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Buchtipp: Wo bitte geht’s denn hier zur Scheidung?

20. Dezember 2019 von Eva Engelken 1 Kommentar

Humorvoller Scheidungsratgeber von Rechtsanwältin Katalin Grüner, https://gruenertonline.de/rechtsanwaeltin-katalin-gruenert/

Kurz vor Weihnachten hat man die Wahl zwischen sorgfältig machen und aufschieben ins neue Jahr oder einfach machen. Bei Katalin Grünerts Ratgeber „Wo bitte geht’s denn hier zur Scheidung?“ musst ich mich einfach für die quick&dirty-Variante entschieden, sonst hätte ich meinen Buchtipps nicht mehr rechtszeitig veröffentlichen können, sodass alle, die sich mit dem Gedanken an eine Scheidung tragen, die ach so besinnlichen Feiertage mit all ihrem Geschluchze zur Lektüre nutzen können.

Mit Grünerts Ratgeber können sich alle potenziell Scheidungs- und Trennungswilligen Gedanken machen, ob sie diesen Schritt wirklich gehen wollen oder ob Holger oder Silke oder wer auch immer ja eigentlich doch gar nicht so übel war und dass sie es „ganz eigentlich ja so auch nicht gewollt haben.“

Lieber erst nachdenken, dann Scheidungsanwalt beauftragen

Bei dieser Gedankenfindung hilft das Büchlein von Grünert ganz hervorragend. Die Fachanwältin für Familienrecht und Fachanwältin für Sozialrecht aus Wetter an der Ruhr erläutert auf 62 DIN-A6-Seiten mal eben alle Elemente des Familienprozesses. Das Buch kann man also auch als Checkliste benutzen, die Mann oder Frau abarbeiten sollte, ehe er oder sie eine Anwältin ihrer Wahl beauftragt, den Scheidungsantrag einzureichen.

Grünert selbst bezeichnet ihren Ratgeber als „Denkanstoß für die Vielzahl der Ehepaare, die sich aus den unterschiedlichesten und geringfügisten Gründen trennen oder scheiden lassen wollen. Dabei warnt sie vor RechtsvertreterInnen, die aus einer potenziell einvernehmlichen Trennung gerne mal rasch eine gebührenträchtige Schlammschlacht machen.

Einverständliche friedliche Scheidungsverfahren von Normalverdienern lohnen sich nicht! Und da er (der junge Anwaltskollege) selbst Unterhalt zahlen muss, zaubert er aus Ihrem zaghaft geäußerten Wunsch, sich erst einmal nur wegen einer Trennung beraten zu lassen, in Windeseile ein Deluxe-Scheidungsverfahren mit allen Extras.

Katalin Grünert in „Wo bitte geht’s denn hier zur Scheidung?“

Das Ganze ist so witzig und persönlich geschrieben, dass man a) das Gefühl bekommt, Anwältin Grünert säße einem beim Kaffee gegenüber und rücke einem freundlich aber bestimmt den Kopf zurecht. Und b) stellt das Büchlein ein prima Beispiel dafür dar, wie man sich als witzig, humorvoll und zugleich mit seriösen Tipps als Expertin präsentieren kann respektive als Experte.

Ein bisschen Humor macht das ernstete Thema leichter zugänglich

Anders gesagt, verkörpert Grünert mein Credo, dass Anwälte und Anwältinnen umso überzeugende Botschafterinnen in eigener Sache sein können, sobald sie sich trauen, sich nicht mehr hinter Myriaden von pseudowichtigen Details und Floskeln zu verstecken, sondern auf den Menschen und sein Problem zu schauen.

Katalin Grünert

  • Wo bitte geht’s denn hier zur Scheidung? Von Katalin Grünert
  • Taschenbuch: 62 Seiten
  • Verlag: Independently published (13. Juni 2019)
  • ISBN-10: 1096366525
  • Größe und/oder Gewicht: 12,7 x 0,4 x 20,3 cm
  • Preis: 4,99 Euro

Kategorie: Aktuelles Stichworte: Anwaltsdeutsch, Bücher, Humor, Rezenzion, Scheidung

Interview: Warum Legal Process Outsourcing für Kanzleien nützlich sein kann

31. Januar 2014 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Doreen Ludwig, Fachlektorin für Recht&Wirtschaft, decorum Fachlektorat, spricht über ihre Arbeit und darüber, warum es manchmal besser ist, externe Dienstleister zur Unterstützung der Kanzleiarbeit heranzuziehen

Doreen Ludwig
Doreen Ludwig (www.decorum-fachlektorat.de)

Klartext Anwalt: Doreen, was bietest du Juristen genau für eine Dienstleistung an, was qualifiziert dich dafür?

DL: Ich übernehme extern die Arbeiten, die in jeder Anwaltskanzlei anstehen: Transkription von juristischen Schriftsätzen, Erstellen der Kostennoten nach Aktenverlauf und so weiter. Mich qualifiziert dafür neben meinem Abschluss als Verwaltungs-Betriebswirtin die langjährige praktische Erfahrung in der Justiz und auch meine Schnelligkeit mit 400 Anschlägen/Minute.

Klartext Anwalt: Warum sollte man dich buchen? Diktate abschreiben können auch die normalen Sekretärinnen oder Rechtsanwaltsfachangestellten.

DL: [lacht] Ja, natürlich, aber oftmals sieht es doch in der Realität so aus, dass zahlreiche Diktate noch getippt werden müssen, Fristen berechnet, Neuakten angelegt und Terminabsprachen mit Mandanten auch noch ausstehen. Das Kanzlei-Personal arbeitet am Limit. Hinzu kommt, dass Schriftsätze im juristischen Bereich nun mal terminmäßig bindend sind. Wir sorgen für Entlastung und geben so Zeit zurück in die Kanzlei.

Klartext Anwalt: Du nutzt also den Trend zum Legal Process Outsourcing aus oder sollte man sagen: den Trend zum Legal Assistance Outsourcing?

DL: Ja, neben der Effektivität steht ja auch immer die Effizienz. Unsere Dienstleistung sorgt für Kostenmanagement. Statt zusätzliches Personal einzustellen, können diese Aufgaben sicher, kompetent und schnell extern ausgeübt werden. Und das auch noch zu einem günstigeren Preis.

Klartext-Anwalt: Okay, Ihr seid billiger. Aber seid Ihr auch genau so sicher wie Inhouse-Kräfte? Ich meine, das Internet kann doch abgehört werden – oder?

DL: Natürlich sind wir uns der Gefahr für die sensiblen Daten bewusst. Das gilt gerade im Mandatsverhältnis bei Anwälten. Aus diesem Grund wurde hierfür unser Kundenportal eingerichtet. Eine Übermittlung sensibler Daten per E-Mail ist uns zu riskant. Die Daten werden also serverbasiert sicher hochgeladen. Zum gewählten Fertigstellungstermin steht das Schriftstück zum Download bereit. Eine Benachrichtigung erfolgt automatisiert, sodass ein „Vergessen“ auf dem Server somit ausgeschlossen ist.

Klartext-Anwalt: Für wen habt Ihr schon gearbeitet?

 DL: Unser Aktionsradius erstreckt sich über Deutschland, Österreich und die Schweiz. Neben einer früheren Kooperation mit dem größten Schreibbüro Deutschlands sind wir neben Anwaltskanzleien auch für rechtspsychologische Gutachter und Sachverständige tätig. Aber auch im Verlagsbereich wurde unsere Dienstleistung schon angefragt.

Mehr unter www.decorum-fachlektorat.de.

Logo Decorum Lektorat

Kategorie: Aktuelles, Interviews, Kanzleikommunikation Stichworte: Anwaltsdeutsch, Interview, Kanzlei, Kanzleikommunikation, Lektorat, Outsourcing, Rechtsanwalt

Sprechen Sie Fußball? – Kommunikationstipps für Juristen

15. Oktober 2013 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Fußball
(Quelle: Lupo/pixelio.de)

Wenn man krank ist und eine neue Arztpraxis sucht, ist es ein wichtiges Auswahlkriterium, ob man sich dort gut verstanden und gut beraten fühlt.  Das ist bei der Wahl einer Kanzlei nicht anders. Auf die Frage, warum Unternehmer(innen) gerade sie mandatieren sollten, antworten Wirtschaftsanwälte gerne vollmundig: „Weil wir Ihre Sprache sprechen.“

Das mit der Sprache sagt sich so leicht, doch längst nicht immer sprechen Anwalt und Mandant respektive Anwältin und Mandantin die gleiche Sprache. Die eine Seite spricht anwältisch, die andere mandantisch.

Manchmal klingt das sehr ähnlich. Zum Beispiel, wenn der Anwalt ein versierter Berater von Familiy Offices ist, und es sich beim Mandanten um eine vermögende Privatperson handelt, die 8 Millionen Euro auf der hohen Kante hat.
Sie will beispielsweise wissen, wie sie die Kröten inflationssicher anlegen kann, damit ihr Junior, der aktuell nur in seine Windeln große Geschäfte macht, später auf eine Privatuni gehen und dann auch im Wirtschaftsleben große Geschäfte machen kann.

In  diesem Fall kann der Anwalt mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ihr Begriffe wie Vermögen, Verwaltung und steueroptimale Strukturierung keine Fremdworte sind, sondern sie weiß, dass es von ihnen abhängt, ob der Junior das Studium mit einem neuen Audio 4 oder mit einem gebrauchten Fiat aufnehmen kann.
Das kann aber auch ganz anders klingen. Es kann zum Beispiel sein, dass der Mandant das Geld nicht geerbt hat und nicht damit aufgewachsen ist, bei Familienfesten mit Geschäftsführern und Honoratioren Small Talk zu machen

Vielleicht ist er ein junger Berufsfußballer mit sogenanntem Migrationshintergrund, der dank seiner herausragenden sportlichen Begabung in die Bundesliga aufgerückt und jetzt Einkommensmillionär ist.

Diese Person, nennen wir sie Kevin, spricht nicht Anwalt, sondern Fußball. Gleichwohl ist er als Mandant hochinteressant. Kevin hat viel Kohle, aber er weiß im Zweifelsfall nicht damit umzugehen. Er kauft lieber den zweiten Lamborghini, statt für die Zeit nach seiner Profizeit zu planen, damit er immer noch Geld hat, auch wenn mit Ende 20 die goldene Quelle Fußball versiegt.

Um ihn gut zu beraten, muss der Anwalt seine Sprache sprechen. Wirft der Anwalt nur Fachbegriffe über seinen wuchtigen Schreibtisch, ist die Person im schlimmsten Fall eingeschüchtert. Also braucht er Übersetzer, die zwischen ihm und Kevin übersetzen.

In jedem Fall sollte sich der Anwalt bzw. die Anwältin die Mandantenbrille aufsetzen und aus Mandantensicht die Fragen beantworten, die immer am Anfang einer guten Kommunikationsstrategie stehen: Welchen Nutzen bietet mir dieser Anwalt? Warum sollte ich gerade ihn beauftragen?  Und dann sollte er das Nutzenversprechen in die Wortwelt eines Kevin übersetzen. Dann lautet die Antwort des Mandanten im Idealfall: „Ich habe mich für diese Kanzlei entschieden, denn dort sprechen sie meine Sprache.“

Kategorie: Anwaltsdeutsch, Kommunikationstipps Stichworte: Amtsdeutsch, Anwaltsdeutsch, Klartext, Klartext für Anwälte, Kommunikation, Verständlichkeit

Textoptimierung – so geht’s am besten – Sprachtipps für Juristen

20. August 2013 von Eva Engelken 4 Kommentare

Gefragt, wie das Geheimnis guter Texte lautet, antworte ich: „Ganz einfach: Sie schmecken dem Leser und erreichen ihr Ziel.“

Dann kommt die nächste Frage: „Und wie schreibt man solche Texte?“

Ganz einfach: Legen Sie fest:

„Was will ich mit dem Text erreichen?“ Und: „Wer soll ihn lesen?“

Schritt 1:  Zielgruppe definieren

Überlegen Sie als Erstes: Wen wollen Sie erreichen, wer soll Ihren Text verstehen und danach handeln? Also, wer ist Ihre Zielgruppe?

Als Jesus seine Bergpredigt hielt, hatte er Hunderte einfacher Juden vor sich – Handwerkerinnen, Bäuerinnen, Arbeiter, Händler, Fischer, von denen die meisten nicht lesen und schreiben konnten. Also sprach er so einfach und bildlich, dass auch der letzte Schafhirte ihn verstehen konnte. Ergebnis: Seine Weisheiten und Appelle werden bis heute gelesen, die Bibel ist das meistverkaufte Buch der Welt.

Schritt 2: Ziel definieren

Überlegen Sie als Zweites: Was wollen Sie mit dem Text erreichen? Was soll der Leser denken, tun, lassen, wenn er Ihren Text gelesen hat? Was ist das Ziel des Ganzen?

Als Anwalt Justus Borgmann aus Wuppertal (Name geändert), 1985 seinem neuen Mandanten mit seinen Fachkenntnissen imponieren wollte, obgleich er lediglich ein routinemäßiges Mahnschreiben an dessen Mieter aufsetzen musste, formulierte er einen derart feurigen Briefentwurf, dass der Mandant vor Ehrfurcht ganz rote Ohren bekam, ob der Erstklassigkeit seines Rechtsberaters, und als der Mieter bezahlt hatte, den Anwalt sogleich seiner Schwägerin und ihrem gesamten Tennisklub empfahl. Ergebnis für den Anwalt: jährliches Auftragsvolumen von  100.000 Euro alleine aus den Kreisen des Tennisklubs. Sein Markenzeichen bis heute: die filigran ornamentierten Schriftsätze, über die sich sogar die Richter amüsieren.

Textanalyse

Im ersten Fall – der Bergpredigt – bestand die Kunst darin, das Anliegen des Texts bzw. der Rede so einfach und plastisch zu formulieren, dass auch einfach gestrickte Menschen die Botschaften unmittelbar begreifen konnten. Im zweiten Fall – den Schriftsätzen – bestand die Kunst des Anwalts darin, eine vergleichsweise einfache Aufforderung derart kunstvoll zu stellen, dass der Mandant zwar die einzelnen Sätze nicht mehr verstand, aber sofort begriff, dass er hier einen engagierten Anwalt vor sich hatte, der seine ganze Kunst dazu einsetzte, ihm zu seinem Recht zu verhelfen.

Was lernen wir daraus? Wer gelesen und erhört werden will, sollte sich Gedanken machen, wie sein Gegenüber tickt. Und sich dann daran machen, den Text entsprechend zu verändern. Das kann heißen: Text vereinfachen, Text anschaulicher machen, Text kürzen, Text aufbauschen, etc. Die folgenden Zielfragen helfen, einzuordnen, in welche Richtung die Optimierung gehen sollte.

Zielfragen der Sprachoptimierung

  1. Wie gebildet ist mein(e) Leser(in)?
  2. Welche Fachbegriffe/Fremdwörter versteht er/sie?
  3. Wie viel Zeit hat mein(e) Leser(in), sich mit meinem Text zu beschäftigen?
  4. Wozu braucht mein(e) Leser(in) meine Informationen?
  5. Was will ich mit dem Text erreichen?
  6. Worüber will ich informieren?
  7. Was soll mein(e) Leser(in) tun, wenn er/sie meinen Text gelesen hat?

Mehr Tipps in Klartext für Anwälte und in den Klartext-Seminaren.

 

Kategorie: Aktuelles, Kanzleikommunikation, Kommunikationstipps Stichworte: Anwaltsdeutsch, Klartext für Anwälte, Stil, Verständlichkeit

Wunderschönes Amtsdeutsch – Sprachtipps für Juristen

29. April 2013 von Eva Engelken 5 Kommentare

Im heutigen Sprachtipp für JuristInnen geht es um die schräge Schönheit amtdeutscher Begriffe.

Als pflichtbewusste Sprachtrainerin sage ich meinen Trainees immer:

„Vermeiden Sie Substantivierungen, hemmt den Sprachfluss, behindert das Verständnis, Sie wissen schon.“

Ist alles richtig. Substantivierungen blinken wie Warnlampen: „Vorsicht, Behördendeutsch, Staubschicht auf der Zimmerpalme!“ Wird von den Teilnehmern eine festliche Veranstaltung durchgeführt, ahnt jeder: Der Bär steppt woanders, unter der bleiernen Schwere der Substantivierungen geht jede Partystimmung in den Keller.

Amtbegriffe sind Kunstwerke eigener Art

Manchmal allerdings trifft man auf Behördenwörter, die sind derartig verkrustet, dass sie schon wieder schön sind. Oder vielleicht nicht schön, aber kreativ. Irgendwie so, als hätte ein wahnsinniger Beamter sämtlich Aktenordner zu einem Scheiterhaufen gestapelt und Benzin darübergegossen.

Solch ein Wort ist die „Beauskunftung“. Zu finden beim Wikipedia-Stichwort „Auskunftei“, auch einem Wort, das die Asservatenkammer der Bürohengste schmückt:

„Die Beauskunftung erfolgt unter Berücksichtigung und Einhaltung der strikt geregelten Datenschutzbestimmungen, welche u. a. den Missbrauch von personenbezogenen Daten verhindern sollen.“

Welch ein Satz! Schon die Auskunft selber ist ja ein Abstraktum; ein Mensch möchte etwas wissen, ein Sachbearbeiter erklärt es ihm, und unter dem bleiernen Blick des Beamten erstarrt das Gesagte sekundenschnell zu einer „Auskunft“ – wie bei der Sphinx, unter deren Blick alles zu Stein wird.  Der Mensch packt seine Auskunft und macht sich schleunigst vom Acker.

Wenn Menschen handeln, kleben Juristen die sprachlichen Etiketten darauf

Doch Juristen hätten ihren Beruf verfehlt, wenn sie das einfach geschehen ließen. („Da könnte ja jeder kommen!“) Sorgsam legen sie den Vorgang unter dem passenden Stichwort ab („lachen, lochen, abheften“), und aus dem Ereignis, dass ein armes Menschlein in die Behörde geschlichen kam, und etwas wissen wollte, wird die „Beauskunftung.“

So läuft das ab. Und wo bleibt der Sprachtipp? Fällt diese Woche aus.

  • Wenn Sie mehr wissen wollen, richten Sie Ihr Beauskunftungsersuchen bitte schriftlich in einfacher Ausführung an engelken@klartext-anwalt.de. Das Gleiche gilt, wenn Sie ein eigenes Sprachschätzchen der geneigten Öffentlichkeit zur gefälligen Kenntnisnahme unterbreiten wollen. Besonders gelungene Ausführungen werden prämiert mit der Zimmerpalme des Monats.

Mehr Tipps in Klartext für Anwälte, in der Stilfibel von Ludwig Reiners und in den Klartext-Seminaren.

Kategorie: Aktuelles, Anwaltsdeutsch Stichworte: Amtsdeutsch, Anwaltsdeutsch, Kommunikationsratgeber, Stil

Teile und herrsche – Sprachtipps für Juristen

22. April 2013 von Eva Engelken 4 Kommentare

Im heutigen Sprachtipp für JuristInnen geht es um die Methode, lange Sätze zu kürzen und verständlicher zu machen.

Liebe JuristInnen, wie wäre es, wenn Sie ab und zu an die armen Menschen dächten, deren Muttersprache deutsch oder französisch, aber nicht juristisch ist? Folgenden Satz musste eine Dolmetscherin übersetzen und bekam prompt Kopfweh:

Satzbeispiel

„Soweit der Festsetzungsbeschluss auf einer Erklärung beruht, mit welcher sich der als Antragsgegnerin bzw. Antragsgegner in Anspruch genommene Elternteil zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet hat, führt das Amtsgericht – Familiengericht – über einen in dem Beschluss nicht festgesetzten Teil des im vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruchs auf Antrag eines Beteiligten das streitige Verfahren durch.“

Der Satz hat 54 Wörter. Für FamilienrechtlerInnen ist dieser lange Satz wahrscheinlich nicht einmal besonders unverständlich, man könnte sogar sagen, sie verstehen den Satz nach normaler Lektüre: also, nachdem sie den Text juristentypisch sorgfältig gelesen haben.

Warum also etwas ändern? Weil eine Dolmetscherin davon Kopfschmerzen bekommt? Das ist ja noch unwichtiger, als wenn in China ab und zu ein Sack Reis umfällt, mögen viele JuristInnen sagen. Es hilft, den langen Satz zu kürzen, weil der Normalmensch dreimal anfangen muss und ihn noch öfter lesen muss, bis er ihn endlich versteht. Der Satz ist nicht nur lang, seine Reihenfolge ist nicht logisch. Zwar haben viele Juristen noch viel längere Sätze verfasst (Heinrich von Kleist hat es auf Sätze mit bis zu 90 Wörtern gebracht), doch dann war der Satz zumindest perfekt konstruiert.

Methode: Informationen sinnvoll sortierten und auf mehrere  Sätze aufteilen

Wie kürzt man zu lange Sätze? Frei nach dem römischen Motto „Teile und herrsche“, indem man herrscht und teilt. Wer seinen Text beherrscht, weiß, welche Informationen der Satz transportieren soll, und kann ihn in logische Einheiten zerlegen. Logische Einheiten entstehen, wenn man zusammenfügt, was zusammengehört.

  •  Wer handelt in dem Satz? Das Amtsgericht, genau genommen das Familiengericht.
  • Was tut es? Es führt das streitige Verfahren durch.
  • Wann tut es das? Auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten.
  • Welcher Anspruch wird streitigen Verfahren behandelt? Einen Teil des im vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruchs.

(Zwischenfrage vom Nichtjuristen: Ist damit der Unterhaltsanspruch eines Kindes gemeint? Antwort: Ja.)

  • Und welcher Anspruch genau bitte? Derjenige Teil des Anspruchs, der im (Festsetzungs-)Beschluss nicht festgesetzt wurde.

 (Zwischenfrage vom Nichtjuristen: Was ist ein streitiges Verfahren? Laut http://www.maess-heller.de/Juristisches-Glossar/streitiges-Verfahren.html  ist „ein streitiges Verfahren ein gerichtliches Verfahren, in dem geklärt wird, ob eine Gläubigerforderung gegenüber einem Schuldner rechtlich begründet ist oder nicht.“)

Zwischenergebnis

Halten wir als Zwischenergebnis fest:

Auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten klärt das Familiengericht im streitigen Verfahren, ob ein bestimmter Teil des Unterhaltsanspruchs besteht, und zwar der Teil, der im vereinfachten Verfahren geltend gemacht, aber im Festsetzungsbeschluss nicht festgesetzt wurde.

Und wie geht der Satz weiter? Das erfahren wir, wenn wir weiterfragen:

  • Unter welchen Voraussetzungen führt das Familiengericht dieses Verfahren durch?

Voraussetzung ist, dass der Festsetzungsbeschluss auf einer Erklärung beruht, mit welcher sich der als Antragsgegnerin bzw. Antragsgegner in Anspruch genommene Elternteil zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet hat.

  • Aha. Und was heißt das?

An dieser Stelle müssten wir länger ausholen und erläutern, dass es sich um einen im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG erlassenen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss handelt. Diesen erlässt das Familiengericht auf Antrag des betreuenden Elternteils. Die Voraussetzung dafür ist, dass der nicht-betreuende Elternteil erklärt hat, zum Unterhalt verpflichtet zu sein. Und so weiter… Doch im heutigen Tipp geht es nur um das Satz-Zerkleinerungs-Prinzip. Deshalb verzichten wir wir an dieser Stelle auf weitere inhaltliche Erläuterungen.*

Erkenntnis: Lieber zwei Babymonster als ein ausgewachsenes Satzungeheuer

Es macht ein Satzungetüm von 54 Wörtern Länge verständlicher, wenn man die Informationen in eine logische Reihenfolge bringt und sie dann auf zwei oder mehr Sätze aufteilt. Weitere Verständnisblocker lassen sich dann im nächsten Schritt beseitigen. Die an sich simple Methode („logische Reihenfolge herstellen und Infos auf mehrere Sätze aufteilen), lässt sich bei vielen Sätzen anwenden. Den Leser freut es.

*Frage: Gibt es von den geneigten LeserInnen dieses Blog Vorschläge, wie sich der Satz obendrein laienverständlich umformulieren lässt? Sachdienliche Hinweise gerne in den Kommentaren oder an engelken@klartext-anwalt.de – vielen Dank!

Mehr Tipps in Klartext für Anwälte, in der Stilfibel von Ludwig Reiners und in den Klartext-Seminaren.

Kategorie: Aktuelles, Anwaltsdeutsch Stichworte: Anwaltsdeutsch, Klartext, Stil, Textkritik

„Schreibe wie du sprichst“ – Sprachtipps für Juristen

15. April 2013 von Eva Engelken 2 Kommentare

Im heutigen Sprachtipp für JuristInnen geht es um die Frage, welche Vorteile die mündliche Ausdrucksweise hat.

„Schreibe, wie du sprichst!“

Sagt Ludwig Reiners, der Stilkritiker. Sich beim Schreiben an der mündlichen Ausdrucksweise zu orientieren, empfehlen auch Wolf Schneider oder Helmut Schmidts Redenschreiber Thilo von Trotha. Der Grund dafür dürfte sein, wie Ludwig Reiners mutmaßt, dass „ein Gespräch lebendiger ist als ein Buch“. Im Gespräch macht der Redner Pausen, er holt Atem und er guckt sein Gegenüber an, ob es ihn verstanden hat. Laut Ludwig Reiners bevorzugt die gesprochene Sprache den:

„bestimmten und entschiedenen Ausdruck statt des allgemeinen und unentschiedenen, den anschaulichen statt des abstrakten; sie stellt die Wörter nicht nach Regeln, sondern nach Gewicht; sie baut kurz beigeordnete Sätze, keine langen, verschachtelten; sie legt die entscheidende Mitteilung ins Zeitwort, nicht ins Hauptwort.“

All diese Merkmale führen dazu, dass der Text lebt – beim Zuhörer wird das Kopfkino angeworfen, er fühlt sich persönlich angesprochen und kann sich leichter eine eigene Meinung bilden.

Ein guter Redner liest seinen Vortrag nicht ab

Eigentlich sollte eine Rede ebenfalls die Regeln der mündlichen Ausdrucksweise beherzigen. Doch jeder, der schon mal gähnend in einem von Juristen gehaltenen Seminar saß, weiß, wie viele VortragsrednerInnen ihre Zuhörer vergessen haben. So wie mein Zivilrechtsprofessor, der nuschelnd und leiernd auf der Hörsaalbühne hin und her tigerte und höchstens aufsah, wenn er sich mit den Beinen im Mikrofonkabel verheddert hatte. Sie trauen sich nicht, frei zu reden, sondern lesen einfach ihren Vortragstext ab.

Das ist das Problem. Denn beim Schreiben lieben JuristInnen es:

  • Sich unentschieden auszudrücken: „…wird die Zukunft zeigen“, „bleibt abzuwarten“
  • Abstrakte Wörter zu benutzen: „Mit der Ausführung der Tat zu beginnen“.
  • Sätze nach allen Regeln der Kunst verschachteln: „Erst am 18. September 2012 und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO hat der Beschwerdeführer die rechtzeitig eingelegte Revision gegen das ihm am 17. August 2012 zugestellte Urteil begründet.“

Die juristische Rhetorik sollte sich am Mündlichen orientieren

Natürlich gibt es gute Gründe, warum JuristInnen so schreiben, wie sie schreiben. Doch wann immer möglich, sollten sie sich in ihren Texten um mehr „Mündlichkeit“ bemühen.

Sagt übrigens schon Fritjof Haft:

„Fast alle juristischen Überlegungen würden besser mündlich angestellt, und zwar im dialogischen Verfahren, weil hier Verständlichkeit, Trefflichkeit und Qualität der Argumente sofort in das Verfahren rückgekoppelt werden können.“

Natürlich weiß auch Haft, dass der Juristen- bzw. Anwaltsalltag stark von der Schriftproduktion geprägt ist. Aber er erinnert daran, dass die Anwaltstätigkeit im Kern der mit den Mitteln der Sprache geführte Kampf ums Recht ist. Die juristische Rhetorik ist „eine rhetorische Methode, um das Chaos sozialer Konflikte zu bewältigen.“

Und Rhetorik wiederum hat die Aufgabe zu:

  • docere et probare (belehren, argumentieren)
  • conciliare et delectare (gewinnen, erfreuen)
  • flectere et movere (rühren, bewegen).

Sagt sogar schon Aristoteles. Heißt für die juristische Textproduktion: Juristische Sprache – ob geschrieben oder gesprochen – soll nicht einschläfern, sondern bewegen. Damit das gelingt, sollten JuristInnen sich lebendig ausdrücken. Im Idealfall also schreiben, wie sie sprechen.

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Kategorie: Aktuelles Stichworte: Anwaltsdeutsch, Kommunikation, Rhetorik, Textkritik

Kein flauer Stil! – Sprachtipps für Juristen

8. April 2013 von Eva Engelken 10 Kommentare

Im heutigen Sprachtipp für Juristen geht es um die beliebte Satzeinleitung mit „es“, also um die umschreibende Ausdrucksweise.

Ludwig Reiners: „Schreiben Sie keinen flauen Stil! Vermeiden Sie es, den Ausdruck furchtsam durch Worte wie fast und wohl oder durch vermindernde und umschreibende Ausdrucksweise abzuschwächen.“

… sagte oder vielmehr schrieb Ludwig Reiners in seiner Stilfibel. Die Stilfibel ist eins der Bücher, die Juristen schon vor zwanzig Jahren empfohlen wurden, um damit ihre Sprache zu verbessern.

Und – hat es was genützt? Der Appell, die Klarheit ihrer Aussagen nicht durch eine umschreibende Ausdrucksweise abzumildern, ist bei den meisten Juristen verhallt.

Reiners: „Der Schaden ist groß: Das ist ein klarer Satz. Wer nicht den Mut hat, sich entschieden auszudrücken, schreibt stattdessen: Es wird mitgeteilt, dass mit der Entstehung eines nicht unbeträchtlichen Schadens zu rechnen sein dürfte.“

„Es wird mitgeteilt“, „Es ist davon auszugehen“, „In Anbetracht der gegebenen Umstände scheint ein Abwarten geboten zu sein“, „Es lässt sich so interpretieren“, „Es dürfte mit folgendem Ergebnis zu rechnen sein“ – immer, wenn Juristen Ross und Reiter nicht nennen wollen oder können, schieben sie das unpersönliche „Es“ vor. Das arme kleine „Es“ muss es ausbaden, wenn der Schreiber glaubt, keine klare Aussage machen zu können. Oft glaubt er nämlich nur, es nicht klar sagen zu können. Dabei geht das schon. Man muss nur wissen, wie.

Zweifel deutlich machen, Alternativen benennen, Mandanten das Leben erleichtern

Was kann man tun, um dem armen geplagten „Es“ ein bisschen Arbeit abzunehmen? Sich klar und präzise ausdrücken, Ross und Reiter nennen, Zweifel deutlich machen, Alternativen benennen. Den Mandanten oder den Leser einer rechtlichen Information freut es, wenn sein Rechtsanwalt oder seine Rechtsanwältin eine klare Ansage macht.

  • Statt „Es wird mitgeteilt“ –>“Wir informieren Sie“.
  • Statt „Es ist davon auszugehen“ –>“Wir gehen davon aus“, „Wir rechnen mit“, „Die Richter werden“ usw.
  • Statt „In Anbetracht der gegebenen Umstände scheint ein Abwarten geboten zu sein“ –>“Wir empfehlen Ihnen, noch [zwei Wochen] abzuwarten und erst dann zu reagieren. Aus folgenden Gründen: 1….,2…., 3….“.
  • Statt „Es lässt sich so interpretieren“ –>“Die Aussage X bedeutet Y“, „X meint entweder A oder B. Für A spricht…, für B spricht… Wir gehen davon aus, dass X A meint, aus folgenden Gründen: 1…., 2…, 3….“
  • Statt „Es dürfte mit folgendem Ergebnis zu rechnen sein“ –> „Wir rechnen mit folgendem Verfahrensausgang (Option A): …, Alternativ mit Option B….. Option A bedeutet für Sie…, Option B bedeutet für Sie…“

Kurz gesagt: Auch Juristen und Juristinnen können nicht in die Glaskugel schauen und die Zukunft vorhersagen oder in die Köpfe anderer Leute hineinblicken. Wohl aber können sie kraft ihrer Intelligenz Wahrscheinlichkeiten vorhersagen und Konsequenzen benenennen und daraus Schlussfolgerungen ableiten.

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Kategorie: Anwaltsdeutsch Stichworte: Amtsdeutsch, Anwaltsdeutsch, Sprachtipps

Anwälte und die Schönheit der denglischen Sprache

15. Februar 2012 von Eva Engelken 1 Kommentar

Für Sprachpuristen und Reinheitsfanatiker führt der Gebrauch von denglisch geradewegs in den Abgrund. Seit Jahrzehnten errichten sie daher fette Warnschilder, um ihre Mitmenschen vor dem Sturz in den Canyon der babylonischen Sprachverwirrung zu bewahren.

Alles vergeblich. Nicht einmal, wenn der Sprachpapst persönlich – auch Wolf Schneider genannt -, appelliert: „Speak German!“, hören die Deutschen hin. Selbst dann nicht, wenn auf dem gleichnamigen Buch ein Aufkleber (kein Sticker) pappt, auf dem Verkaufsschlager statt Bestseller steht.

Denglisch: des Anwalts liebstes Hobby

Geradezu taub gegenüber Warnungen vor dem übermäßigen Denglisch-Gebrauch sind deutsche Wirtschaftsanwälte.

Es ist durchaus möglich, dass solche Anwälte oder Anwältinnen gar kein Deutsch mehr sprechen können, es vielleicht verlernt haben. Websites wie etwa die von deweyleboeuf.com lassen nicht erkennen, ob die Berater in der sogenannten DACH–Region, also in Deutschland, Österreich und Schweiz, des Deutschen noch mächtig sind. Oder gar des Esterrräichischen oder dös Schwyzerdütschs.

Möglich ist aber auch, dass diese Anwälte und Anwältinnen gar nicht mehr deutsch sprechen dürfen. Vielleicht ist die gängige Formulierung in Stellenanzeigen – „wir erwarten verhandlungssicheres Englisch“ – in Wahrheit eine getarnte Warnung: „Ersetzen Sie ab sofort die Hälfte Ihres Wortschatzes durch englische Ausdrücke, sonst können Sie sich Ihren Jahresbonus in die Haare schmieren!“

Aber warum sollten Kanzleien derartige Sprachkodizes aufstellen? Hat eine in Deutschland tätige Sozietät einen Vorteil davon, wenn sie so spricht und schreibt, dass deutsche Muttersprachler nur die Hälfte verstehen? Und dass English Native-Speaker sich fragen müssen, was die Deutschen ihnen mit dem jeweiligen Wort eigentlich sagen wollen? Man denke nur an einen Begriff wie Public Viewing. Das meint auf Englisch eigentlich Leichenschau, wurde in Deutschland jedoch kreativ zweckentfremdet, um gemeinsames Fußballgucken auf Großleinwänden zu bezeichnen. Oder an englisch-deutsche Slogans, die weniger doppelt gut als doppelt dämlich sind, so wie der neue von Schlecker „for you, vor Ort“.

Biblische Namensgebung

Ein guter Grund, englische Begriffe zu verwenden, ist ihre Präzision. Viele häufig genutzte englische Begriffe geben Dingen im biblischen Sinne erstmals einen Namen. Ein Airbag ist etwas Neues und anderes als ein Luftkissen (@lieber Verein der Deutschen Sprache). Von einem guten Computer zu sprechen, ist eindeutiger, als von einem guten Rechner zu sprechen. Letzterer kann nämlich auch mit einem Schulranzen auf dem Rücken zur Grundschule marschieren und Kevin heißen.

Das ist in der Welt der Hochreck-Juristerei nicht anders. Dept Equity Swap ist der Name eines Sanierungsinstruments mit Hedgefonds-Beteiligung, also so etwas wie ein Rettungsboot von Heuschrecken. Die deutsche Bezeichnung „Gläubigerbeteiligung“ ist reichlich allgemein. Und der Begriff Associate, der selbst die Duden-Rechtschreibprüfung verwirrt, ist nicht ein verzichtbares Stück Denglisch, sondern die etablierte Bezeichnung des angestellten Anwalts respektive der Anwältin auf der Karriere-Eingangsstufe.

Sprachliches Reinheitsgebot? Sprache ist kein Bier

Diesen Zweck der Namensklarheit sollten sich jene zu Gemüte führen, die im Jahre 2012 pedantisch das sprachliche Reinheitsgebot verteidigen. Sie übersehen, dass es – anders als beim deutschen Bier – nie einen Status der sprachlichen Reinheit gab. Es gab immer nur einen Zustand der kreativen Zweckentfremdung und Weiterentwicklung der Sprache. Unsere schöne deutsche Sprache hat die unglaubliche Fähigkeit, sich Dinge anzueignen und dadurch besser zu werden. Das verbindet sie mit deutschen Industriemanagern und Erfindern, die sich auch seit jeher Dinge abgucken und etwas Besseres draus machen – wie seinerzeit schon Alfred Krupp, der aus England das Geheimnis der Stahlproduktion mitbrachte.

Nein, liebe Sprachpuristen, es ist keine Kapitulation vor der denglischen Invasion, wenn deutsche Kinder zu ihren elektronischen Mittelgroßrechenmaschinen „Computer“ sagen und die Tätigkeiten, mit denen sie sich vorm Hausaufgabenmachen drücken, als twittern, guugeln, tschätten, ssörfen oder skeipen bezeichnen. Wenn das Kind zu seiner Mutter sagt: „Mama, sorry, ich habe getschättet, anstatt mein Referat vorzubereiten“, kapituliert es nicht, es schöpft Sprache.

„Chinismen“ oder Anglizismen?

Im Grunde führen die angeblich so neuartigen Begriffe des Big Business nur back to the roots. Die Wurzeln der deutschen Sprache sind das Latein. Learnings und Meetings und Chief Executive Officers – alles denglische Wörter lateinischen Ursprungs. Auch die Projektierung, die Strukturierung, die Anleiheemission, der Konsortialkredit und die Restrukturierung kommen aus dem Lateinischen und fühlen sich hierzulande sehr wohl.
Ein weiterer Grund, weshalb englisch klingende Begriffe hierzulande Erfolg haben, ist ihr cooler Klang in westlich geprägten Ohren. Daran ist nichts auszusetzen. Ein wenig Denglisch-Tuning wirkt wie frischer Frühlingswind. Und wer weiß, wie lange noch? Womöglich hat China in 20 Jahren Amerika als sprachlicher Influencer verdrängt. Angesichts all der „Chinismen“ in unserer Sprache werden die Sprachpuristen dann dem guten alten Denglisch hinterweinen. Ach, was waren das für Zeiten, als es in deutschen Märchen noch hieß: „Heinrich, der Airbag platzt.“

Kategorie: Anwaltsdeutsch Stichworte: Anwaltsdeutsch, denglisch, Kanzleikommunikation, Klartext, Klartext für Anwälte, Kommunikation, Verständlichkeit

Fastenzeit – 7 Wochen ohne Anwaltsfloskeln!

9. März 2011 von Eva Engelken 1 Kommentar

Weg mit der MaskeEs ist Aschermittwoch und alle Narren und Närrinnen im Rheinland oder anderswo haben ihre Masken abgelegt, die Schminke abgewischt und die Kostüme in den Müll oder in die Waschmaschine gestopft. Höchste Zeit, auch hier im Klartextblog die Maske abzulegen. Sprechen wir Klartext und treten wir Worthülsen, Floskeln und anderen Schnickschnack in die Tonne.

Juristen lieben ja bekanntermaßen unpersönliche, relativierende und Distanz erzeugende Floskeln. Warum? Sie haben Furcht, sonst Farbe bekennen zu müssen. Was schreiben Juristen am liebsten ans  Ende eines juristischen Fachbeitrags? „Es bleibt abzuwarten.“

Anwaltsdeutsch dient oft als Maske

Aus Sicht eines Juristen oder eines Anwalts ist eine solche jedoch Formulierung sinnvoll, denn woher sollte er wissen, ob der Richter zu seinen Gunsten entscheidet (oder nicht?) und ob eine gesetzliche Neuregelung dringenden Handlungsbedarf auslöst (Bitte rufen Sie unverzüglich den Anwalt Ihres Vertrauens an!).

Eine solche Floskel hat nur einige Nachteile: Sie ist abstrakt, unpersönlich und die Verständlichkeit bleibt auf der Strecke. Und mehr noch: Mit einem wachsweichen „es bleibt abzuwarten“ gewinnt der Anwalt keinen Blumentopf.
Nicht beim Mandanten, der gerne einen eindeutigen Rat haben möchte, nicht in der Presse, die gerne eine dezidierte Meinung  zitieren möchte, nicht beim Leser der juristischen Fachzeitschrift (oder eines Blogs) und erst recht nicht im Fernsehen, wo sich schwammiges Gelabere einfach versendet.

Eine Formulierung wie „Es kommt darauf an“ oder „Es bleibt abzuwarten“, kaschiert also häufig Unwissen oder auch mangelnde Meinungsfreudigkeit.

Wenn Sie derjenige oder diejenige sind, die gerne mal eine Floskel wie „es bleibt abzuwarten“ benutzen, fragen Sie sich doch mal: Brauchen Sie die Floskel, um Umwissen oder mangelnde Meinungsfreudigkeit zu kaschieren? Oder geht es auch ohne?

Klare Ansagen sind besser als schwammige Formulierungen

Die Antwort lautet: Es geht auch ohne. Sie brauchen nicht hellsehen zu können, um sich klar ausdrücken zu können.

 

Nennen Sie die Handlungsmöglichkeiten und Konsequenzen und benennen Sie die Unsicherheiten sagen Sie, wie diese die Handlungsmöglichkeiten beeinflussen.

  • Wenn etwas strittig ist: Geben Sie die strittigen Punkte und ihre jeweiligen Konsequenzen wieder – und schon haben Sie die Antwort gegeben.
  • Wenn es zwei Positionen gibt: Wiederholen Sie beide und erklären Sie, zu welchem Ergebnis Position 1 kommt und zu welchem Ergebnis Position 2.

Wenn Sie diese (Steuer-)Gestaltung wählen, besteht die Unsicherheit, dass Sie eine Rückstellung bilden müssen, das hätte diese und jene Konsequenzen. Wenn Sie darauf verzichten, entgehen Ihnen diese und jene Vorteile… Sie haben also die Wahl zwischen X und Y. Vor dem Hintergrund von Z würde ich Ihnen empfehlen, sich für X zu entscheiden. Folgendes spricht wiederum aber auch für Y. Entscheiden Sie.

Juristische Fachbeiträge ermüden durch schwer verständliche Floskeln

Im persönlichen Gespräch gelingt es den meisten Menschen (und rhetorisch versierten Anwälten sowieso) meistens recht gut, solche unterschiedlichen Konsequenzen präzise und anschaulich darzustellen. Sehr viel schwerer fällt dies vielen juristischen Autoren in Fachbeiträgen. Warum sonst sollten sie sonst so gerne als letzten Satz schreiben, „Es bleibt abzuwarten“?

Dabei liegt auch hier die Lösung darin, die Sachverhalte und die Konsequenzen wiederzugeben und zu bewerten. Anders gesagt: Werden Sie deutlich, sagen Sie, was Sache ist und was Sie schlussfolgern und aus welchem Grund.

Wer auf die abstrakten Formulierungen verzichten will, muss Farbe bekennen

Beispielsatz vorher:

„Es bleibt abzuwarten, ob X das Verfahren gegen Y anstrengt“

Beispielsatz nachher:

„Noch ist nicht bekannt, ob X das Verfahren gegen Y anstrengt. Für X wäre es aus folgendem Grund wünschenswert, das Verfahren gegen Y anzustrengen.“

Weiteres Beispiel:

„Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde der Z blieb erfolglos. Es bleibt abzuwarten, ob eine Korrektur dieser Rechtsprechung in Straßburg erfolgen wird.“

Konkreter:

Z hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen (X) keinen Erfolg. Die einzige Möglichkeit für Z, in ihrer Angelegenheit doch noch eine für sie günstige Entscheidung zu bekommen, wäre ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg.

Sie sehen in beiden Beispielsätzen: Sprecher und Schreiber, die von der distanzierten, abstrakten, unpersönlichen und im Nominalstil gehaltenen Schreib- und Sprechweise abweichen wollen, müssen sich die Mühe machen, die Sachverhalte aufzuschlüsseln und präzise zu benennen.

Wer konkret wird, macht sich angreifbar, gewinnt aber Leser

Wer konkret werden will, muss die Fakten allerdings kennen. Die abstrakte Umschreibung von Sachverhalten hat den Vorteil, dass der Sprecher oder Schreiber die Dinge im Unklaren und Ungefähren lassen kann. Er kann mangelnde Kenntnisse kaschieren oder mangelnde Meinungsfreudigkeit. Obendrein klingen abstrakte Formulierungen juristischer und möglicherweise fachlich kompetenter.

Der Preis, den die Verwender solcher Formulierungen für diese Vorteile bezahlen, ist jedoch hoch.

  • Jeder Leser, der einen solchen Text lesen muss, in dem es vor lauter „bleibt-abzuwartens“ wimmelt, steigt früher oder später aus, weil er nicht mehr versteht, wovon überhaupt die Rede ist.
  • Wer gelesen werden will und wer im Gedächtnis bleiben will, muss auf unpersönliche Floskeln und Formulierungen verzichten. Kurz: Er muss die  Maske der Anwaltssprache ablegen.

Starten Sie jetzt in die Fastenzeit: 7 Wochen ohne Maske

Auf juristische Floskeln zu verzichten, ist nicht immer möglich und ganz einfach ist es auch nicht. Aber es geht. Mit ein bisschen Übung und etwas Mut lässt sich die Menge an pompösen Formulierungen durchaus ein wenig reduzieren. Probieren Sie es doch mal aus! Passend zu der heute beginnenden Fastenzeit, gönnen Sie sich einfach mal 7 Wochen ohne Maske.

Wollen Sie mehr dazu lesen? Hätten Sie gerne eine unterhaltsame Schritt-für-Schritt-Anleitung zu verständlicher und überzeugender Rechtssprache? Lesen Sie Klartext für Anwälte.

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Kategorie: Anwaltsdeutsch Stichworte: Anwaltsdeutsch, Buch, Floskeln, Kommunikationsratgeber

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