Das Internet geht nicht mehr weg
Anderthalb Jahre nach seinem Erscheinen ist „Web oder Stirb“ von Kerstin Hoffmann für die Kanzleikommunikation immer noch hochaktuell. Denn mittlerweile ist zwar den meisten Anwälten und Business Developern klar, dass das Internet bis auf weiteres bleiben wird. Und dass es Einfluss auf Akquise und Personalsuche hat.
Doch weitere Konsequenzen haben sich viele noch nicht bewusstgemacht. Zum Beispiel, dass die sozialen Medien das Ende der kommunikativen Einbahnstraße bedeuten. Kommunikation im digitalen Zeitalter heißt Interaktion!
Im Social-Media-Zeitalter kann jeder Mitarbeiter Markenbotschafter sein.
Mit der digitalen Transformation kann jede Einzelperson Botschafterin ihres Unternehmens respektive ihrer Kanzlei sein. Zwar avanciert sie nicht zur Pressesprecherin des Unternehmens. Aber sie kann über Facebook, LinkedIn, Instagram und andere Kanäle Inhalte beitragen. Sie kann auf Veranstaltungen hinweisen oder mit schnell geknipsten Handyfotos das Unternehmens menschlich machen. Menschlich ist wichtig, denn auch in der Rechtsberatung werden Menschen von Menschen mandatiert.
Das System verändert sich
„Web oder stirb“ leistet zweierlei. Es stellt systematisch alle Formen digitaler Kommunikation dar – von der internen Unternehmenskommunikation bis hin zu Einzelkanälen wie Twitter. Und es schärft den Blick für die Systemveränderungen, etwa die Schnelligkeit, das Empfehlungswesen und die Interaktion, um nur einige zu nennen.
Schnellere Anfragen erfordern schnellere Antworten
Die digitale Kommunikation hat es viel eiliger als die analoge, auch wenn dabei das sorgfältige Abwägen manchmal auf der Strecke bleibt. Antworten auf Anfragen oder Reklamationen werden viel schneller erwartet als in der analogen Welt. Im Internet können viel mehr Menschen miteinander kommunizieren und tun es auch. Die Medien und Methoden, mit denen ein Unternehmen Informationen verbreiten kann oder mit denen ein Nutzer sich über selbiges informieren kann, haben sich vervielfältigt.
Bewertungen – igitt oder nützlich?
Empfehlungen und Bewertungen von Produkten oder Dienstleistungen haben einen sehr hohen Stellenwert. Auf www.anwalt.de und anderen Portalen kann jederman Beurteilungen zu seinem Anwalt oder seiner Anwältin abgeben oder konsumieren. Diese Beurteilungen sind nicht immer aussagekräftig oder gerecht, aber es gibt sie nun einmal. Dieses Empfehlungswesen ärgert Juristen durchaus, worüber man schmunzeln kann, schließlich gehört das Urteilen und Beurteilen zum juristischen Tagesgeschäft. Und natürlich haben sich Volljuristen zweimal im Leben selber einem harten Staatsexamen gestellt und vielleicht auch noch dem Rigorosum bei der Doktorarbeit. Doch damit sollte es dann aber auch gut sein, denken viele, wenn es darum geht, sich etwaigen Bewertungen im Internet auszusetzen.
Dabei können Kanzleien von Bewertungen auch bei der Bewerbersuche im Internet profitieren. Auch hier gilt: Jede Kanzlei, die sich traut, Bewertungen einzuholen oder ihre Bewertungen als Arbeitgeber etwa bei Kununu aktiv managt, hat einen Vorsprung gegenüber ihren zurückhaltenderen Wettbewerbern.
Die klassische Sorge der Anwälte: Wer sich zeigt, macht sich angreifbar
Doch immer noch hält die Furcht vor ominösen Kommentaren oder gar dem Shitstorm, der im weiten Meer des Internets unerwartet ausbrechen kann, viele davon ab, sich überhaupt mit den Möglichkeiten der Interaktion zu beschäftigen. Und selbst wenn sie sich klargemacht haben, dass ein Shitstorm nicht das erste ist, das ihnen widerfährt, sobald sie sich einen Twitteraccount zugelegt haben, sorgen sich viele um ihren guten Ruf, wenn sie sich überhaupt zeigen.
Twitter ist nicht nur für Politiker ein nützliches Medium
Jeder, auch die Verfasserin, kennt dieses natürliche Schamgefühl, das sich einstellt, wenn man beginnt, im Internet irgendetwas zu schreiben, seien es Blogbeiträge, Kommentare oder Twittermeldungen. Am Anfang geniert man sich ein bisschen und das lässt erst nach, wenn man gewissermaßen seine Schreibstimme gefunden hat.
Diese Schreibstimme oder Persönlichkeit im Netz kann vollkommen seriös sein. Dass es gelingen kann, sich persönlich und mit Augenzwinkern auszudrücken, ohne die anwaltliche Würde zu beeinträchtigen, zeigen twitternde Anwälte wie etwa die Graf-von-Westfalen-Partnerin Barbara Mayer (https://twitter.com/Barb_Mayer) oder der Noerr-Parter Thomas Klindt (https://twitter.com/TomKlindt).
Ganz abgesehen von der Möglichkeit, sich fachkundig und zugleich menschlich zu präsentieren, ist Twitter natürlich ein hervorragendes Trainings-Camp für alle, die üben wollen, sich kurz und prägnant auszudrücken. Schließlich ist die Länge eines Tweets weiterhin auf maximal 140 Zeichen beschränkt.
Starke Profile im Netz machen den Umweg über die mühsame Pressearbeit entbehrlich
Eine wichtige Erkenntnis ist es, dass soziale Medien am besten über persönliche Kontakte und über Gesichter funktionieren. Um Einfluss auszuüben, sich als Experte einen Ruf zu verschaffen oder um Kontakte zu knüpfen, sind nicht mehr alleine die herkömmlichen Tools der PR entscheidend, also die Pressearbeit oder die gekauften Anzeigen. Starke Influencer im Netz können mittlerweile ganz ohne die Hilfe herkömmlicher Medien News machen oder verbreiten.
Ein Beispiel aus der Unterhaltungsbranche ist die amerikanische Sängerin Taylor Swift. Sie hat Millionen Follower auf ihrem Tumblr-Account. Mittels eines Postings brachten sie 2015 den Techkonzern Apple höchst medienwirksam dazu, das Bezahlmodell seines neuen Streamingdienstes „Apple Music“ zu ändern. Ausführlich dazu die Zeit: http://www.zeit.de/kultur/musik/2015-06/apple-music-taylor-swift-musik-streaming.
Der einzelne persönliche Kontakt auf XING oder Facebook kann entscheiden
Nun haben Anwälte in der Regel keine Millionen Follower auf Instagram, XING, Twitter oder Tumblr. Doch auch sie können im Netz sichtbar werden und bei ihren Mandanten, Kollegen und anderen interessierten Menschen Einfluss ausüben, ohne dass die herkömmliche Presse über sie berichten musst. Es reicht, wenn sie als Privatperson auf sozialen Plattformen sichtbar sind und man sie aufgrund ihres Namens der Kanzlei zuordnen kann.
Über Umwege kann man über einen Twitteraccount auch zu einem der begehrten Gastbeiträge in einer traditionellen Zeitung kommen, etwa wenn ein Journalist auf den Tweet eines Anwalts aufmerksam wird und bei ihm ausführlichere Informationen anfordert.
Der digitale Wandel findet jetzt statt
In jedem Fall lautet das wichtigste Fazit des Buches, dass Unternehmen den digitalen Wandel nicht verschlafen sollten. Hoffmann: „der beste Zeitpunkt, in den digitalen Wandel einzusteigen, ist schon seit längerer Zeit: allerspätestens jetzt.“ Die Umsetzung erfordert natürlich eine gute Strategie. Aber das ist beim Thema Kommunikation ja nichts Neues.
- Kerstin Hoffmann
- Web oder stirb! Erfolgreiche Unternehmenskommunikation in Zeiten des digitalen Wandels
- Haufe Verlag 2015
- https://shop.haufe.de/prod/web-oder-stirb