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Männer sind bis auf Weiteres selbstverständlich mitgemeint

24. Oktober 2018 von Eva Engelken 26 Kommentare

Texte, PR und Klartext für AnwälteErst gestern bemerkte mein geschätzter Journalistenkollege Daniel Schönwitz in seinem Blog, dass das Gendern, also das geschlechtsneutrale Formulieren, allzu leicht dazu führe, dass man passiv wird. Nicht passiv im Sinne von passiv-in-der-Sonne-liegen, sondern passiv durch die Verwendung von Passiv-Konstruktionen.

Ich gab ihm sofort Recht. Gendern ist Mist. Und mir reicht’s damit! Ab sofort werde ich darauf verzichten. Hier in meinem Blog wird es nur noch Rechtsanwältinnen, Bloggerinnen, Besucherinnen und Ratgeberinnen geben. Und Zahnärztinnen und Fußpflegerinnen, sollte ich je über Zähne oder Füße bloggen.

Alle männlichen Angehörigen dieser Berufe dürfen so frei sein, sich mitgemeint zu fühlen. Ab sofort gilt hier folgende Fußnote:

„Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die Verwendung der männlichen Form verzichtet, Männer sind selbstverständlich mitgemeint.“

Das generische Maskulinum funktioniert im Deutschen nicht. Die Alternative: das generische Femininum

Die Wirkung, dass die männliche Form – die „Rechtsanwälte“ -, als generisches Maskulinum, die weiblichen Angehörigen des Berufs, –  also die Rechtsanwältinnen, mitbezeichnet, gibt es in der deutschen Sprache in Wahrheit nicht. Das generische Maskulinum wurde allerdings, und wird noch so benutzt, als würde es die Frauen mitbezeichnen. Und meistens finden sie sich ja auch damit ab, und wenn nicht, kann man immer noch die Floskel schreiben, dass „Frauen mitgemeint“ seien.

Leider weiß die Wissenschaft inzwischen: Wer nur von Rechtsanwälten spricht, tut sich schwer, Frauen, also die Rechtsanwältinnen, mitanzusprechen. Nachzulesen bei der Bloggerin Antje Schrupp. Ich verwende also bis auf weiteres ein generischen Femininum und tue so, als ob man unter Rechtsanwältinnen und Politikerinnen gemeinhin auch die männlichen Rechtsanwälte und männlichen Politiker verstehen würde. Vielmehr: ich erkläre, dass ich sie mitmeine.

Keine Sternchen, Binnen-Is, Unterstriche und Xe mehr

Mitgemeint sind auch alle geschlechtlich Dazwischenliegenden. Ihnen trägt man oft mit einem Sternchen „*“ Rechnung. Etwa in Publikationen der Heinrich-Böll-Stiftung oder in anderen, auf Geschlechtergerechtigkeit Wert legenden Einrichtungen. Hier werden aus „Mitarbeitern“ die „Mitarbeiter*innen“.

Andere, wie zum Beispiel meine geschätzte Netzwerkkollegin Birte Vogel, lehnen das Sternchen ab, unter anderem weil es an den „Judenstern“ der Nazidiktatur erinnert, und setzen einen Unterstrich „_“ ein, um alle Geschlechteridentitäten mitzumeinen. Noch wieder andere verwenden ein „X“.

Hier, in meinem Blog, wird es künftig keine Sternchen, Binnen-Is, Unterstriche und Xe mehr geben. Ich respektiere euer Bedürfnis, sich mit einem anderen Geschlecht zu identifizieren als dem per Geburtsurkunde zugeteilten. Aber hier seid ihr ab sofort mitgemeint. Ihr macht statistisch weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung aus. Wir Frauen machen 51 Prozent aus. Außer in China und Indien, wo man unsern Anteil per Abtreibung weiblicher Föten auf unter 50 Prozent gedrückt hat.

Die Hälfte des Himmels erobert man nicht mit lauen Quoten

Ich bin für Parität, wie sie die Grande Dame der CDU, Professorin Dr. Rita Süßmuth, kürzlich forderte. Frauen steht die Hälfte des Himmels zu. Oder profaner ausgedrückt: sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie Männern. Doch bisher nähern sie sich der Gleichberechtigung derart zaghaft an, als wollten sie den Atlantik überqueren, indem sie mit einem Ruderboot auf einem Baggersee herumpaddeln. Immer freundlich im Kreis herum und bei der ersten Welle zurück ans Ufer.

So wird das nix mit der Hälfte. Auch nicht mit lauen 30-Prozent-Frauenquoten für Vorstände oder Abgeordnete. Wir brauchen eine angemessene Repräsentation von Frauen und Männern. Auf der Führungsebene und darunter: Bei den Erzieherinnen, Altenpflegerinnen oder Soldatinnen. Weg mit der Quote und her mit der Parität!

Das generische Neutrum wäre schön, lässt aber noch auf sich warten

Das generische Neutrum ist das sprachliche Pendant zur Parität zwischen den Geschlechtern. Es wäre schön, wenn wir es hätten, denn die Sprache prägt das Denken und ebnet der faktischen Gleichberechtigung den Weg.

Die englische Sprache besitzt es bereits: „The teacher“, „the chancellor“ und „the minister“ meint jeweils Mann und Frau. In der deutschen Sprache sind generische Neutruum selten zu finden. Die „Majestät“, die „Ihre Majestät, den König“ oder „Ihre Majestät, die Königin“ meint, ist eines der wenigen.

Also müssen wir sie entwickeln. Wir brauchen ein generisches Neutrum und ein generisches Maskulinum, so wie Antje Schrupp erklärt: Eins für Menschen, und eins für Männer.  Das Neutrum könnte mit dem Artikel „das“ gebildet werden, und das Maskulinum mit der Endung „ich“, schlägt die Sprachforscherin Luise Pusch vor:

Das Lehrer, die Lehrerin, der Lehrerich.

Die vorläufige Alternative zum Gendern: Nicht mehr gendern, sondern Männer mitmeinen

Bis sich das in unserer deutschen Sprache durchgesetzt hat, hat eine schreibende Frau, die nicht nur mitgemeint sein will, nur zwei Möglichkeiten.

  • Entweder sie gendert und verteilt Sternchen & Co, damit Männer UND Frauen und sämtliche Zwischenstufen gleichermaßen angesprochen werden. Natürlich immer möglichst unauffällig oder elegant, damit bloß kein fortschrittsresistenter Macho brüllt „Genderwahn!“ Ich selbst habe redlich versucht, etwa in der Legal Tribune Online, mich für ein elegantes Gendern stark zu machen, das es irgendwie allen ein bisschen rechter macht. Und am Ende kommen trotzdem Irgendwelche und mosern, weil sie immer mosern.
  • Oder sie gendert nicht mehr und nimmt behelfsweise die weibliche Form: das generische Femininum.

Ich gehöre dazu. Ich habe genug von der sprachlich korrekten Rund-um-Wohlfühl-Verpackung. Schert euch zum Teufel, ewiggestrige Befindlichkeiten. Ich verzichte auf das Gendern und meine Männer ab sofort mit.

Ich bin sicher, liebe Leserinnen, Sie haben größtes Verständnis dafür!

#fraubellion #frauenland #esreicht

Kategorie: Aktuelles, Anwaltsdeutsch Stichworte: Feminismus, Frauen, Gendern, Kommunikation, Männer, Strategie, Textkritik

Teile und herrsche – Sprachtipps für Juristen

22. April 2013 von Eva Engelken 4 Kommentare

Im heutigen Sprachtipp für JuristInnen geht es um die Methode, lange Sätze zu kürzen und verständlicher zu machen.

Liebe JuristInnen, wie wäre es, wenn Sie ab und zu an die armen Menschen dächten, deren Muttersprache deutsch oder französisch, aber nicht juristisch ist? Folgenden Satz musste eine Dolmetscherin übersetzen und bekam prompt Kopfweh:

Satzbeispiel

„Soweit der Festsetzungsbeschluss auf einer Erklärung beruht, mit welcher sich der als Antragsgegnerin bzw. Antragsgegner in Anspruch genommene Elternteil zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet hat, führt das Amtsgericht – Familiengericht – über einen in dem Beschluss nicht festgesetzten Teil des im vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruchs auf Antrag eines Beteiligten das streitige Verfahren durch.“

Der Satz hat 54 Wörter. Für FamilienrechtlerInnen ist dieser lange Satz wahrscheinlich nicht einmal besonders unverständlich, man könnte sogar sagen, sie verstehen den Satz nach normaler Lektüre: also, nachdem sie den Text juristentypisch sorgfältig gelesen haben.

Warum also etwas ändern? Weil eine Dolmetscherin davon Kopfschmerzen bekommt? Das ist ja noch unwichtiger, als wenn in China ab und zu ein Sack Reis umfällt, mögen viele JuristInnen sagen. Es hilft, den langen Satz zu kürzen, weil der Normalmensch dreimal anfangen muss und ihn noch öfter lesen muss, bis er ihn endlich versteht. Der Satz ist nicht nur lang, seine Reihenfolge ist nicht logisch. Zwar haben viele Juristen noch viel längere Sätze verfasst (Heinrich von Kleist hat es auf Sätze mit bis zu 90 Wörtern gebracht), doch dann war der Satz zumindest perfekt konstruiert.

Methode: Informationen sinnvoll sortierten und auf mehrere  Sätze aufteilen

Wie kürzt man zu lange Sätze? Frei nach dem römischen Motto „Teile und herrsche“, indem man herrscht und teilt. Wer seinen Text beherrscht, weiß, welche Informationen der Satz transportieren soll, und kann ihn in logische Einheiten zerlegen. Logische Einheiten entstehen, wenn man zusammenfügt, was zusammengehört.

  •  Wer handelt in dem Satz? Das Amtsgericht, genau genommen das Familiengericht.
  • Was tut es? Es führt das streitige Verfahren durch.
  • Wann tut es das? Auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten.
  • Welcher Anspruch wird streitigen Verfahren behandelt? Einen Teil des im vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruchs.

(Zwischenfrage vom Nichtjuristen: Ist damit der Unterhaltsanspruch eines Kindes gemeint? Antwort: Ja.)

  • Und welcher Anspruch genau bitte? Derjenige Teil des Anspruchs, der im (Festsetzungs-)Beschluss nicht festgesetzt wurde.

 (Zwischenfrage vom Nichtjuristen: Was ist ein streitiges Verfahren? Laut http://www.maess-heller.de/Juristisches-Glossar/streitiges-Verfahren.html  ist „ein streitiges Verfahren ein gerichtliches Verfahren, in dem geklärt wird, ob eine Gläubigerforderung gegenüber einem Schuldner rechtlich begründet ist oder nicht.“)

Zwischenergebnis

Halten wir als Zwischenergebnis fest:

Auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten klärt das Familiengericht im streitigen Verfahren, ob ein bestimmter Teil des Unterhaltsanspruchs besteht, und zwar der Teil, der im vereinfachten Verfahren geltend gemacht, aber im Festsetzungsbeschluss nicht festgesetzt wurde.

Und wie geht der Satz weiter? Das erfahren wir, wenn wir weiterfragen:

  • Unter welchen Voraussetzungen führt das Familiengericht dieses Verfahren durch?

Voraussetzung ist, dass der Festsetzungsbeschluss auf einer Erklärung beruht, mit welcher sich der als Antragsgegnerin bzw. Antragsgegner in Anspruch genommene Elternteil zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet hat.

  • Aha. Und was heißt das?

An dieser Stelle müssten wir länger ausholen und erläutern, dass es sich um einen im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG erlassenen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss handelt. Diesen erlässt das Familiengericht auf Antrag des betreuenden Elternteils. Die Voraussetzung dafür ist, dass der nicht-betreuende Elternteil erklärt hat, zum Unterhalt verpflichtet zu sein. Und so weiter… Doch im heutigen Tipp geht es nur um das Satz-Zerkleinerungs-Prinzip. Deshalb verzichten wir wir an dieser Stelle auf weitere inhaltliche Erläuterungen.*

Erkenntnis: Lieber zwei Babymonster als ein ausgewachsenes Satzungeheuer

Es macht ein Satzungetüm von 54 Wörtern Länge verständlicher, wenn man die Informationen in eine logische Reihenfolge bringt und sie dann auf zwei oder mehr Sätze aufteilt. Weitere Verständnisblocker lassen sich dann im nächsten Schritt beseitigen. Die an sich simple Methode („logische Reihenfolge herstellen und Infos auf mehrere Sätze aufteilen), lässt sich bei vielen Sätzen anwenden. Den Leser freut es.

*Frage: Gibt es von den geneigten LeserInnen dieses Blog Vorschläge, wie sich der Satz obendrein laienverständlich umformulieren lässt? Sachdienliche Hinweise gerne in den Kommentaren oder an engelken@klartext-anwalt.de – vielen Dank!

Mehr Tipps in Klartext für Anwälte, in der Stilfibel von Ludwig Reiners und in den Klartext-Seminaren.

Kategorie: Aktuelles, Anwaltsdeutsch Stichworte: Anwaltsdeutsch, Klartext, Stil, Textkritik

„Schreibe wie du sprichst“ – Sprachtipps für Juristen

15. April 2013 von Eva Engelken 2 Kommentare

Im heutigen Sprachtipp für JuristInnen geht es um die Frage, welche Vorteile die mündliche Ausdrucksweise hat.

„Schreibe, wie du sprichst!“

Sagt Ludwig Reiners, der Stilkritiker. Sich beim Schreiben an der mündlichen Ausdrucksweise zu orientieren, empfehlen auch Wolf Schneider oder Helmut Schmidts Redenschreiber Thilo von Trotha. Der Grund dafür dürfte sein, wie Ludwig Reiners mutmaßt, dass „ein Gespräch lebendiger ist als ein Buch“. Im Gespräch macht der Redner Pausen, er holt Atem und er guckt sein Gegenüber an, ob es ihn verstanden hat. Laut Ludwig Reiners bevorzugt die gesprochene Sprache den:

„bestimmten und entschiedenen Ausdruck statt des allgemeinen und unentschiedenen, den anschaulichen statt des abstrakten; sie stellt die Wörter nicht nach Regeln, sondern nach Gewicht; sie baut kurz beigeordnete Sätze, keine langen, verschachtelten; sie legt die entscheidende Mitteilung ins Zeitwort, nicht ins Hauptwort.“

All diese Merkmale führen dazu, dass der Text lebt – beim Zuhörer wird das Kopfkino angeworfen, er fühlt sich persönlich angesprochen und kann sich leichter eine eigene Meinung bilden.

Ein guter Redner liest seinen Vortrag nicht ab

Eigentlich sollte eine Rede ebenfalls die Regeln der mündlichen Ausdrucksweise beherzigen. Doch jeder, der schon mal gähnend in einem von Juristen gehaltenen Seminar saß, weiß, wie viele VortragsrednerInnen ihre Zuhörer vergessen haben. So wie mein Zivilrechtsprofessor, der nuschelnd und leiernd auf der Hörsaalbühne hin und her tigerte und höchstens aufsah, wenn er sich mit den Beinen im Mikrofonkabel verheddert hatte. Sie trauen sich nicht, frei zu reden, sondern lesen einfach ihren Vortragstext ab.

Das ist das Problem. Denn beim Schreiben lieben JuristInnen es:

  • Sich unentschieden auszudrücken: „…wird die Zukunft zeigen“, „bleibt abzuwarten“
  • Abstrakte Wörter zu benutzen: „Mit der Ausführung der Tat zu beginnen“.
  • Sätze nach allen Regeln der Kunst verschachteln: „Erst am 18. September 2012 und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO hat der Beschwerdeführer die rechtzeitig eingelegte Revision gegen das ihm am 17. August 2012 zugestellte Urteil begründet.“

Die juristische Rhetorik sollte sich am Mündlichen orientieren

Natürlich gibt es gute Gründe, warum JuristInnen so schreiben, wie sie schreiben. Doch wann immer möglich, sollten sie sich in ihren Texten um mehr „Mündlichkeit“ bemühen.

Sagt übrigens schon Fritjof Haft:

„Fast alle juristischen Überlegungen würden besser mündlich angestellt, und zwar im dialogischen Verfahren, weil hier Verständlichkeit, Trefflichkeit und Qualität der Argumente sofort in das Verfahren rückgekoppelt werden können.“

Natürlich weiß auch Haft, dass der Juristen- bzw. Anwaltsalltag stark von der Schriftproduktion geprägt ist. Aber er erinnert daran, dass die Anwaltstätigkeit im Kern der mit den Mitteln der Sprache geführte Kampf ums Recht ist. Die juristische Rhetorik ist „eine rhetorische Methode, um das Chaos sozialer Konflikte zu bewältigen.“

Und Rhetorik wiederum hat die Aufgabe zu:

  • docere et probare (belehren, argumentieren)
  • conciliare et delectare (gewinnen, erfreuen)
  • flectere et movere (rühren, bewegen).

Sagt sogar schon Aristoteles. Heißt für die juristische Textproduktion: Juristische Sprache – ob geschrieben oder gesprochen – soll nicht einschläfern, sondern bewegen. Damit das gelingt, sollten JuristInnen sich lebendig ausdrücken. Im Idealfall also schreiben, wie sie sprechen.

Mehr Tipps in Klartext für Anwälte, in der Stilfibel von Ludwig Reiners und in den Klartext-Seminaren.

Kategorie: Aktuelles Stichworte: Anwaltsdeutsch, Kommunikation, Rhetorik, Textkritik

Herr Minister, eine Dissertation ist keine Patchworkdecke!

17. Februar 2011 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Betreff: Kein Klartext. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation unter Plagiatsverdacht

Seit Mittwoch Morgen plagt den allseits beliebten Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg eine Sorge mehr: Seine 2009 veröffentlichte Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ enthält mehrere Textpassagen aus fremden Texten, die aber nicht ordnungsgemäß als solche gekennzeichnet wurden. Noch lässt der Minister zwar verkünden, er sehe der Überprüfung der Vorwürfe durch den Ombudsmann seiner Universität gelassen entgegen, doch die vorab auf www.zeit.de veröffentlichte Rezension des Bremer Juraprofessors Andreas zeigt deutlich: Der Minister hat platt abgekupfert. Viele Absätze sind wortgleich aus Zeitungsartikeln, Vorträgen und Büchern entnommen, ohne dass sich der Promovend die Mühe gemacht hätte, sie für seine Arbeit umzuformulieren.

Deshalb sitzt der Minister aktuell auch im Flieger nach Kundus. Man muss wirklich dankbar sein für diesen Afghanistan-Einsatz der Deutschen, woher bekämen die Politiker sonst gute Publicity?

Doch wie kommt ein Minister dazu, Teile seiner 475 Seiten starken Promotionsschrift abzuschreiben (unterstellt, die Vorwürfe erweisen sich als wahr (wonach es stark aussieht)?

  • Ganz aktuell: Der Pöbel untersucht die Dissertation des Ministers und entdeckt minütlich neue zweifelhafte Stellen: http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/GuttenPlag_Wiki.

Grund 1: Der Minister hatte nichts zu sagen

Der Rezensent seiner Doktorarbeit und Erstentdecker der Plagiate, Andreas Fischer-Lescano, schreibt: „Der wissenschaftliche Ertrag der Arbeit ist bescheiden. […] Zu Guttenbergs Argumentations mäandert vor sich hin und zermürbt die Leser-innen durch seitenlanges Politsprech und die Nacherzählung rechtspolitischer Diskussionen im Konvent.“
Zum Download Rezension von Andreas Fischer-Lescano der Guttenberg-Dissertation

Mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis zitiere ich mich selber (Klartext für Anwälte, Lindeverlag 2010, Seite 59: „Der einfache Grund für viel geschwollenes Blabla ist, dass das meiste schon von den meisten gesagt ist. Anders gesagt: Wer wirklich etwas zu sagen hat, kann es auch einfach ausdrücken.“

Grund 2: Zu Guttenberg hatte keine Zeit, a) überhaupt eine Doktorarbeit zu schreiben und b) sich kurz zu fassen.

„Ich habe keine Zeit, deshalb schreibe ich dir einen langen Brief“, schrieb ein berühmter Mensch (wissen Sie, wer’s war?). Karl-Theodor hatte keine Zeit. Die Süddeutsche Zeitung vom 17.2. listet alle Ämter auf, die er während der Fertigstellung der Diss innehatte. Zunächst Ortsverbandsvorsitzender, dann Kreisrat, Obmann, BTags-Abgeordneter und dann immer so weiter, je mehr seine Karriere „Fahrt“ aufnahm.

Noch Fragen?

Ja. Ich habe hohen Respekt vor jedem Menschen, der sich für politische Ämter zur Verfügung stellt. Ich habe auch Respekt dafür, dass jemand keine Zeit hat, schließlich habe ich selber eine Arbeit und eine große Familie und mit dem Schreiben eines nur 200 Seiten starken Buches die Gesundheit und Nerven ziemlich vieler Menschen strapaziert .

Aber dafür, dass jemand um eines Doktortitels willen beginnt, heimlich Puzzle zu spielen und die Puzzle-Teile aus dem gesamten Internet zusammenklaubt, dafür habe ich kein Verständnis. Die Kunst der Puzzle-Spielens in allen Ehren. 1000 Teilchen so zusammenzusetzen, dass am Ende der Sonnenuntergang über Capri oder fünf springende Pferde sichtbar werden, erfordert Geschick und ein viel Geduld. Doch kein Puzzle-Spieler der Welt würde auf die Idee kommen, sich anschließend als Schöpfer des abgebildeten Bildes oder Fotos auszugeben.

Herr Minister, haben Sie Ihre Doktorarbeit mit einer Patchworkdecke verwechselt?

Vielleicht ist es bei zu Guttenberg anders. Vielleicht ist seine wissenschaftliche Leistung eher mit einer komplizierten Patchworkdecke zu vergleichen, wo die aus zahlreichen kunstvoll angeordneten Flicken zusammengesetzte Decke sehr wohl als eigenständiges Kunstwerk durchgeht, obschon die Stofffetzen ein eigenständiges Design, gut erkennbare Muster und Farben haben. Kunstvolle Patchworkdecken sind fraglos urheberrechtlich geschützte Kunstwerke. Der Unterschied zur Dissertation: Flicken bleiben immer erkennbar Flicken. Einkopierten Texten ist ihre fremde Herkunft nicht mehr anzusehen, sobald sie in das Word-Dokument einkopiert sind.

Bei einer Doktorarbeit ist eben keine Patchworkdecke gefragt. Gefordert ist eigene Sprache. Fremde Gedankengänge nachdenken und sie dann in eigene (!) Worte fassen, nicht fremde Worte übernehmen. Das ist ein großer Unterschied, den jeder kennt, der schon einmal versucht hat, Gedanken auszuformulieren. Wer beides verwechselt hat und glaubte, mit der Patchworkdecke durchzukommen, hat keinen Doktortitel verdient. Ob er womöglich auch kein Ministeramt verdient hat, ist eine andere Frage.

*Witzige Beobachtung am Rande: Mit seiner Diss war der Minister nicht nur bei seinem Gutachter Häberle gut angekommen, der die Arbeit mit summa cum laude bewertet hatte, sondern auch bei einem anonymem Amazon-Rezensenten, der schrieb: „Mir hat die Lektüre sehr gut gefallen, die Arbeit liest sich teilweise wie ein Zeitungsartikel und ist damit auch für juristische Laien sehr gut verständlich.“ Kein Wunder, sogar die Einleitung der Diss. stammte ja offenbar aus der Feder der FAZ-Autorin und Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.

Zum Download Rezension von Andreas Fischer-Lescano der Guttenberg-Dissertation

Kategorie: Aktuelles, Anwaltsdeutsch Stichworte: Klartext, Textkritik

Klartext in gefühlvoller Ummantelung: Die Glosse

9. Dezember 2010 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Wer jemanden liebt oder bewundert, stellt sich gerne vor, dass aus demjenigen mal „was ganz Großes“ wird. Bei mir ist das mein Berufsnetzwerk „Texttreff“ und seine Mitglieder, die „Textinen“, die ich beruflich und privat liebe und schätze. Der Text ist eine Glosse und mein Wettbewerbsbeitrag zum Texttreff-Schreibwettbewerb 2010. Entstanden in einer sentimentalen Nachtschicht, hat die Glosse es nur ins Finale und nicht aufs Treppchen geschafft, aber vor allem ihr Ende hat einige Textfrauen unter den Leserinnen mitten ins Herz getroffen : „Kann es ein schöneres Kompliment an ein Netzwerk geben als diese Glosse?“, notierte Susi Ackstaller, oder „eine Liebeserklärung an meine Texterheimat“, schrieb Biggi Mestmäcker und ernannte mich gar zum Ehrenmitglied! Bin schwer gerührt und fühle mich ein bisschen als Wettbewerbsgewinnerin der Herzen. Weitere Kommentare im Texttreff-Blog. Genug der Vorrede – hier kommt der Text. Vorgegebenes Thema war: Ich seh mich schon in 20 Jahren

Zu viel des Guten

Schon als ich aus dem Treppenlift stieg und der Chauffeur mir in die Stretchlimousine half, wusste ich: Dieser Tag war zu viel des Guten. Im Grunde hätte es weniger Glamour sein können, aber ohne Promis und roten Teppich ging es bei uns nicht mehr, seit diese jüngere Kollegin die Organisation der Netzwerktreffen übernommen hatte – übrigens eine Bestsellerautorin (für Kräuterbücher oder so) und ein gefragtes Seniormodel – gerade zarte 60 Jahre alt. Und außerdem waren die meisten Urmitglieder inzwischen selber reich und berühmt. Da waren auch die Ansprüche gewachsen. Und ja, ich meine, es war angemessen, dass unsere Gründerin zu „We are the Champions“ auf die Bühne schwebte – traumhaft, wie ihre rote Glitzerrobe funkelte –, mancher männliche Fan bekam Schweißausbrüche. Der unsichtbare Kran, der ihren Rollstuhl trug, hätte nicht quietschen dürfen, aber sonst war alles perfekt: Ein wundervoller 50. Gründungstag des Netzwerks und seiner großartigen Ableger, zum Beispiel der Netzwerk-Akademie. Gäbe es die Akademie nicht, würde in Deutschland noch immer kein Deutsch gesprochen. „Genaugenommen Profideutsch“, sagte die Akademiepräsidentin normalerweise, doch da sie sich gerade von einem Groupie (oder war es ein Gogo-Tänzer?) den Rücken massieren ließ, kam sie nicht dazu. Mir kreischten all diese gecasteten Boygroups viel zu laut, aber vielleicht hatte ich auch nur mein Hörgerät falsch eingestellt. Entzückend waren dafür die blauen Kleidchen der Textgardinchen – so hießen mittlerweile die Kinder und Enkel der Textguards, die in ganz Deutschland schon im Kindergarten für Sprachverbesserung sorgen. Übrigens eine brillante Idee, die „Sex and the City“-Stars anlässlich ihres 20. Kinofilms („Citysex Reloaded“) auch zum Jubiläum einzuladen, aber mussten die Bahren, äh, Sänften, von Samantha, Carrie, Charlotte und wie hieß sie noch gleich? ausgerechnet an einem Elefanten hängen? Die Reporter unserer Netzwerkzeitschrift drängten sich drum herum, als hätten sie nichts anderes zu schreiben, dabei hatte sich unser Blatt zu einem wichtigen und seriösen Organ der Presselandschaft entwickelt – es war sozusagen der Textspiegel der Republik geworden und zuverlässiger Seismograf der Text- und Lebensqualität in Deutschland. Wie auch immer, damit konnte ich mich nicht mehr beschäftigen, denn just da hob man auch mich auf die Bühne. Das war zuviel. Meine Brille beschlug und ich erkannte kaum die alte Madonna, die zeterte, weil ihre Tochter kein Backstage-Armbändchen bekommen hatte. Die Rührung überwältigte mich: Es war alles so schön, schöner ging nimmer. Wir schauten uns an: alte Netzwerkkolleginnen und inwendig jung gebliebene Stars. Unsere Visionen der schönen Textwelt hatten sich erfüllt. Unser Netzwerk war angekommen. Ganz oben. Wir nickten uns zu. Man konnte sich nicht allem versperren. Wir breiteten die Arme aus und ließen uns vom Bühnenrand fallen. Ein herausgefallenes Gebiss knirschte, als jemand darauf trat. Doch wir schwebten in die ausgestreckten Arme der Menge – das Netzwerk fing uns auf.

––

  • Hier geht’s übrigens zum Texttreff, einem sehr vitalen und inspirierenden Netzwerk – sowohl online wie auch offline, in dem ich Mitglied bin und aus dem ich Ihnen, liebe Blog-Leserin oder lieber Blog-Leser, gerne bei Bedarf jemanden empfehle: Eva Engelken, Tel. 02161-4787598 oder willkommen@klartext-anwalt.de.

Kategorie: Aktuelles Stichworte: Glosse, Textkritik

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