Vor einem Jahr schrieb ich in 111 Gründe, Anwälte zu hassen, Anwälte hätten ein Problem, gute Rechtsanwaltsfachangestellte zu finden. Das soll sich jetzt ändern. Zum 1. August tritt die neue ReNoPat-Ausbildungsverordnung in Kraft. Ich habe Personalvermittlerin Marion Proft, Inhaberin von LegalProfession, gefragt, was die Novelle bringt.
Frau Proft, in der neuen Ausbildung wird mehr Wert auf die Mandanten- oder Beteiligtenbetreuung gelegt. Außerdem lernen die künftigen Fachangestellten etwas über den elektronischen Rechtsverkehr, Grundzüge des Wirtschaftsrechts und Englisch? Haben wir jetzt eine attraktive und zeitgemäße Ausbildung?
Proft: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Die Ausbildungsverordnung ist ja nur in dem vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) vorgegebenen Rahmenplan verbindlich. Wie die Berufsschulden die Inhalte umsetzen, muss man abwarten. Bevor hier keine Lehrpläne aufgestellt sind, wird es schwierig. Noch schwieriger wird es dann in der praktischen Ausbildung. Ausbilder brauchen Informationen und eine Anleitung, um das Verordnete auch umzusetzen. Die zeitgemäße Ausbildung ist aber nur die eine Seite der Nachwuchssicherung. Es muss auch gelingen, genügend junge Menschen für den Beruf zu begeistern. Dann muss man Ausbilder finden, die den Rahmenlehrplan mit all seinen Anforderungen beherzt umsetzen und dann muss der Azubi noch drei Jahre durchhalten und die Kammerprüfung erfolgreich bestehen. Und zu guter Letzt muss er oder sie auch noch Lust haben, in diesem Beruf zu arbeiten. Das ist ein langer Weg und man läuft wohl Gefahr, die eine oder den anderen zu verlieren, denn Begeisterung, Durchhaltevermögen und Motivation kann man nicht verordnen.
Wer hat denn die größten Nachwuchsprobleme? Die Großkanzleien, der Mittelstand oder die Einzelanwälte?
Proft: Das Problem liegt in der Heterogenität des Anwaltsmarktes. Die Aufgaben und die Arbeitsweise der Marktteilnehmer sind sehr verschieden. Die Novellierung richtet sich an die klassischen Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte, nicht an die Großkanzleien. Die waren in dem Novellierungsprozess gar nicht vertreten.
Haben die Wirtschaftskanzleien kein Interesse an der ReNoPat-Ausbildung?
Proft: Die Wirtschaftskanzleien haben ganz andere Probleme mit der Ausbildung der Anwaltsassistenz, sind sie doch ein sehr separierter Teil des Anwaltsmarktes. Auf der einen Seite können sie die Ausbildungsinhalte der alten, wie der neuen Verordnung in der Praxis wenig abrufen, weil die Tätigkeit der Wirtschaftsanwälte eher beratend und weniger prozessual ist, andererseits lernt die ReNoPat in der Ausbildung an der Berufsschule nicht das, was in einer Law Firm von der Anwaltsassistenz erwartet wird.
Hilft die Novelle Groß- und Wirtschaftskanzleien also nicht? Zumindest Englisch soll doch jetzt Bestandteil der Ausbildung sein.
Proft: Nur bedingt. Denn selbst wenn der Rahmenausbildungsplan die fachbezogene Anwendung der englischen Sprache zumindest teilweise integriert, wird dies den tatsächlichen Anforderungen im internationalen Rechtsdienstleistungsmarkt nicht gerecht. Aber es ist nicht nur die notwendige fremdsprachliche Kompetenz, es ist zum Beispiel auch die Parkettsicherheit im internationalen Umfeld.
Woher soll die Parkettsicherheit für Großkanzleien kommen? Aus der Ausbildung?
Proft: Meine Kunden wünschen sich das, aber das ist in der Erstausbildung gar nicht darzustellen, das kann ein Oberstufenzentrum nicht leisten. Hier müsste man über eine Anschlussqualifizierung zum Beispiel für Fremdsprachenkorrespondenten nachdenken.
Wäre es da nicht besser, einen anderen Ausbildungsberuf zu favorisieren, zum Beispiel den Kaufmann für Büromanagement?
Proft: Und wer notiert dann die Fristen und macht bei Bedarf die Kostenrechnung nach RVG? So einfach ist das nicht, der Wirtschaftsanwalt wünscht sich bei Bedarf eine ReNo. Und das ist auch gut so, denn gerade die Vorschriften im Fristenwesen, hat der BGH trotz dem anerkannten Mangel an ausgebildeten Fachkräften nicht aufgehoben.
Zurück zu den kleineren Kanzleien. Warum findet man dort so wenig Bewerber für die ReNoPat- Berufe?
Proft: Vorweg, es ist nicht dem demografischen Wandel geschuldet. Die duale Berufsausbildung steht allgemein nicht hoch im Kurs bei den Abiturienten, man macht heute lieber einen Bachelorabschluss. Absolventen mit mittlerem Bildungsabschluss sind in der Zwischenzeit stark umworben von Industrie und Handel.
Machen die Kammern, die Kanzleien und die Verbände denn schon eifrig Werbung, um möglichst viele Absolventen für die reformierte Ausbildung zu begeistern?
Proft: Das sollten sie eigentlich tun. Im August beginnt das Ausbildungsjahr. Umso erstaunlicher ist es, dass weder vom BIBB noch vom RENO Bundesverband die verabschiedete Verordnung verbreitet wird, von den Kammern ganz zu schweigen. Selbst auf den Webseiten der Berufsschulen findet man noch die Ausbildungsverordnung von 1987.
Was können Kanzleien tun, um gute Azubis zu bekommen? Bei ihrer lahmen Kammer Sturm laufen?
Proft: In jedem Fall, obwohl das wohl eher langfristig etwas bewirkt. Mittelfristig sollte man eine Ausbildungsoffensive starten und gemeinsam werben. Ich habe zu diesem Zweck mein Informationsportal für die juristische Assistenz ins Leben gerufen. Hier findet der Bewerber nicht nur den Stellenmarkt, sondern vor allem Berufsorientierung und nützliche Informationen zu den Berufsbildern. Hier können Arbeitgeber und Ausbilder ihre Anzeigen schalten. Vor allem sollten alle Arbeitgeber ab sofort ihre Auszubildenden fordern, fördern und gut behandeln.
Zum Thema Employer Branding/Wie werde ich attraktiv für Azubis? unterhalten wir uns beim nächsten Mal. Für heute: vielen Dank für das Gespräch, liebe Marion Proft.