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Vom Sparfuchs zum Schwerverbrecher – wie Frames unser Rechtsempfingen beeinflussen und wie man sie für die eigene Kommunikation nutzen kann

14. Juni 2018 von Eva Engelken 1 Kommentar

Ob Menschen ein bestimmtes Verhalten als rechtens empfinden oder nicht, hing noch nie alleine davon ab, ob es gesetzlich erlaubt oder verboten war, sondern von einer gesellschaftlichen Übereinkunft, ob das Verhalten erlaubt oder verboten sein sollte. Diese Übereinkunft ist jedoch brüchig; Interessengruppen, Trends und andere Faktoren beeinflussen sie ständig. Aber auch wir selber können sie beeinflussen: durch unsere Sprache und das durch sie erzeugte Framing unserer Wertvorstellungen.

Das Anliegen meiner Dinner Speech anlässlich des 6. Düsseldorfer Anwaltsessens am 26.11.2018 im Industrie-Club Düsseldorf war es, den Einfluss von Sprache und Frames auf unser Rechtsempfinden zu beleuchten. Dieser Blogbeitrag ist eine weiterentwickelte Fassung davon.

Ich bei der Generalprobe für die Dinner Speech zum Thema Frames und Anwaltskommunikation

Ein schönes Beispiel für die Macht der Frames sind die Steueranwälte und ihre Steuersparmodelle. Als Organe der Rechtspflege sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet. Als Vertreter ihrer Mandanten jedoch deren Interessen. Das führt zu Konflikten, wenn Steueranwälte im Mandanteninteresse „Steuerschlupflöcher“ entdecken, die den Fiskus und damit das Gemeinwesen schädigen. Aktuelles Beispiel sind die Cum-Ex-Aktiendeals, die laut Medienberichten den deutschen Staat um zehn Milliarden Euro erleichtert haben.

Warum dauerte es über zehn Jahre, dass aus dem „Steuersparmodell“ Cum Ex eine schwere Steuerhinterziehung wurde?

Der auch als Dividendenstripping bezeichnete Vorgang war, wie bei allen „Steuersparmodellen“ üblich, zunächst von den Gesetzen gedeckt und wurde später verboten. In der der Zwischenzeit fügte er dem Staat jedoch einen Milliardenschaden zu. Berechtigte Fragen an die Anwälte wären:

  • Hätten sie trotz fehlender Verbote von Anfang an einen Unrechtsgehalt in ihrem Tun erkennen müssen?
  • Hätten sie angesichts der hohen Summen, um die es ging, gar die Radbruch‘sche Formel analog anwenden müssen? Nach dieser soll sich ein Richter bei einem Konflikt zwischen Gerechtigkeit und gesetztem Recht für die Gerechtigkeit entscheiden, wenn das Gesetz als unerträglich ungerecht anzusehen sei.

Der nunmehr wegen schwerer Steuerhinterziehung angeklagte Erfinder der Cum-Ex-Steuersparmodelle, Rechtsanwalt Dr. Hanno Berger aus Hessen, würde mit Sicherheit für sich in Anspruch nehmen, ein gesetzestreuer Anwalt zu sein, der nur dank seiner Findigkeit mal wieder eine Gesetzeslücke entdeckt und zu Geld gemacht hat.

War nur das Wirtschaftsstrafrecht den Anwälten nicht gewachsen oder gab es weitere Gründe?

Der ehemalige Finanzbeamte könnte vorbringen, dass das heute von der Staatsanwaltschaft behauptete Unrecht vor über zehn Jahren gar nicht erkennbar war. Immerhin dauerte es bis zum Jahr 2012, bis die Cum-Ex ermöglichende Gesetzeslücke geschlossen wurde. Und dann noch einmal fünf Jahre, bis Ende 2017 die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung erhob.

Gewiss ist die Komplexität einer Rechtsfrage ein Argument für ein langes Verfahren. Und Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und erst recht Wirtschaftsstrafrecht sind ja wirklich komplex. Der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer schrieb einmal in seiner ZEIT-Kolumne „Fischer im Recht“, dass das Strafrecht dem White-Collar-Crime nicht gewachsen sei. Eine Putzfrau, die fünf Euro stiehlt, ließe sich leichter bestrafen als ein Bankmanager, der 500 Millionen veruntreut.

Das Unrecht eines Cum-Ex-Deals dingfest zu machen, gehört sicherlich in die Kategorie Brainfuck. Alleine die Sachverhaltsaufklärung bei Aktientransaktionen rund um einen Dividendenstichtag brennt WirtschaftsjuristInnen Denkfalten in die Stirn. Hinzu kommt die umstrittene strafrechtliche Bewertung der Cum-Ex-Deals. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz besagt, dass es keine Strafe ohne Gesetz geben darf. Gegenstand des Strafverfahrens dürfte also auch die Frage sein, ob eine zunächst nicht strafbare Handlung überhaupt rückwirkend zu einer Straftat erklärt und bestraft werden darf.

Oder hat ein Framing das „Steuersparen“ zur Notwehr gegen einen gierigen Staat umgedeutet?

Gut möglich, dass es wegen der genannten Faktoren so lange dauerte, bis Gesetzgeber, Staatsanwaltschaft und nicht zuletzt hartnäckige JournalistInnen die Cum-Ex-Deals tatsächlich als Straftaten bezeichneten. Doch auch die eingangs genannte gesellschaftliche Übereinkunft  was okay und was nicht okay ist, spielte eine Rolle. Im Hinblick auf die gemeinnützige Pflicht Steuern zu bezahlen, herrscht hier nämlich ein erbitterter Streit.

  • Das „Sparen“ von Steuern sei eine notwendige Gegenwehr gegen einen allzu gierigen Staat, lautet das traditionelle Credo der Gesetzeslückenfinder und wird unterstützt von Politikern und Medien.
  • „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt mehr“ lautete hingegen die Botschaft, die etwa der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter Borjans (SPD) mit seinen millionenschweren Ankäufen von CDs mit den Namen potenzieller Steuerhinterziehern zu senden versuchte.

Sprachwissenschaftlerin Wehling: „Frames liefern den Deutungsrahmen für die Wirklichkeit“

Eine Waffe in diesem Kampf ist die eingesetzte Sprache beziehungsweise sind die durch sie aktivierten Frames. Das Framing zählt zu den mächtigsten Wirkmechanismen unserer Sprache. Jedes Wort, das wir hören, aktiviert in unserem Kopf bestimmte Frames, also eine Bedeutung über seinen Wortlaut hinaus.

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling bezeichnet in dem von ihr verfassten SPIEGEL-Besteller „Politisches Framing“ Frames als „gedankliche Deutungsrahmen, innerhalb derer wir Fakten verarbeiten“. Laut Wehling verleihen Frames Fakten und Begriffen eine Bedeutung, indem sie die Fakten bzw. Begriffe mit unseren körperlichen Erfahrungen und unserem abgespeicherten Wissen über die Welt einordnen.

Als Folge davon sind es nicht die Fakten, die die unsere Einstellung zu Dingen bestimmen, sondern die Frames. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann hat mit dieser Erkenntnis die Annahme vom rational handelnden Nutzenmaximierer erschüttert. In dem gemeinsam mit seinem Forschungspartner Amos Tversky verfassten Werk „Choices, Values, and Frames“ erläuterte er, wie Frames die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen.

Im Hinblick auf die Pflicht Steuern zu zahlen, spielen die in den Medien benutzten Frames den „Steuervermeidern“ in die Hände. Objektiv betrachtet dient die Tätigkeit von Steueranwälten wie Hanno Berger dazu, Konstrukte zu entwickeln, mit denen Mandanten eine eigentlich vom Gesetzgeber beabsichtigte angemessene Besteuerung umgehen können. Die verwendeten Frames erzählen jedoch eine Rechtfertigungsstory.

Storytelling für Steuermilliarden: Flüchtende Mäuse und erquickende Oasen

Ein eindrucksvolles Beispiel von Elisabeth Wehling ist der Begriff Steuerschlupfloch. Er aktiviert den Frame einer Bedrohung, weil das Wort Schlupfloch in uns die Vorstellung einer Bedrohung hervorruft: Bedroht ist eine kleine Maus, die sich mit List dem Zugriff der bösen Katze durch Flucht in ein Schlupfloch entzieht. Somit macht der Begriff Schlupfloch den zu besteuernden Gewinn als Maus begreifbar, die vor der Bedrohung in Form der Besteuerung fliehen möchte. Die eigentlich geschuldete Entrichtung der Steuer wird als Situation vorstellbar, in der man gefangen ist und berechtigterweise ein Schlupfloch sucht.

Dem Schlupfloch stehen weitere Frame-Geschwister zur Seite, etwa das Steuerasyl. Wie der Begriff der politischen Flucht aktivert es semantisch mehrere Rollen:

  • Die Rolle der politischen Übermacht wird besetzt von den eigentlich demokratisch erlassenen Steuergesetze, die als Verfolger dem Geld der Reichen und Superreichen etwas Böses wollen.
  • Die Rolle des bedrohten wehrlosen Menschen, der fliehen muss, wird wahlweise von den Steuermillionen oder von ihren Eigentümern, den Superreichen, eingenommen. Sie fliehen, um ihr Geld dem übermächtigen Zugriff der Besteuerung zu entziehen.
  • Die Rolle des sicheren Asyl, an dem der bedrohte Flüchtling vor Verfolgung sicher ist, das Asyl, wird besetzt von jenen Ländern, die mit ihren Gesetzen die Steuerflucht möglich machen.

Die Verwendung des Fluchtframes und des Asylframes schafft es, in unseren Köpfen aus der gesetzlich vorgeschriebenen Steuer, die dazu dient, öffentliche Aufgaben zu finanzieren, eine Bedrohung grundlegender Menschenrechte zu machen. Aus den Arschlöchern, die ihren Beitrag zum Gemeinwohl verweigern, werden bedrohte wehrlose Geschöpfe, denen man moralisch bedenkenlos Schutz gewähren kann. Ähnliche Mechanismen wirken beim Steuerparadies, wo ja bekanntlich nur die Guten hinkommen.

Deaktivieren kann man sie nur, indem man sie nicht verwendet oder Alternativen anbietet

Wir finden also tatsächlich auf der Ebene der Sprachwirkung einen Ansatz, der erklären kann, warum die Forderung, Steuersparmodellen einen Riegel vorzuschieben, nur schwer Gehör findet. Die gedanklich erweckten Frames sprechen dagegen. Was also wäre die erste Maßnahme, um gegen Steueroasen, Steuersparmodelle oder Steuerflucht wirksam vorzugehen?

Wehlings Rat lautet ganz einfach: Nicht mehr diese Frames benutzen, wenn man über die Vorgänge spricht. Stattdessen sollte man Alternativen suchen, die andere Frames aktivieren. Anstelle des Frames vom ehrlichen Sparer könnte man den Frame eines Betrügers aktivieren, der mit seinem Konstrukt seinen geschuldeten Beitrag zum Gemeinwesen verweigert und damit die Gemeinschaft schädigt.

In dem zuvor erwähnten Kampf um die Bewertung des Steuerzahlens ist tatsächlich eine kleine Verschiebung zu beobachten. So war im Handelsblatt jüngst von den „ergaunerten Steuermillarden“ zu lesen. Der Begriff „Ergaunern“ ruft deutlich andere Vorstellungen wach als etwa die „Steuerflucht“.

Auch Richter und Richterinnen sind beeinflussbar: Tipps für die Kanzleikommunikation

Welche Erkenntnisse sollten Anwälte und Anwältinnen für ihre Kommunikation mitnehmen?

Zum einen die Erkenntnis, dass Frames allgegenwärtig sind. Nur so kann man die Gefahr bannen, die eigene Argumentation mit entgegen wirkenden Frames unwissentlich zu entkräften. Zudem kann man wirkungsvoller kommunizieren. Etwa im Gerichtsprozess. Zwar besagt der Neutralitätsgrundsatz, dass Richter Sine ira et studio, also ohne Zorn und Eifer für die eine oder andere Partei entscheiden sollten. Doch auch Richter und Richterinnen sind der Prägung durch Framing zugänglich. Das erklärt auch, warum Litigation PR solche Wirkung zeigt. Sie setzt Frames ein, um Meinungen zu aktivieren und so den Gerichtsprozess zu beeinflussen.

Frames machen Täter unsichtbar oder ändern ihre Wahrnehmung

Frames können sogar Täter aus dem Blickfeld rücken. 2012 erstach ein Münchner Ehemann seine Frau und die Mutter seiner vier Kinder. Weil ich ihn flüchtig kannte, als Partner einer einer internationalen Wirtschaftskanzlei, verfolgte ich interessiert die Zeitungsartikel, die der Tat folgten und stieß schon damals auf den Begriff von „häuslicher Gewalt“. „Jedes Jahr werden in Deutschland rund 127.000 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt“ lautet eine beliebige Zeitungsschlagzeile. Fällt Ihnen etwas  auf? Der Begriff der häuslichen Gewalt nimmt den Täter aus dem Fokus. Spricht man von häuslicher Gewalt, klingt es, als ginge die Gewalt von prügelnden Häusern aus, aber nicht von Männern. Dabei sind es in 90 Prozent der Fälle sie, die prügeln oder auf andere Weise Frauen verletzen oder eben töten. Korrekt wäre meines Erachtens von „häuslicher Männergewalt“ zu sprechen.

Eine weitere Eigenschaft der Frames: Sie können ändern, wie ein Täter oder eine Täterin wahrgenommen wird. Bezeichnet die BILD-Zeitung einen Straftäter als Raubtier oder Bestie, erweckt sie damit kognitionspsychologisch die Vorstellung, dass man den Straftäter wie ein gefährliches Tier bekämpfen, einfangen, einsperren oder notfalls töten müsse. Als RechtsvertreterIn rutschen Sie prompt in die Rechtfertigungsfalle.

Wirkungsvolle Alternativframes etablieren

Leider hilft es Ihnen überhaupt nichts, einen Frame zu verneinen, also zu sagen: „Nein, mein Mandant ist keine Bestie“, weil auch die Verneinung eines Frames den Frame aktiviert. Selbst wenn Sie zehnmal wiederholen würden: „Nein, mein Mandant ist wirklich keine Bestie“, würden Sie zehnmal den Frame einer wilden Bestie aktivieren.

Was tun? Das einzige, was Ihnen übrigbleibt, ist zu versuchen, einen wirkungsvollen Alternativframe zu aktivieren. Aktivieren Sie für Ihren Mandanten das Bild eines Robin Hood, der für das Gute kämpft. Auf eine interessante Lösung für Thema Kriminalität weist Elisabeth Wehling hin. Danach könne es sich anbieten, die Kriminalität als Virus begreifbar zu machen. „Die Kriminalität greift um sich wie ein Virus.“, oder:  „Der Täter stammt aus einer kriminalitätsverseuchten Gegend.“ Die Assoziationskette dahinter lautet, dass man sich mit Strafbarkeit wie mit einem Virus infiziert. Also erweckt der Frame vom Virus in den Lesern oder Zuhörern die Vorstellung, dass die Straftaten eine Krankheit seien, die sich mit besserer Bildung, mit Resozialisierung und gesamtgesellschaftlich mit dem Abbau von Armut behandeln lassen. Das ist doch eine ganz andere Vorstellung als die von abzuknallenden Bestien, oder?

Das Fazit lautet: Frames wirken überall. Ensprechend wird unser Rechts- und Unrechtsempfinden durch unsere Sprache und die mit ihr aktivierten Frames beeinflusst. Mit ein wenig Übung können Sie überall die jeweils wirksamen Frames identifizieren. Das eröffnet Ihnen die Möglichkeit, sie entweder zu nutzen oder sie durch alternative Frames zu ersetzen.

Zur Lektüre:

Elisabeth Wehling

Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht

2016 224 S.,
ISBN 978-3-86962-208-8, 21,00 EUR
EBOOK (PDF)
ISBN 9783869622095
17,99 EUR bestellen
EBOOK (EPUB)
ISBN 9783869622101
17,99 EUR bestellen

https://www.halem-verlag.de/politisches-framing/

Kategorie: Aktuelles, Kommunikationstipps, Rezension, Veranstaltungen Stichworte: Kommunikation, Kommunikationsinstrument, Linguistik, Rechtsanwalt, Rezension, Rhetorik, Steuerrecht

§ 219a StGB: Das Recht auf Information und seine kommunikative Verteidigung

25. November 2017 von Eva Engelken 3 Kommentare

Protestfoto gegen das Urteil wg. § 219a StGBFrauen, die ihr Recht auf reproduktive Selbstbestimmung und Information für selbstverständlich halten, sollten protestieren, denn das Gießener Urteil zum § 219a StGB zeigt, dass es bedroht ist. Aber Vorsicht, denn mit bestimmten Frames spielt man den Abtreibungsgegnern in die Hände.

Warum ist das reproduktive Selbstbestimmungsrecht der Frauen in Gefahr?

Weil am 24. November eine Vorschrift im Strafgesetzbuch, die lange Jahre ein Schattendasein fristete, wieder einmal erfolgreich instrumentalisiert wurde, um das Frauenrecht, sich über eine erlaubte Abtreibung zu informieren, und das entsprechende ärztliche Berufsausübungsrecht einzuschränken. Aufgrund von § 219a StGB, der „Werbung“ für den „Schwangerschaftsabbruch“ unter Strafe stellt, ist die Gießener Ärztin Kristina Hänel am 24.11. zu 40 Tagessätzen à 150 Euro verurteilt worden. Weil sie auf ihrer Uralthomepage   darüber informiert, dass sie die erlaubte ärztliche Leistung „Schwangerschaftsabbruch“ anbietet, ging das Gericht von strafbarer Werbung aus. Dabei gibt es bei Kristina Hänel definitiv nichts, was Marketingfachleute als „Werbung“ ansehen würden: keine Hochglanzbroschüren oder eine moderne Website, die in zielgruppengenau formulierten Messages den Kundennutzen einer entsprechenden Dienstleistung kommuniziert würden. Alles, was die wirklich modernisierungsbedürftige Homepage aufweist, ist ein Link namens „Schwangerschaftsabbruch“, der zu einem Kontaktformular führt, über das man weitere Informationen anfordern kann.

Proteste gegen den § 219a StGB als „vorgestriger Paragraf“

Verständlicherweise und glücklicherweise wollen die Ärztin und ihre Verteidigerin Prof. Dr. Monika Frommel das Urteil nicht hinnehmen und das Recht auf Informationsfreiheit bis zum Bundesverfassungsgericht durchfechten. Es würde sie in ihrer Berufsausübung einschränken, wenn sie auf ihre ärztliche Dienstleistung nicht hinweisen dürfte, sagt die Ärztin und weist darauf hin, dass Frauen, die in der schwierigen Lage sind, sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu müssen, zuverlässige Informationen brauchen, wo sie einen Abbruch sicher und schonend durchführen lassen können. Schon im Vorfeld der Verhandlung hat Kristina Hänel über die Organisation Change.org. eine Petition gestartet – Stand Freitag 24.11. 121.000 Unterschriften -, mit der sie die Abschaffung des § 219a StGB fordert. Zahlreiche Kommentator*innen in den sozialen und traditionellen Medien fordern nun, den § 218 StGB gleich mitabzuschaffen. Nicht wenige von ihnen sehen das reproduktive Recht der Frauen in Gefahr, also das Recht von Frauen und ihren Familien, selber über Fortpflanzung, Verhütung  und eben auch Abtreibungen selber entscheiden zu dürfen bzw. sich entsprechend zu informieren. Die Kommentare der Gegner*innen zeigen, dass es nötig ist, die Debatte um die Abschaffung der §§ 218 ff. und die damit verbundenen Bevormundungen von Frauen endlich wieder zu führen.

Mit welchen rhetorischen Waffen kämpfen die Agitatoren gegen die Ärztin?

Warum erstattet im Jahre 2017 ein dubioser Verein Anzeige gegen eine Allgemeinärztin und schafft es, eine Richterin dazu zu bringen, diese Ärztin aufgrund eines Paragrafen zu verurteilen, der aus der Nazizeit stammt? Weil der Paragraf einschlägig ist? Warum ist er noch nicht abgeschafft? Warum wagen sich unverhohlen frauenhassende Wesen aus der Deckung und beschimpfen abtreibende Frauen und ihre Ärzt*innen? Welche Narrative spielen dabei eine Rolle beziehungsweise welche rhetorischen Mittel setzen die Anti-Abtreibungs-Agitatoren offenbar so erfolgreich ein, dass mittlerweile schon junge Frauen verunsichert sind, ob sie im Falle des Falles überhaupt abtreiben dürften?

Frames bestimmen die Gedanken, nicht die Fakten

Rhetorische Mittel dienen immer dazu, das Bewusstsein zu verändern. Der Schlüsselbegriff heißt Framing. Hier lohnt ein Blick in das Buch von Elisabeth Wehling „Politisches Framing“ , in dem sie die Wirkung von Frames erläutert:

„Jedes Wort, das wir hören, aktiviert in unserem Kopf bestimmte Frames, bei jedem Wort, das wir lesen oder hören, wird eine Reihe von Konzepten aufgrund unserer Welterfahrung mit mobilisiert.“

Eine befruchtete Eizelle garantiert noch keinen dicken Bauch, auch wenn Begriffe dies nahelegen

Bei dem Wort „Schwangerschaftsabbruch“ schwingt Wehling zufolge mit, dass eine Schwangerschaft vorhanden ist. Das Wort Schwangerschaft seinerseits impliziert, dass die Frau ein Kind im Bauch hat. Der Frame von der Schwangerschaft blendet völlig aus, dass eine erlaubte Abtreibung zu einem Zeitpunkt stattfindet, wo definitiv noch kein ausgewachsenes Baby im Bauch ist, sondern dass ein Zellverbund oder Embryo ausgeschabt wird, der außerhalb des Uterus nicht lebensfähig ist. Stattdessen hebt das Wort gedanklich das ungeborene Kind hervor. Bei der Erwähnung eines Abbruchs der Schwangerschaft ist der Gedanke daher nicht weit, dass man einem Kind die zwangsläufig bevorstehende Geburt verweigert. Das wiederum aktiviert den Gedanken an eine Kindstötung oder gar einen Mord. Ausgeblendet ist auch, dass die erlaubte Abtreibung in einem Zeitrahmen stattfindet, in dem die Frau noch gar nicht sicher sein kann, dass die befruchtete Eizelle überhaupt in ihrem Körper bleibt und nicht von sich aus abgeht. Das ist ja auch der Grund, warum viele Eltern erst einmal die ersten 12 Wochen abwarten, bevor sie eine Schwangerschaft bekannt geben: Weil sie noch gar nicht wissen können, ob es überhaupt zu einer dauerhaften Schwangerschaft kommt bzw. ob die Schwangerschaft Bestand hat.

Abtreibungsgegner beschwören Kindstötung oder Mord

Der Mechanismus der Frames ist den Abtreibungsgegnern sonnenklar, und genau mit den eben beschriebenen Frames arbeiten die Agitatoren aus Kirche, Wissenschaft und Politik. Bei der AfD etwa geben sich christliche Fundamentalisten mit neonazistisch verwurzelten Juristen die Klinke in die Hand. Sie wiederholen wieder und wieder, dass jede Abtreibung eine „Kindstötung“ sei, belegen das irreführenden Fotos und prägen ihren Leser*innen auf diese Weise ein, dass ein Abtreibungsverbot Tötungen verhindern und Leben schützen würde. Ihre Propagandamittel sind entsprechende Frames aktivierende Bezeichnungen wie „Marsch für das Leben“ oder „Lebensschützer“ oder wissenschaftliche Veröffentlichungen von Juristen, etwa von der „Juristenvereinigung Lebensrecht e.V.“.

Elisabeth Wehling: Frames aktiviert man auch, wenn man sie verneint

Um das Gedankengut dieser unangenehmen Zeitgenossen gerade nicht zu propagieren, empfiehlt Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling, erst gar nicht erst den fatalen Frame der Kindstötung zu aktivieren. Dies tut man, in dem man den Begriff Schwangerschaftsabbruch einfach nicht verwendet, sich also nicht auf die Frame-Semantik eines erwarteten Kindes einlässt. Übrigens sei es auch nicht hilfreich, diesen Frame zu verneinen, denn auch das aktiviert ihn. Eine Aufforderung wie „Denk nicht an einen rosa Elefanten“ bewirkt zuverlässig, dass die aufgeforderte Person sich einen rosa Dickhäuter ausmalt. Die Aussage „Schwangerschaftsabbruch ist keine Kindstötung“ aktiviert den Frame der Kindstötung.

Alternative Frames bilden: Ein Nichteingriff innerhalb von 12 Wochen nach Konzeption ist die Entscheidung zu einer Schwangerschaft

Möglich sei es beispielsweise, sich darauf zu verständigen, dass eine Schwangerschaft erst beginnt, wenn die Mutter sich mit Ablauf der gesetzlichen Frist von 12 für die Schwangerschaft entscheidet. Die Zeit ab Einnistung der befruchteten Eizelle und Ablauf der 12 Wochen wäre dann noch gar keine Schwangerschaft. Es hieße dann nicht:

Die Schwangerschaft wird abgebrochen. Sondern: „Ein Nicht-Eingriff innerhalb von 12 Wochen nach Konzeption ist die Entscheidung zu einer Schwangerschaft.“

Der zweite Frame fragt laut Wehling:

„Wollen wir eine Schwangerschaft beginnen?“

Frauen könnten dann sagen: „Ich habe mich dagegen entschieden, eine Schwangerschaft zu beginnen, weil…“

Jurist*innen sprechen wohlweislich von der Leibesfrucht und der Zweiheit in Einheit

Befindet sich Sprachwissenschaftlerin Wehling auf dünnem Eis, wenn sie statt von einem „Kind“ von einer Zellansammlung spricht?“ Ganz und gar nicht. Selbst Juristen und Juristinnen sind sich keinesfalls einig, ob ein Fötus bereits ein Mensch im rechtlichen Sinne sei, oder ab wann die befruchtete Eizelle zu einem Menschen wird. Die Verfassungsrichter selber sprechen von der „Frucht“ oder dem „Embryo“ und von der „zunehmenden Entwicklung des Fetus zum selbstständigen Leben“. Der lateinische Begriff Nasciturus, auf deutsch „der zu geboren werdende“ ist ebenfalls eine Bezeichnung, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft verwendet wird.

Warum berufen sich die fanatischen Abtreibungsgegner auf das Bundesverfassungsgericht?

Warum begründen die Abtreibungsfanatiker ihren angeblichen Feldzug zum Schutz des Lebens mit dem Bundesverfassungsgericht? Zwar spricht das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Nasciturus nicht von „Kindstötung“ – zum Glück. Aber es hat schon zweimal in der Geschichte der Bundesrepublik entschieden, dass der Nasciturus ein eigenständiges Rechtsgut sei, das auch gegen die Schwangere selber geschützt werden müsse.

Professorin Dr. Ulrike Lembke hat die fatalen Folgen dieser Rechtsprechung und warum § 219a StGB abgeschafft gehört, in der Legal Tribune Online erläutert: Das BVerfG hat „1975 die Figur der staatlichen Schutzpflicht entwickelt“. Sie bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger nicht nur gegen Freiheitsbeschränkungen durch den Staat geschützt werden müssen, sondern auch vor Rechtsverletzungen durch andere Private. Aus dem verfassungsrechtlichen Zweierverhältnis von Staat und Privatperson ist ein Dreieck aus Staat und mehreren Privatpersonen geworden, so Lembke.

Man bestraft ja auch nicht den Backofen, weil er den Teig nicht zu Brot bäckt

Es ist ähnlich verrückt, eine rechtliche Kriegsfront Leibesfrucht contra Schwangere aufzuziehen, als würde man einen Backofen wegen Mordes bestrafen, nur weil er einen Teig nicht zu einem Brot gebacken hat. Genau diese spezielle Verbindung zwischen potenziellem Opfer und potenzieller Straftäterin liegt auch bei einer Schwangerschaft vor. Das macht die § 218-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auch so problematisch. So schreibt Lembke: „Ungünstig ist nur, dass die Figur des Dreiecks so gar nicht auf Staat, Schwangere und Fetus passt, weil letztere eine „Zweiheit in Einheit“ (so das BVerfG selbst) bilden und nicht zwei getrennte Enden einer geometrischen Figur.“

„In den beiden Entscheidungen hat das BVerfG 1975 (Urt. v. 25.02.1975, Az. 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 – Schwangerschaftsabbruch I) und 1993 (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993, AZ. 2 BvF 2/90 und 4,5/92 – Schwangerschaftsabbruch II) diesen zentralen Aspekt verkannt und im Wesentlichen entschieden: Der Embryo/Fetus stellt ein selbständiges Rechtsgut dar. Er ist vom Staat auch mit den Mitteln des Strafrechts auch gegenüber der Schwangeren zu schützen. Und jede (auch ungewollt) schwangere Frau hat von Verfassungs wegen die Pflicht, einen Fetus auszutragen. Da dessen Lebensrecht stets Vorrang hat, ist der Schwangerschaftsabbruch immer rechtswidrig. Nur ausnahmsweise können Frauen straflos bleiben.“

Eine Abtreibung unter Strafe zu stellen, wird der Sache nicht gerecht. Das haben bei beiden Urteilen zum § 218 auch einige der Richter und Richterinnen so gesehen und eine abweichende Meinung in einem Sondervotum vertreten. Einer ihrer Vorschläge war, die verfassungsgerichtliche Schutzpflicht für den Fetus nicht durch Strafe zu erfüllen, sondern durch eine andere Lösung, z.B. mit einer Fristenlösung, die besagt, dass eine Abtreibung in den ersten drei Monaten nach Empfängnis überhaupt keine Straftat ist.

Lembke zum Sondervotum 1975:

Richterin Wiltraut Rupp-von Brünneck und Richter Helmut Simon wiesen 1975 auf die Singularität der Schwangerschaft hin, bei der Schwangere und Fetus eine „Zweiheit in Einheit“ bildeten. Der Schwangeren werde nicht nur abverlangt, eine Tötungshandlung zu unterlassen, sondern sie solle auch das Heranwachsen der Leibesfrucht in ihrem Körper dulden und später jahrelang mütterliche Verantwortung übernehmen. Dieser ganz besonderen Konstellation werde gerade die Fristenregelung gerecht, die einen abgestuften Schutz des Fetus mit dessen zunehmender Entwicklung zum selbstständigen Leben anerkenne.

Auch bei der Entscheidung 1993 plädierte das Sondervotum für eine Fristenregelung und begründete das mit der Rechtsposition der Schwangeren und der Situation einer Schwangerschaft: Lembke:

Die Richter Bertold Sommer und Ernst Gottfried Mahrenholz wiesen in ihrem Sondervotum 1993 darauf hin, dass es stets Frauen seien, welche die Konsequenzen zu tragen hätten, wenn Sexualität und Kinderwunsch wie so oft nicht übereinstimmten. Die Mehrheit verkenne hier die Rechtsposition der Schwangeren. Die Kollision der Würde des Embryos und der Würde der Schwangeren in der „Zweiheit in Einheit“ müsse verhältnismäßig aufgelöst werden. Deshalb habe in der Frühphase der Schwangerschaft die Frau das Letztentscheidungsrecht, wenn sie zuvor eine Beratung aufgesucht hat.

Strafrechtler Roxin: § 218 ist entbehrlich, sozialpolitische Maßnahmen seien wirkungsvoller als Strafe

Auch der namhafte Strafrechtler Claus Roxin vertrat oder vertritt die Ansicht, dass ein wirkungsvoller Schutz anstatt durch Strafe auch durch sozialpolitische Maßnahmen gewährleistet werden kann. Das heißt, dass eine Strafbarkeit gemäß § 218 für die Abtreibung selber entfallen kann, was auch eine Strafbarkeit der „Werbung“ gemäß § 219a StGB entbehrlich machen würde. Seine Ansicht wird von Statistiken über Abtreibungen gestützt. Zudem hilft eine sachgerecht durchgeführte Abtreibung Frauen gesund zu bleiben. Ohne die Möglichkeit, die Schwangerschaft sicher in einem Krankenhaus zu beenden, ist die Gefahr hingegen groß, qualvoll an den Folgen stümperhaft ausgeführter Abtreibungen zu sterben oder lebenslänglich an den Verletzungen zu leiden.

Neuer Frame: Reproduktive Freiheit der Frau statt Zwang zur Mutterschaft

Der Frame der von Abtreibungsgegnern beschworenen Kindstötung reduziert das Thema „Abtreibung“ auf die zu schützenden Leibesfrucht und blendet die genannten Belange der Frauen völlig aus. Er blendet auch aus, dass das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung der sicherste Weg ist, dass Frauen gar nicht erst abtreiben. Wenn Frauen die Verhütung und Familienplanung verantwortungsvoll selber in die Hand nehmen könnten, würde die Zahl der Abtreibungen sinken. Dies belegt das Beispiel Kanada, wo die Abtreibung seit 1988 völlig restriktionslos möglich ist. Ein neuer Frame, den Frauen und Männer in der jetzt wieder aufflammenden dringend gebotenen Debatte um die §§ 218 ff. StGB einbringen könnten, sollten diese Gedanken aufgreifen: Nämlich, dass die reproduktive Freiheit den Frauen und ihren schon geborenen Kindern hilft, dass sie die Zahl gefährlicher Abtreibungen senkt und somit Mütter gesund erhält. Dass ein Zwang zur Mutterschaft hingegen das Leben und die Gesundheit von Frauen gefährdet und in der Folge das Leben ihrer schon geborenen Kinder.

Was also tun? Intelligent protestieren und neue Frames einführen

  • In der Debatte das Recht auf reproduktive Freiheit der Frauen und ihrer Familien propagieren. Dieses Recht schließt das Recht auf Verhütung, auf Informationen zu Schwangerschaft und Abtreibung ein und das Recht, eine ungewollte Schwangerschaften nicht auszutragen, sondern von Ärzt*innen sicher beenden zu lassen.
  • Im Hinblick auf eine Abtreibung ruhig den juristischen Begriff von der Leibesfrucht benutzen oder den lateinischen Begriff des Nasciturus. Beide Begriffe tragen auch der von Juristen angerkannten Tatsache Rechnung, dass sich das Wunder Mensch eben erst so nach im Bauch einer Frau entfaltet. Auf die Rechtsprechung des BVerfG von der „Zweiheit in Einheit“ hinweisen.
  • Nicht den Abtreibungsgegnern in die Hände spielen, indem man ihre Argumente wiederholt und ihre Frames aktiviert. Dran denken: Auch Frames, die man verneint, prägen den Frame im Kopf ein. Wer sagt: „Das ist keine Kindstötung“, brennt den Gedanken ein, dass eine Abtreibung genau eine Kindstötung sei, in den Köpfen der Zuhörer oder Leser ein.
  • Notfalls lieber noch von Abtreibung statt von Schwangerschaftsabbruch reden.
  • Sich der Petition zur Abschaffung des § 219a StGB anschließen. Hier geht’s zur Petition.

Nachtrag: Die Forderung in der Presse:

Der Deutsche Juristinnenbund und der Deutsche Ärztinnenbund fordert ebenfalls die Abschaffung von §219 StGB. https://www.djb.de/Kom-u-AS/K3/pm17-42/

Hier ist ein Video von Teen Vogue, das man theoretisch als „Werbung“ bezeichnen könnte, aber alle Anforderungen an eine gute Aufklärung und Information erfüllt:

https://www.teenvogue.com/story/planned-parenthood-videos-explain-abortion?mbid=social_facebook

 

Kategorie: Aktuelles, Recht Stichworte: #Kristinahaenel, Abtreibung, Framing, Kommunikation, Kommunikationsinstrument, Strategie

Strategisches Netzwerken – mit Verstand und mit Herz

17. März 2011 von Eva Engelken 2 Kommentare

Lassen Sie uns aus aktuellem Anlass über Netzwerke sprechen. Nein, ich rede nicht von Stromnetzwerken, durch die Atomstrom und vielleicht bald etwas mehr Ökostrom fließen. Es geht um Berufsnetzwerke, in denen sich Menschen mit gleichen beruflichen Interessen zusammen schließen. Es geht um Seilschaften, Erfolgsteams, Networking und strategische Netzwerkarbeit. Genau gesagt, geht es heute um ein bestimmtes Netzwerk: Den Texttreff, der heute 10 Jahre alt wird. Herzlichen Glückwunsch!

Warum überhaupt Netzwerk?

Warum sollte ich in einem Netzwerk aktiv sein?

  • Weil ich seit vielen  Jahre Aufträge, Tipps und Hilfen über dieses Netzwerk bekomme.
  • Weil es ein virtuelles Großraumbüro ist, das Kaffeeklatsch und Gerüchte verteilt.
  • Weil ich mich ohne dieses Netzwerk nicht so erfolgreich selbstständig gemacht hätte.
  • Weil ich ohne dieses Netzwerk nicht zwei Bücher geschrieben habe.
  • Weil ich als berufstätige Frau und Mutter nicht allein auf weiter Flur stehe, sondern weiß, dass auch in Starnberg, Hamburg, München, Wien, New York, Halle, Stuttgart, Köln und an vielen anderen Orten Frauen mit Kopf und Herz sitzen.

Ein reines Frauennetzwerk?

Das sind ja nur Frauen. Stimmt. Den Texttreff hat meine wunderbare Netzwerkkollegin Susanne Ackstaller vor 10 Jahren als ein reines Frauennetzwerk gründet. Und ein solches ist es geblieben – weil es sich bewährt hat. Mittlerweile tauschen sich dort über 600 Frauen aus allen erdenklichen Textberufen aus: von der Drehbuchautorin über die Journalistin, Fotografin, Lektorin, Korrektorin, Krimi- oder Sachbuchautorin, PR-Fachfrau, Kommunikationsberaterin, Coach, Investor-Relations-Spezialistin, Agenturchefin, Eventmanagerin, Werbetexterin, Bloggerin, Social Media Managerin, Ghostwriterin, bis hin zur Herausgeberin, Projektmanagerin, Historikerin, Dokumentarfilmerin, Hörfunkjournalistin, Hörbuchproduzentin und Biografin.

Ist es nicht so, dass Frauen keine Seilschaften bilden können? Manche sagen das und nehmen an, deshalb seien Frauen bisher auch noch nicht überall in Führungspositionen vertreten. Mag sein, dass Frauen nicht so gut darin sind, Trittleitern zu knüpfen, auf denen einzelne bis an die Spitze klettern. Mag auch sein, dass manche Frauen es vielleicht auch nicht genug wollen – das an-die-Spitze-kommen. Aber Frauen sind gut darin, aus vielen Fäden filigrane Netzwerke zu knüpfen, die einzelne auffangen, die Existenzgründerinnen mit Rat und Hilfe unter die Arme greifen, die Frauen in die Selbstständigkeit helfen, die nach der Elternzeit nicht in ihren alten Beruf zurückkehren konnten. Und Frauen sind gut darin, andere Frauen zu bestärken, sich vom Newcomer zum Profi zu entwickeln, angemessene Honorare für gute Arbeit zu verlangen und selbstbewusst ihre Frau zu stehen und gegebenenfalls ihre Familien zu ernähren. All das leistet dieses Netzwerk Texttreff.

Die genauen Zahlen der dank Texttreff erfolgreichen Gründungen und Geschäftsvergrößerungen kenne ich nicht. Es sind viele. Und noch höher ist die Zahl von Ratschlägen, Kopfwäschen, Mutmach-Postings, Trostspenden und aufmunternden  „Kopf-hoch!“-Mails, die nach und nach aus unsicheren Anfängern gestandene Geschäftsfrauen gemacht haben. Ich finde, das hat eine gesellschaftspolitische Dimension. Auch das ist ein Grund, über erfolgreiches Netzwerken zu reden. Und es ist ein Grund, sich zu freuen und zu feiern.

Wie funktioniert ein solches Erfolgsnetzwerk? Gibt es Patentrezepte?

Der Texttreff funktioniert über Mailinglisten wie andere Netzwerke aus. Mitglieder posten dort Fragen und erhalten Antworten. Wie überall. Der Unterschied ist: Die Netiquette gibt vor, dass nur unter dem Eigennamen  und mit vollständiger Signatur geschrieben wird: Das schafft eine Verbindlichkeit und fördert das Vertrauen – ein wichtiger Erfolgsfaktor für funktionierendes Netzwerken. Ein zweiter Erfolgsfaktor: Die Texttreffmitglieder können allesamt schreiben und schreiben gerne. Ein Netzwerk von Menschen, die den Computer in erster Linie anmachen, um Dragon Age zu spielen oder Urlaubsfotos hochzuladen, erreicht vielleicht die Intensität, aber kaum die Verbindlichkeit des Austauschs im Texttreff – wiederum essenziell für das gegenseitige Vertrauen und die Atmosphäre, in der wirkungsvoll genetzwerkt werden kann.

Wichtig sind die Moderatorinnen, die behutsam und diplomatisch und beharrlich moderieren, auf die Einhaltung der Netiquette pochen und moderierend wirken, wenn die Wellen mal hoch schlagen. Ein weiterer Faktor ist die Ausgeglichenheit von Geben und Nehmen. Manche denken vielleicht, es sei dumm, kostenlos Wissen und Rat zu verschenken, aber sie haben das Geheimnis erfolgreichen Netzwerkens nicht begriffen: Nur wer in einem reichlich gibt, bekommt reichlich zurück: Rat und Hilfe, Wissen, Erfahrung, Lob und Anerkennung.

Darauf ein Prost und Dankeschön allen, die seit Jahren in dieses Netzwerk geben und so viel wieder heraus bekommen!

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