Es ist Aschermittwoch und alle Narren und Närrinnen im Rheinland oder anderswo haben ihre Masken abgelegt, die Schminke abgewischt und die Kostüme in den Müll oder in die Waschmaschine gestopft. Höchste Zeit, auch hier im Klartextblog die Maske abzulegen. Sprechen wir Klartext und treten wir Worthülsen, Floskeln und anderen Schnickschnack in die Tonne.
Juristen lieben ja bekanntermaßen unpersönliche, relativierende und Distanz erzeugende Floskeln. Warum? Sie haben Furcht, sonst Farbe bekennen zu müssen. Was schreiben Juristen am liebsten ans Ende eines juristischen Fachbeitrags? „Es bleibt abzuwarten.“
Anwaltsdeutsch dient oft als Maske
Aus Sicht eines Juristen oder eines Anwalts ist eine solche jedoch Formulierung sinnvoll, denn woher sollte er wissen, ob der Richter zu seinen Gunsten entscheidet (oder nicht?) und ob eine gesetzliche Neuregelung dringenden Handlungsbedarf auslöst (Bitte rufen Sie unverzüglich den Anwalt Ihres Vertrauens an!).
Eine solche Floskel hat nur einige Nachteile: Sie ist abstrakt, unpersönlich und die Verständlichkeit bleibt auf der Strecke. Und mehr noch: Mit einem wachsweichen „es bleibt abzuwarten“ gewinnt der Anwalt keinen Blumentopf.
Nicht beim Mandanten, der gerne einen eindeutigen Rat haben möchte, nicht in der Presse, die gerne eine dezidierte Meinung zitieren möchte, nicht beim Leser der juristischen Fachzeitschrift (oder eines Blogs) und erst recht nicht im Fernsehen, wo sich schwammiges Gelabere einfach versendet.
Eine Formulierung wie „Es kommt darauf an“ oder „Es bleibt abzuwarten“, kaschiert also häufig Unwissen oder auch mangelnde Meinungsfreudigkeit.
Wenn Sie derjenige oder diejenige sind, die gerne mal eine Floskel wie „es bleibt abzuwarten“ benutzen, fragen Sie sich doch mal: Brauchen Sie die Floskel, um Umwissen oder mangelnde Meinungsfreudigkeit zu kaschieren? Oder geht es auch ohne?
Klare Ansagen sind besser als schwammige Formulierungen
Die Antwort lautet: Es geht auch ohne. Sie brauchen nicht hellsehen zu können, um sich klar ausdrücken zu können.
Nennen Sie die Handlungsmöglichkeiten und Konsequenzen und benennen Sie die Unsicherheiten sagen Sie, wie diese die Handlungsmöglichkeiten beeinflussen.
- Wenn etwas strittig ist: Geben Sie die strittigen Punkte und ihre jeweiligen Konsequenzen wieder – und schon haben Sie die Antwort gegeben.
- Wenn es zwei Positionen gibt: Wiederholen Sie beide und erklären Sie, zu welchem Ergebnis Position 1 kommt und zu welchem Ergebnis Position 2.
Wenn Sie diese (Steuer-)Gestaltung wählen, besteht die Unsicherheit, dass Sie eine Rückstellung bilden müssen, das hätte diese und jene Konsequenzen. Wenn Sie darauf verzichten, entgehen Ihnen diese und jene Vorteile… Sie haben also die Wahl zwischen X und Y. Vor dem Hintergrund von Z würde ich Ihnen empfehlen, sich für X zu entscheiden. Folgendes spricht wiederum aber auch für Y. Entscheiden Sie.
Juristische Fachbeiträge ermüden durch schwer verständliche Floskeln
Im persönlichen Gespräch gelingt es den meisten Menschen (und rhetorisch versierten Anwälten sowieso) meistens recht gut, solche unterschiedlichen Konsequenzen präzise und anschaulich darzustellen. Sehr viel schwerer fällt dies vielen juristischen Autoren in Fachbeiträgen. Warum sonst sollten sie sonst so gerne als letzten Satz schreiben, „Es bleibt abzuwarten“?
Dabei liegt auch hier die Lösung darin, die Sachverhalte und die Konsequenzen wiederzugeben und zu bewerten. Anders gesagt: Werden Sie deutlich, sagen Sie, was Sache ist und was Sie schlussfolgern und aus welchem Grund.
Wer auf die abstrakten Formulierungen verzichten will, muss Farbe bekennen
Beispielsatz vorher:
„Es bleibt abzuwarten, ob X das Verfahren gegen Y anstrengt“
Beispielsatz nachher:
„Noch ist nicht bekannt, ob X das Verfahren gegen Y anstrengt. Für X wäre es aus folgendem Grund wünschenswert, das Verfahren gegen Y anzustrengen.“
Weiteres Beispiel:
„Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde der Z blieb erfolglos. Es bleibt abzuwarten, ob eine Korrektur dieser Rechtsprechung in Straßburg erfolgen wird.“
Konkreter:
Z hatte mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen (X) keinen Erfolg. Die einzige Möglichkeit für Z, in ihrer Angelegenheit doch noch eine für sie günstige Entscheidung zu bekommen, wäre ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg.
Sie sehen in beiden Beispielsätzen: Sprecher und Schreiber, die von der distanzierten, abstrakten, unpersönlichen und im Nominalstil gehaltenen Schreib- und Sprechweise abweichen wollen, müssen sich die Mühe machen, die Sachverhalte aufzuschlüsseln und präzise zu benennen.
Wer konkret wird, macht sich angreifbar, gewinnt aber Leser
Wer konkret werden will, muss die Fakten allerdings kennen. Die abstrakte Umschreibung von Sachverhalten hat den Vorteil, dass der Sprecher oder Schreiber die Dinge im Unklaren und Ungefähren lassen kann. Er kann mangelnde Kenntnisse kaschieren oder mangelnde Meinungsfreudigkeit. Obendrein klingen abstrakte Formulierungen juristischer und möglicherweise fachlich kompetenter.
Der Preis, den die Verwender solcher Formulierungen für diese Vorteile bezahlen, ist jedoch hoch.
- Jeder Leser, der einen solchen Text lesen muss, in dem es vor lauter „bleibt-abzuwartens“ wimmelt, steigt früher oder später aus, weil er nicht mehr versteht, wovon überhaupt die Rede ist.
- Wer gelesen werden will und wer im Gedächtnis bleiben will, muss auf unpersönliche Floskeln und Formulierungen verzichten. Kurz: Er muss die Maske der Anwaltssprache ablegen.
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Auf juristische Floskeln zu verzichten, ist nicht immer möglich und ganz einfach ist es auch nicht. Aber es geht. Mit ein bisschen Übung und etwas Mut lässt sich die Menge an pompösen Formulierungen durchaus ein wenig reduzieren. Probieren Sie es doch mal aus! Passend zu der heute beginnenden Fastenzeit, gönnen Sie sich einfach mal 7 Wochen ohne Maske.
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