Gefragt, wie das Geheimnis guter Texte lautet, antworte ich: „Ganz einfach: Sie schmecken dem Leser und erreichen ihr Ziel.“
Dann kommt die nächste Frage: „Und wie schreibt man solche Texte?“
Ganz einfach: Legen Sie fest:
„Was will ich mit dem Text erreichen?“ Und: „Wer soll ihn lesen?“
Schritt 1: Zielgruppe definieren
Überlegen Sie als Erstes: Wen wollen Sie erreichen, wer soll Ihren Text verstehen und danach handeln? Also, wer ist Ihre Zielgruppe?
Als Jesus seine Bergpredigt hielt, hatte er Hunderte einfacher Juden vor sich – Handwerkerinnen, Bäuerinnen, Arbeiter, Händler, Fischer, von denen die meisten nicht lesen und schreiben konnten. Also sprach er so einfach und bildlich, dass auch der letzte Schafhirte ihn verstehen konnte. Ergebnis: Seine Weisheiten und Appelle werden bis heute gelesen, die Bibel ist das meistverkaufte Buch der Welt.
Schritt 2: Ziel definieren
Überlegen Sie als Zweites: Was wollen Sie mit dem Text erreichen? Was soll der Leser denken, tun, lassen, wenn er Ihren Text gelesen hat? Was ist das Ziel des Ganzen?
Als Anwalt Justus Borgmann aus Wuppertal (Name geändert), 1985 seinem neuen Mandanten mit seinen Fachkenntnissen imponieren wollte, obgleich er lediglich ein routinemäßiges Mahnschreiben an dessen Mieter aufsetzen musste, formulierte er einen derart feurigen Briefentwurf, dass der Mandant vor Ehrfurcht ganz rote Ohren bekam, ob der Erstklassigkeit seines Rechtsberaters, und als der Mieter bezahlt hatte, den Anwalt sogleich seiner Schwägerin und ihrem gesamten Tennisklub empfahl. Ergebnis für den Anwalt: jährliches Auftragsvolumen von 100.000 Euro alleine aus den Kreisen des Tennisklubs. Sein Markenzeichen bis heute: die filigran ornamentierten Schriftsätze, über die sich sogar die Richter amüsieren.
Textanalyse
Im ersten Fall – der Bergpredigt – bestand die Kunst darin, das Anliegen des Texts bzw. der Rede so einfach und plastisch zu formulieren, dass auch einfach gestrickte Menschen die Botschaften unmittelbar begreifen konnten. Im zweiten Fall – den Schriftsätzen – bestand die Kunst des Anwalts darin, eine vergleichsweise einfache Aufforderung derart kunstvoll zu stellen, dass der Mandant zwar die einzelnen Sätze nicht mehr verstand, aber sofort begriff, dass er hier einen engagierten Anwalt vor sich hatte, der seine ganze Kunst dazu einsetzte, ihm zu seinem Recht zu verhelfen.
Was lernen wir daraus? Wer gelesen und erhört werden will, sollte sich Gedanken machen, wie sein Gegenüber tickt. Und sich dann daran machen, den Text entsprechend zu verändern. Das kann heißen: Text vereinfachen, Text anschaulicher machen, Text kürzen, Text aufbauschen, etc. Die folgenden Zielfragen helfen, einzuordnen, in welche Richtung die Optimierung gehen sollte.
Zielfragen der Sprachoptimierung
- Wie gebildet ist mein(e) Leser(in)?
- Welche Fachbegriffe/Fremdwörter versteht er/sie?
- Wie viel Zeit hat mein(e) Leser(in), sich mit meinem Text zu beschäftigen?
- Wozu braucht mein(e) Leser(in) meine Informationen?
- Was will ich mit dem Text erreichen?
- Worüber will ich informieren?
- Was soll mein(e) Leser(in) tun, wenn er/sie meinen Text gelesen hat?
Mehr Tipps in Klartext für Anwälte und in den Klartext-Seminaren.
Ursula Meyer meint
Ich mag solche Beiträge deshalb nicht, weil ihr Inhalt stets vorhersehbar ist: einfache Sätze schreiben, sich am Empfänger orientieren, allzu Aufgebauschtes könnte gestrig oder gar lächerlich wirken usw., die Angst, man könne so nicht mehr modern Kommunizieren, wird gekitzelt.
Aber wenn ich die Stanze anwerfe, um jemanden fernschriftlich dazu zu veranlassen, das zu tun, was ich will, dann habe ich die besten Erfahrungen mit 1.5-Zeilenabstand und juristischen Abhandlungen vom Feinsten, selten unter 4 Seiten, höchstselten unter 3. Noch ein paar Aktenzeichen oder Kommentarzitate gestreut, ein dezenter Hinweis auf die Kostenlast und die Leute verwandeln sich in fernsteuerbare Mutanten.
Versuche ich es hingegen im menschlichen Ton, sinkt die Erfolgsquote für den ersten Anlauf auf unter 60%.
Eva Engelken meint
Hallo Frau Meyer,
danke für Ihren Kommentar. Ja, es stimmt, die Tipps sind immer ähnlich, werden aber trotzdem oft nicht befolgt. Ihr Beispiel zeigt aber, dass Sie sich – im Gegensatz zu manchem Kollegen – sehr genau am Empfänger orientieren. Sie wissen, dass wie Sie bei ihm Empfänger Eindruck schinden und setzen Ihre Schreiben entsprechend auf. Weiter so :-)
Bernd meint
Ich halte das für ein Klischee, dass Anwälte / Juristen nicht richtig kommunizieren können.
Es ist nun einmal schwierig, teilweise komplexe Formulierungen des Gesetzgebers / der Gericht so umzuformulieren, dass man den Inhalt nicht verfälscht.
Es ist dabei leichter, „einfach gestrickten Menschen“ durch Umschreibungen das näher zu bringen, als dem vermeintlich Gebildeten.
Sprechen Sie mal z.B. mit einem Handwerker, der schmeißt auch nur mit Begriffen um sich, die man nicht auf Anhieb versteht. Da darf man sich auch nicht scheuen, zu seiner Unwissenheit zu stehen und nachzufragen, bis man es verstanden hat.
Das hat aber nichts mit der privaten Kommunikation zu tun. Ich habe eher die Erfahrung gemacht, dass die meisten Juristen sehr kommunikativ sind. Klar gibt es da auch Schwafler, aber der Prozentsatz ist zu anderen Berufsgruppen eher gering.
Gustav meint
es ist glaube ich leider kein Klischee. Ich habe mich auch 25 Jahre dagegen gesträubt. Die Erkenntnis ist aber, dass Juristen jedenfalls im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit einen Coach brauchen. Ein Coach ist jemand, der auf die Fehler des Sportlers aufmerksam macht. Aber nicht jemand, der selber spielt. Die Möglichkeiten, in diesem Sinne einen Coach einzusetzen, sinken, je mehr die Kommunikation sich auf die Kerntätigkeit des Juristen konzentriert (juristische Gutachten und Beratungen, Kommunikation mit Gerichten etc).