Schreiben Sie Urteilsstil statt Gutachtenstil“. Beim Gutachtenstil wird bekanntermaßen erst die zu prüfende Frage gestellt und dann das Ergebnis genannt. Beim Urteilsstil ist es umgekehrt.

Beispielsätze veranschaulichen, wie man die Ratschläge umsetzt und damit den Test damit gut gliedert. Sie sind es wert, ausgedruckt und über dem Schreibtisch aufgehängt zu werden. Zwar sind Anwälte dank Gutachtentechnik und Urteilstechnik durchaus imstande, Texte einigermaßen zu gliedern. Zumindest deutlich besser als etwa Pädagogen oder Sozialarbeiter. Doch auch bei guten Stilisten ist noch Luft nach oben.

Besonders die von Platho empfohlene Möglichkeit, Texte mit Gliederungsüberschriften „vorzustrukturieren“, ist es wert, beherzigt zu werden. In der Praxis vieler Kanzleien produzieren Anwälte gerne seitenlange Bleiwüsten, die allenfalls mit Nummerierungen unterteilt sind. Will der arme Leser wissen, was drin steht, muss er alles lesen. Wie sehr würde es ihm helfen, wenn ihm Zwischenüberschriften sagen würden, was im jeweiligen Absatz drin steht! Würden die Zwischenüberschrift gar das Ergebnis vorwegnehmen, müsste er – wie auf einer Schnelllesestraße – nur die Überschriften überfliegen und wäre über den Inhalt des Textes informiert.

Eine Beispielüberschrift aus der Broschüre, wo das Thema genannt wird:

  • „Der Umfang der Rechteeinräumung bei Auftragsvergaben“
  • Noch besser ist es, in der Überschrift gleich die Ergebnisvorschau zu geben: „Keine Rechteeinräumung bei Auftragsvergabe“

Weitere Hilfestellung leistet die eBroschüre beim Thema Stil. Satzkonstruktion, Wortwahl, Layout, Veranschaulichung mithilfe von Grafiken sind weitere Themen.

Fazit: Es schadet kein bisschen, wenn in jeder Kanzlei ein Exemplar der Broschüre rumliegt. Und wenn möglich, auch gelesen wird.

Effektivere Schriftsätze – Kognitionspsychologie und Rhetorik für Anwälte – eBroschüre (PDF)

Rolf Platho
1. Auflage 2015, 45 Seiten
ISBN 978-3-8240-5688-0
24,90 EUR

http://www.anwaltverlag.de/effektivere-Schriftsaetze

Kategorie: Aktuelles, Rezension

Hardline – wie ich einen Autor im Regionalzug entdeckte

3. Juni 2015 von Eva Engelken 2 Kommentare

Buchcover Hardline - Ein autobiografischer Roman aus Deutschlands DrogenszeneHeute mal nix über Kanzleikommunikation. Dafür etwas über die Zufälle, die bei der Entstehung von Büchern manchmal mitwirken. Zum Beispiel HARDLINE von M.P.D. JOHN, das am 1. Oktober in den Handel kommt.

Manchmal sind Richter doch für was gut. Richter und ich, das ist nicht die beste Kombination, jedenfalls nicht, wenn ich ihnen beizubringen versuche, dass normale Menschen ihre komischen Verfügungen und Sätze nicht mögen. Aber zumindest haben sie dafür gesorgt, dass ich am 15. Juli 2014 in ihrer Akademie in Trier war. Auf der Rückfahrt im Zug traf ich nämlich Marius. Oder er mich, als er durch den Zug tigerte. Auf der Suche nach einer Zigarette.

So eine Zugfahrt im bummeligen Regionalzug ist ganz schön lang und so kam ich mit dem schmalen jungen Mann in der bedruckten Jeanskutte ins Gespräch.
Zwischen Wittlich und Koblenz erläuterte er mir, was all die Symbole und Aufnäher, 666 und MC auf der Jeansweste bedeuteten und bot mir Würste aus der Metzgerei von seinem Vater an. Ein paar Romafrauen bekamen auch Würste – für eine Zigarette.

Sich mit ihm zu unterhalten, machte Spaß und Regionalzüge brauchen, wie gesagt, lange. Im muffigen IC ab Koblenz redeten wir über Machu Picchu und zwischen Andernach und Remagen waren wir beim Schreiben angekommen. Ich erwähnte, dass ich gerade ein Buch über Anwälte schreibe und er vertraute mir an, dass er ein Buch über sein Leben verfasst habe. Einen Titel dafür hätte er schon: Hardline, weil es um die harte Seite des Lebens ginge.

Weil er den Text teilweise im Knast auf Papier geschrieben habe, hätte ein Freund ihn in den Computer übertragen. Ich bot ihm an, den Kontakt zu meinem Buchagenten herzustellen, wenn er mir eine Leseprobe aus seinem Buch anvertrauen möge. Und es wäre gut, wenn er sich eine E-Mail-Adresse anlegen würde, denn mit dem Agenten und später dem Verlag müsse er auch per E-Mail verkehren.

Manche Dinge sollen passieren. Ich bekam eine Mail. Und erfuhr, was ich eigentlich schon wusste: dass es hier um die harte Seite ging. Drogen und Alles. Und dass hier jemand schreiben konnte. Ungeschliffen, aber gut beobachtet. Und mit einer Prise Selbstironie. Also fragte ich Martin Brinkmann, ob er einem jungen Ex-Dealer helfen wolle, seinen Traum zu verwirklichen und sein Buch an einen Verlag zu bringen. Er wollte. Seitdem sind etliche Monate vergangen. Heute habe ich Post bekommen: Die Verlagsvorschau vom Schwarzkopf-Verlag. Spitzentitel (das sind die, für die viel Werbung gemacht wird): „HARDLINE“ von M.P.D. JOHN. Marius, ich freue mich riesig für dich. Du kannst stolz auf dich sein!

HARDLINE – Autobiografischer Report aus Deutschlands Drogenszene
Broschiert: 456 Seiten
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (1. Oktober 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3862654869

Kategorie: Aktuelles, Rezension, Sachbuch: Tutorial Stichworte: Buchagent, Sachbuch

Rezension: Chefsache Mandantenakquisition von Johanna Busmann

6. Oktober 2014 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Chefsache Mandantenakquisition
Busmann, Johanna: Chefsache Mandantenakquisition, De Gruyter, Berlin 2012

520 Seiten stark ist der Akquise-Ratgeber Chefsache Mandantenakquisition – Erfolgreiche Akquisestrategien für Anwälte von Johanna Busmann und richtet sich an die gesamte Berufsgruppe vom Einzelanwalt bis hin zur Großkanzlei. In 26 alphabetisch geordneten Kapiteln entlarvt die Autorin das von Anwälten gern verwendete Argument „Verkaufen ist nicht mein Ding“ als fadenscheinig. Für jeden Anwalt und jede Anwältin gibt es passgenaue Akquisestrategien. Er oder sie muss sich nur über die eigene Persönlichkeit und die individuellen Stärken und Schwächen klar werden. Wer als Redner(in) introvertiert ist, kann den eigenen Vortragsstil daran anpassen und dennoch überzeugend reden. Hinweise dazu gibt es im Kapitel „Vorträge“: Teilnehmer richtig einbinden, Inhalte visualisieren oder Führungsqualitäten unter Beweis stellen. Inhaltlich dazu passt das Kapitel „In-house Veranstaltungen“.

Zweitens vermittelt Busmann, dass sich wirkungsvolle Akquise auf die ganze Kanzlei erstreckt. Nicht nur der oberste Partner oder die Partnerin akquiriert neue Mandate, sondern alle: die Empfangssekretärin ebenso wie die Mitarbeiterin, die einen Beauty Contest vorbereitet, Honorarverhandlungen führt oder vor Gericht auftritt. Sie alle auf das gemeinsame Ziel einzuschwören und entsprechend anzuleiten, ist Sache der Kanzleiführung, daher ist die Akquise „Chefsache“.

Busmanns dritte Botschaft lautet: Akquise muss richtig gemacht sein, sonst verschwendet man Geld. Unter dem provokanten Titel „Vom Euro-Grab zur Investition“ gibt die Autorin Tipps, damit das feine Essen und die prominenten Gastredner letztlich auch lukrative Mandate in die Kanzlei spülen. Wodurch wird die Akquise eingeleitet? Wer betreut die Interessenten, welche Rollen übernehmen die Kanzleimitarbeiter und was kommt danach?

Überzeugend und mit vielen Praxisbeispielen unterlegt sind alle Kapitel, wo es um den direkten mündlichen Austausch mit dem Mandanten geht. Etwa das Kapitel „Honorarinformation“, das die Essenz jahrzehntelanger Seminarpraxis (Busmann-Training) zum Thema Honorare zusammenfasst. Ebenfalls beherzigenswert sind die Tipps im Kapitel „Assistentin“ und „Telefonakquise“. Hier hält das Buch den Anwälten einen Spiegel vor, die Assistentinnen, platt gesagt, für minderbemittelte Wesen halten und Mitarbeiterführung für überflüssigen Luxus. Anhand von Beispielen legt es dar, dass sich jeder Cent, den Kanzleien in ihre Assistenz investieren, bei der Akquise auszahlt. In weiteren Kapiteln vertieft Busmann ihre Analyse des anwaltstypischen Kommunikationsverhaltens, etwa im Kapitel „Durchsetzung“. Im Kapitel „Umgang mit Mandanten“ attestiert sie: „Anwälte produzieren Rauflust statt Kauflust bei ihren Gesprächspartnern“.

Leider ist die Autorin der Versuchung erlegen, in ihrem kapitelweise grandiosen und pointiert formulierten Kommunikationsratgeber zu viele Themen abhandeln zu wollen. Zwar passen alle 26 Kapitel zur Akquise. Doch einige Kurzkapitel sind derart dürftig, dass man sie besser weggelassen hätte. Die Tipps zur „Webseite“ im Kapitel „Online-Akquise“ sind circa auf dem Stand von Anfang 2000 („Schnelle, starke Internetverbindungen sind Pflicht“, „Schrift groß genug?“). Das Kapitel „Public Relations“ beschränkt sich auf eine Zusammenfassung allgemeinet Tipps zur Medienarbeit von Kanzleien und überlappt sich mit dem Kapitel „Journalisten“ („Bieten Sie ausformulierte E-Mail-Interviews“). Hier gibt es andere Bücher, die diese Themen und ihren Beitrag zur Akquise prägnanter zusammenfassen. Das gilt auch für das Minikapitel „Werbung“, das kaum zwischen Anzeigenwerbung und Corporate Publishing unterscheidet. Oder für die dürren Absätze zu Broschüren, Newslettern und Ähnlichem im Kapitel „Kanzleimarketing“.

Was fehlt, ist ein Stichwortverzeichnis zum Nachschlagen. So bleibt man als Leserin auf der Strecke, wenn man sich an einen Tipp erinnert, aber nicht mehr weiß, in welchem Zusammenhang er stand. Die alphabetische Kapitelsortierung hilft da nicht viel weiter. „ABC der Mandantenakquise“ klingt zwar schick, führt jedoch dazu, dass Zusammengehörendes willkürlich über mehrere Kapitel verstreut wird. Das Kapitel „Journalisten“ steht zwischen „Kanzleimarketing“ und „In-house Veranstaltungen“; die dazugehörigen „Public Relations“ zwischen „Qualität“ und „Online-Akquise“.

Etwas eigenwillig kommt schließlich die Aufmachung des Buches daher mit einer Flut von Worthervorhebungen und Ausrufezeichen. Sagte Wolf Schneider nicht einst, jedem Menschen stünden im Leben nur 3 Ausrufezeichen zur Verfügung? Wenn ja, hat Johanna Busmann die Ration von ganz Hamburg verbraucht. Vielleicht hat die Kommunikationstrainerin aber auch nur zu viele beratungsresistente Anwälte getroffen, denen sie die wichtigen Punkte, also im Grund alles, zumindest visuell noch einmal nahe bringen wollte.

Lässt man diese Schwächen außen vor, bleibt „Chefsache Mandantenakquisition“ ein starkes Selbstlernbuch für alle Situationen, wo Anwälte und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den Mund aufmachen, um ihre Leistung zu verkaufen.

Busmann, Johanna: Chefsache Mandantenakquisition – Erfolgreiche Akquisestrategien für Anwälte, De Gruyter ISBN 978-3-11-029362-3,  69,95 €

 

Kategorie: Aktuelles, Rezension Stichworte: Akquise, Buchrezension, Sachbuch

Pressearbeit: Das neue Handelsblatt Magazin

2. Oktober 2014 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Als PR-Frau, die ihre Kunden in die Medien bringt, freue ich mich über jede neue Publikation, egal ob Print oder Online. Heute ist das seit mehreren Wochen angekündigte Handelsblatt Magazin erschienen. Im Editorial schreibt Chefredakteur Thomas Tuma, das neue Handelsblatt-Magazin wolle mit einem anderen Blick auf die Wirtschaft begeistern. Weil es auch die anderen Seiten der Wirtschaft zeige: Innovationen, Ideen, Werte. Klingt vielversprechend, doch ein Blick auf das Heft ernüchtert. Die optische Anmutung ist die einer Flughafen-Business-Lounge: elegant, vorhersehbar, austauschbar.

Der Inhalt wirkt ähnlich beliebig und scheint mir mit jedem Kundenmagazin von Breuninger oder Deutscher Bahn vergleichbar: Ackermann-Interview (Interview mit einem Häuptling des Big Business) und Bericht einer Fotoausstellung über Superreiche (als kleiner Anreiz, sich doch weiterhin nach der Decke zu strecken?). Als Bilderrätsel gibt es den Büroblick von Jens Weidmann (soll mich der Blick auf Frankfurt etwa neidisch machen?) Ferner: Tipps zu Luxusmode, Design und Accessoires (brauche ich dafür das Handelsblatt-Magazin?). Nix Neues soweit. Oder habe ich etwas übersehen? Es sollte doch um Werte gehen.

Also ein zweiter Blick auf das Gespräch mit dem Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und seiner Tochter Catherine Ackermann. Gut gestellte Fragen, hier sind Handelsblattredakteure auf ihrem Terrain. Die Antworten: Da reden zwei, die es geschafft haben, deren Eltern es aber auch schon geschafft hatten. O-Ton Catherine: „Bei uns in der Familie zählten Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit.“ Klare Ansage. Doch wo bleibt der Erkenntnis-Wert?

Dafür bräuchte es mehr Kontrast. Wie halten es der kleine Mann oder die kleine Frau mit Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit? (Mal abgesehen davon, dass diese Begriffe vielleicht nicht zu ihrem aktiven Wortschatz gehören?) Wie sieht es aus am unteren Ende der Wirtschaftsskala? Da, wo am Ende des Geldes noch Monat übrig ist? Wo kein Skifahren und Golfen drin ist. Da, wo sogar das örtliche Schwimmbad zu teuer ist, weil es seit seinem Umbau zum Erlebnisbad keine billigen Jahreskarten mehr verkauft.

Punktuell streift das Ackermann-Interview diese Kontraste. Etwa da, wo Vater Ackermann äußert, durch seine Tochter habe er „viel über die prekären Verhältnisse gelernt“. Ein anderer Blick hätte erhellen können, welche Werte diese Wirtschaftsteilnehmer motivieren. Gehen wir zum nächsten Text: einem Kommentar von Bahnchef Rüdiger Grube. Ehemaliger Hauptschüler, dann Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn. Er fordert, die verborgenen Potenziale der Gesellschaft zu heben. Als einer, der den sozialen Aufstieg geschafft hat, darf er das. Sein Kommentar trifft den Punkt, bleibt ohne einen ergänzenden Bericht im Heft aber hohl. Ein Magazin, dass sich Werte auf die Fahnen geschrieben hat, müsste anschaulich machen, was verloren geht, wenn die Gesellschaft auseinanderdriftet und Potenziale nicht gehoben werden. Es könnte zeigen, wo im Kleinen der soziale Aufstieg gelingt oder wo Werte gelebt werden, obwohl die Gesellschaft dafür kein Geld bezahlt. Solche Geschichten zu erzählen, ist anspruchsvoll und der Blick müsste sich dafür deutlich entfernen von den Bilanzpressekonferenzen und anerkennen, dass Wirtschaft nicht nur bei den Größten, Tollsten, Wichtigsten zu finden ist. Anders gesagt, ein Magazin, das sich den anderen Blick vorgenommen hat, müsste sich vielleicht als Erstes von der Handelsblatt-üblichen Sicht von den und auf die männlichen Entscheider lösen. Davon sehe ich in der ersten Ausgabe nichts.

Noch weitere uneingelöste Versprechen? Der Zeitschrift Horizont erklärt Magazinchefredakteur Thomas Tuma, er wolle mit dem Handelsblattmagazin auch die weibliche Zielgruppe ansprechen.

Als weibliche Handelsblattabonnentin gehöre ich wohl dazu. Was mich ansprechen würde? Zum Beispiel keine Berichte, die sich ausschließlich an männliche, konservative Leser richten, obwohl genau darauf die Anzeigen zielen: Füller, Taschen für Männer, Autos, Herrenanzüge, Männeruhren, anthrazitfarbene Bäder. Ein weibliches Heft ginge anders. Es hätte mehr Humor und Vielfalt und es würde auch wirtschaftlich tätige Frauen zeigen. Allerdings nicht nur die an einer Hand abzuzählenden Dauerprotagonistinnen der deutschen Wirtschaftspresse, sondern auch mal unbekannte, ärmere. Und ebensolche Männer. Es würde vielleicht Wirtschaftsfaktoren darstellen, die nicht dicke Autos fahren, aber dennoch zum Wohlstand und Wohlbefinden der Gesellschaft beitragen. Leute, die unbezahlt Ehrenämter verrichten. Oder die mit Kids aus prekären Verhältnissen spielen. Und so vielleicht dazu beiträgen, dass diese Kids später nicht Sozialhilfe beantragen, sondern Selbstvertrauen gewinnen und den Aufstieg schaffen. Befürchtet man, dass ein derart geweiteter Blick auf die Wirtschaft den Anzeigenkunden missfällt? Wenn ja, sollte der Chefredakteur nicht so sehr darauf pochen, dass das Heft, das handwerklich solide, aber gänzlich normale Anzeigen-Ködermasse ist, anders sei.

Denn wirklich anders geht anders.

 

Kategorie: Aktuelles, Rezension Stichworte: Magazin, Pressearbeit, Zeitung

Der Rechtsmarkt in Deutschland: Buchrezension

6. März 2014 von Eva Engelken 2 Kommentare

rechtsmarktDer Kritiker Marcel Reich-Ranicki hätte vielleicht gesagt, „das ist ein wichtiges Buch“. Der Rechtsmarkt in Deutschland, herausgegeben von Markus Hartung und Thomas Wegerich, beleuchtet jedenfalls alles, was 2014 für das Unternehmen Kanzlei wichtig ist.

Es beginnt mit einer Bestandsaufnahme des Kanzleimarktes und der wichtigstens Trends. Dann folgen Abschnitte zu Managementfragen, Partnerwerdung, Personalentwicklung, Marketing und Vertrieb, dem sogenannten Business Development, zum Pricing und zum Legal Process Outsourcing.

Vom exzellenten Juristen zur hervorragenden Anwaltspersönlichkeit

Darunter findet sich viel Nützliches für die strategisch angelegte Kanzleiführung. Hilfreich sind etwa die Recruiting-Überlegungen von Ina Steidl, wie man auch für nicht zum Partner werdende „Dauerangestellte“ eine „Atmosphäre des Gern-halten-Wollens“ erzeugen kann. Das gleiche gilt für die „Best Practice“-Schildung von Astrid Arndt (Hengeler Mueller) zur Entwicklung „exzellenter Juristen“.

Eine gute Ergänzung wären Tipps zum nicht-juristischen Personal gewesen. Schließlich helfen auch exzellent geschulte Sekretärinnen, sich in dem von den Herausgebern skizzierten „dramatisch wandelnden Umfeld“ zu behaupten.

Wer Honorar verlangt, muss Leistungskennzahlen liefern

Aufschlussreich ist der Buchabschnitt „Geld“; etwa die Ausführungen von Silvia Hodges Silverstein zum Einkauf von Rechtsdienstleistungen anhand von Leistungskennzahlen und Benchmarking. Oder die Analyse zur Partnervergütung von Michael Roch und Rupprecht Graf von Pfeil. Systematisch hätte der Buchabschnitt zum Legal Process Outsourcing als Methode, kostengünstig Qualität zu liefern, auch hierher gepasst.

Das Buchkapitel „Trends“ präzisiert die Erkenntnisse aus der 2013 veröffentlichten „Zukunftsstudie“ vom Deutschen Anwaltverein. Die Analysen der Marktsegmente und Wachstumsstrategien runden die Bestandsaufnahme im ersten Kapitel ab, darunter etwa der Beitrag von JUVE-Gründer Aled W. Griffiths über die Wirtschaftskanzleien in Deutschland.

In der Summe liefern die 3 Buchkapitel mit ihren 36 Unterkapiteln eine beeindruckende Fülle von Erkenntnissen, was die Investition von 79,90 Euro allemal rechtfertigt. Leider ist das Buch trotzdem kein reines Lesevergnügen. Das verhindern seine etwas juristentypische Langatmigkeit (das Buch umfasst 518 Seiten) und sein nicht ausgeschöpftes Optimierungspotenzial in Sachen Übersichtlichkeit und Layout.

Weniger Schwafelsätze = mehr Prägnanz

Natürlich darf und soll ein großer Marktüberblick viele Seiten beanspruchen. Doch weniger wäre mehr gewesen. Eine Lektoratsanordnung, jeden Autorenbeitrag um ein Fünftel zu kürzen, hätte ohne Abstriche beim Inhalt zu mehr Prägnanz geführt. Leser wären sicher bereit, dafür auf anwaltstypische Schwafelsätze zu verzichten.

Beispiel: „Von Bedeutung erschien es den Partnern dabei, sowohl von einer starken Mandantenbindungskraft der Individuen als auch von einem übergeordneten guten Ruf der Kanzlei insgesamt profitieren zu können.“

Knapper: „Den Partnern war es wichtig, von den beständigen Mandantenbeziehungen und dem guten Ruf der Kanzlei zu profitieren.“

Wiederholungen ermüden den Leser

Auch hätten alle Kapitel auf den Prüfstand gekonnt, die sich mit anderen überschneiden. Das durchzusetzen, ist bestimmt nicht leicht, wenn man als Herausgeber einen Pool von 34 Autorenpersönlichkeiten (28 Männer, 6 Frauen) am Start hat. Doch wie schon der erste Leiter der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, Ferdinand Simoneit, immer sagte: „Der Leser ist froh über jeden Satz, den er nicht lesen muss.“

Wiederholungen finden sich in den vielen Vorabbemerkungen und Einführungen ebenso wie in der Bestandsaufnahme des Kanzleimarktes und den „Trends“. So gibt es die Typisierung von Kanzleien einmal vom DAV-Präsidenten Wolfgang Ewer und einmal vom Kanzleiberater Volker Tausch. Natürlich darf ein Buch ein und dasselbe Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, aber es sollte dem Leser oder der Leserin die Frage ersparen, „Moment, habe ich das weiter vorne nicht schon einmal gelesen?“

Tipp für Neuauflage: Mehr Lesehilfen für eilige Leser

Verbesserungspotenzial gibt es auch bei der Gliederung. Ich bin kein Fan der bis aufs I-Tüpfelchen durchstrukturierten Bücher aus dem Verlag C.H.Beck. Trotzdem habe ich beim „Rechtsmarkt“ Service in Form von Lesehilfen vermisst. Etwa Kopf- und Fußzeile, Randzeichen, durchgängig nummerierte (Zwischen)Überschriften, und am Ende ein ausführliches Namens- und Sachverzeichnis. Ohne solche Elemente kommt das Buch eher daher wie eine Essaysammlung als wie ein Praxisratgeber, und es ist schwierig, rasch mal einen nützlichen Tipp wieder zu finden.

Der Leser oder die Leserin muss also selber mit kleinen Post-It-Zettelchen aktiv werden und sich alle wichtigen Empfehlungen in eine To-do-Liste für die Kanzleiführung übertragen. Wer sich allerding eine solche Liste erstellt und sie gewissenhaft abarbeitet, dürfte gut gerüstet sein, um sich auch künftig erfolgreich auf dem Rechtsmarkt in Deutschland zu behaupten.

 „Der Rechtsmarkt in Deutschland, Überblick, Analysen, Erkenntnisse“, herausgegeben von Thomas Wegerich und Markus Hartung, Deutscher AnwaltSpiegel und Frankfurter Allgemeine Buch, 2014

 

 

Kategorie: Aktuelles, Kanzleikommunikation, Rezension Stichworte: Buch, Buchrezension, Kanzlei, Kanzleistrategie, Rezension

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