Die Broschüre „Effektivere Schriftsätze – Kognitionspsychologie und Rhetorik für Anwälte“ von Dr. Rolf Platho ist eine gut strukturierte Hilfe, um bessere, weil wirkungsvollere Schriftsätze zu erstellen.
Sie konzentriert sich auf den Schriftsatz, die Tipps lassen sich jedoch auf jeden Text im Anwaltsalltag übertragen. Egal, ob Schriftsatz, Memo, Gutachten oder Anschreiben, es sind genau die von Platho vermittelten Strukturtipps, die darüber entscheiden, ob ein Text sein Ziel erreicht – oder eben nicht. Folgt das Gericht der eigenen Meinung? Stimmt die Mandantin der vorgeschlagenen Strategie zu? Gibt sie Schriftsätze frei? Und bezahlt sie am Ende anstandslos die Rechnung, weil sie das Gefühl hat, kompetent beraten worden zu sein?
Um die 45 Seiten starke Broschüre durchzulesen, braucht man allerdings Konzentration, denn der Autor kleidet selbst die praktischen Tipps in anwaltstypisch fundierte Sätze. Das klingt dann so: „Die Optimierung der eigenen juristischen Schriftsätze steht bisher nicht im Mittelpunkt anwaltlicher Überlegungen zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs.“ Anders gesagt, den eigenen Ratschlag, lieber kurz und einfach zu schreiben, befolgt der Autor der Broschüre nur begrenzt.
Wer sich weder von solchen Sätzen noch von der langen „Einleitung“ abschrecken lässt, wird belohnt. Denn was sich hinter den wissenschaftlich klingenden „kognitionspsychologischen Grundlagen der Schriftsatzoptimierung in Makrostruktur und Inhalt des Textes“ verbirgt, trifft den Nagel auf den Kopf.
Eine der wichtigsten Botschaften ist, dass das Gehirn Informationen dann am bereitwilligsten annimmt, wenn ihm jeweils angekündigt wird, was als Nächstes kommt. Damit ist nicht einfach gemeint, „das Wichtigste nach vorn“, sondern vielmehr: „Liefere am Anfang immer einen Ausblick auf das, was kommt.“ In Seminaren erlebe ich oft einen Aha-Effekt, wenn den Teilnehmenden klar wird, wie sehr sie mit einer guten Vorstrukturierung die Lesbarkeit ihrer Texte steigern können. Plathos Broschüre liefert dafür die kognitionspsychologische Erklärung: Weiß die Leserin, was als nächstes kommt, ist sie darauf vorbereitet. Das erhöht nicht nur die Verstehensleistung, sondern auch die Akzeptanz des Gelesenen.
Sage mir vorher, was du tun wirst, dann bin ich bereit, dir zu folgen
Plathos Verdienst ist es, darzustellen, wo sich diese „Vorausschau“ überall in der Makrostruktur und im Inhalt des Textes platzieren lässt: In der Einleitung und in der ausformulierten Perspektive (worauf will der Schreibende hinaus?), in den Gliederungselementen Überschrift und Zwischenüberschrift und im Text selber. Der Autor rät, und das kann ich nur unterschreiben, jeden Textabsatz mit einer „dezidierten Ergebnisvorschau“ beginnen zu lassen. Für Juristen ist das leicht nachvollziehbar, wenn man ihnen rät: „Schreiben Sie Urteilsstil statt Gutachtenstil“. Beim Gutachtenstil wird bekanntermaßen erst die zu prüfende Frage gestellt und dann das Ergebnis genannt. Beim Urteilsstil ist es umgekehrt.
Beispielsätze veranschaulichen, wie man die Ratschläge umsetzt und damit den Test damit gut gliedert. Sie sind es wert, ausgedruckt und über dem Schreibtisch aufgehängt zu werden. Zwar sind Anwälte dank Gutachtentechnik und Urteilstechnik durchaus imstande, Texte einigermaßen zu gliedern. Zumindest deutlich besser als etwa Pädagogen oder Sozialarbeiter. Doch auch bei guten Stilisten ist noch Luft nach oben.
Besonders die von Platho empfohlene Möglichkeit, Texte mit Gliederungsüberschriften „vorzustrukturieren“, ist es wert, beherzigt zu werden. In der Praxis vieler Kanzleien produzieren Anwälte gerne seitenlange Bleiwüsten, die allenfalls mit Nummerierungen unterteilt sind. Will der arme Leser wissen, was drin steht, muss er alles lesen. Wie sehr würde es ihm helfen, wenn ihm Zwischenüberschriften sagen würden, was im jeweiligen Absatz drin steht! Würden die Zwischenüberschrift gar das Ergebnis vorwegnehmen, müsste er – wie auf einer Schnelllesestraße – nur die Überschriften überfliegen und wäre über den Inhalt des Textes informiert.
Eine Beispielüberschrift aus der Broschüre, wo das Thema genannt wird:
- „Der Umfang der Rechteeinräumung bei Auftragsvergaben“
- Noch besser ist es, in der Überschrift gleich die Ergebnisvorschau zu geben: „Keine Rechteeinräumung bei Auftragsvergabe“
Weitere Hilfestellung leistet die eBroschüre beim Thema Stil. Satzkonstruktion, Wortwahl, Layout, Veranschaulichung mithilfe von Grafiken sind weitere Themen.
Fazit: Es schadet kein bisschen, wenn in jeder Kanzlei ein Exemplar der Broschüre rumliegt. Und wenn möglich, auch gelesen wird.
Effektivere Schriftsätze – Kognitionspsychologie und Rhetorik für Anwälte – eBroschüre (PDF)
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