Der Kritiker Marcel Reich-Ranicki hätte vielleicht gesagt, „das ist ein wichtiges Buch“. Der Rechtsmarkt in Deutschland, herausgegeben von Markus Hartung und Thomas Wegerich, beleuchtet jedenfalls alles, was 2014 für das Unternehmen Kanzlei wichtig ist.
Es beginnt mit einer Bestandsaufnahme des Kanzleimarktes und der wichtigstens Trends. Dann folgen Abschnitte zu Managementfragen, Partnerwerdung, Personalentwicklung, Marketing und Vertrieb, dem sogenannten Business Development, zum Pricing und zum Legal Process Outsourcing.
Vom exzellenten Juristen zur hervorragenden Anwaltspersönlichkeit
Darunter findet sich viel Nützliches für die strategisch angelegte Kanzleiführung. Hilfreich sind etwa die Recruiting-Überlegungen von Ina Steidl, wie man auch für nicht zum Partner werdende „Dauerangestellte“ eine „Atmosphäre des Gern-halten-Wollens“ erzeugen kann. Das gleiche gilt für die „Best Practice“-Schildung von Astrid Arndt (Hengeler Mueller) zur Entwicklung „exzellenter Juristen“.
Eine gute Ergänzung wären Tipps zum nicht-juristischen Personal gewesen. Schließlich helfen auch exzellent geschulte Sekretärinnen, sich in dem von den Herausgebern skizzierten „dramatisch wandelnden Umfeld“ zu behaupten.
Wer Honorar verlangt, muss Leistungskennzahlen liefern
Aufschlussreich ist der Buchabschnitt „Geld“; etwa die Ausführungen von Silvia Hodges Silverstein zum Einkauf von Rechtsdienstleistungen anhand von Leistungskennzahlen und Benchmarking. Oder die Analyse zur Partnervergütung von Michael Roch und Rupprecht Graf von Pfeil. Systematisch hätte der Buchabschnitt zum Legal Process Outsourcing als Methode, kostengünstig Qualität zu liefern, auch hierher gepasst.
Das Buchkapitel „Trends“ präzisiert die Erkenntnisse aus der 2013 veröffentlichten „Zukunftsstudie“ vom Deutschen Anwaltverein. Die Analysen der Marktsegmente und Wachstumsstrategien runden die Bestandsaufnahme im ersten Kapitel ab, darunter etwa der Beitrag von JUVE-Gründer Aled W. Griffiths über die Wirtschaftskanzleien in Deutschland.
In der Summe liefern die 3 Buchkapitel mit ihren 36 Unterkapiteln eine beeindruckende Fülle von Erkenntnissen, was die Investition von 79,90 Euro allemal rechtfertigt. Leider ist das Buch trotzdem kein reines Lesevergnügen. Das verhindern seine etwas juristentypische Langatmigkeit (das Buch umfasst 518 Seiten) und sein nicht ausgeschöpftes Optimierungspotenzial in Sachen Übersichtlichkeit und Layout.
Weniger Schwafelsätze = mehr Prägnanz
Natürlich darf und soll ein großer Marktüberblick viele Seiten beanspruchen. Doch weniger wäre mehr gewesen. Eine Lektoratsanordnung, jeden Autorenbeitrag um ein Fünftel zu kürzen, hätte ohne Abstriche beim Inhalt zu mehr Prägnanz geführt. Leser wären sicher bereit, dafür auf anwaltstypische Schwafelsätze zu verzichten.
Beispiel: „Von Bedeutung erschien es den Partnern dabei, sowohl von einer starken Mandantenbindungskraft der Individuen als auch von einem übergeordneten guten Ruf der Kanzlei insgesamt profitieren zu können.“
Knapper: „Den Partnern war es wichtig, von den beständigen Mandantenbeziehungen und dem guten Ruf der Kanzlei zu profitieren.“
Wiederholungen ermüden den Leser
Auch hätten alle Kapitel auf den Prüfstand gekonnt, die sich mit anderen überschneiden. Das durchzusetzen, ist bestimmt nicht leicht, wenn man als Herausgeber einen Pool von 34 Autorenpersönlichkeiten (28 Männer, 6 Frauen) am Start hat. Doch wie schon der erste Leiter der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, Ferdinand Simoneit, immer sagte: „Der Leser ist froh über jeden Satz, den er nicht lesen muss.“
Wiederholungen finden sich in den vielen Vorabbemerkungen und Einführungen ebenso wie in der Bestandsaufnahme des Kanzleimarktes und den „Trends“. So gibt es die Typisierung von Kanzleien einmal vom DAV-Präsidenten Wolfgang Ewer und einmal vom Kanzleiberater Volker Tausch. Natürlich darf ein Buch ein und dasselbe Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, aber es sollte dem Leser oder der Leserin die Frage ersparen, „Moment, habe ich das weiter vorne nicht schon einmal gelesen?“
Tipp für Neuauflage: Mehr Lesehilfen für eilige Leser
Verbesserungspotenzial gibt es auch bei der Gliederung. Ich bin kein Fan der bis aufs I-Tüpfelchen durchstrukturierten Bücher aus dem Verlag C.H.Beck. Trotzdem habe ich beim „Rechtsmarkt“ Service in Form von Lesehilfen vermisst. Etwa Kopf- und Fußzeile, Randzeichen, durchgängig nummerierte (Zwischen)Überschriften, und am Ende ein ausführliches Namens- und Sachverzeichnis. Ohne solche Elemente kommt das Buch eher daher wie eine Essaysammlung als wie ein Praxisratgeber, und es ist schwierig, rasch mal einen nützlichen Tipp wieder zu finden.
Der Leser oder die Leserin muss also selber mit kleinen Post-It-Zettelchen aktiv werden und sich alle wichtigen Empfehlungen in eine To-do-Liste für die Kanzleiführung übertragen. Wer sich allerding eine solche Liste erstellt und sie gewissenhaft abarbeitet, dürfte gut gerüstet sein, um sich auch künftig erfolgreich auf dem Rechtsmarkt in Deutschland zu behaupten.
Alexander Schultz meint
Danke fuer die ungeschminkte Rezi. Vermutlich selbst bezahlt? :-)
Eva Engelken meint
Nein, vom Verlag zugeschickt bekommen, weil ich darum gebeten hatte, das Buch zu lesen und zu rezensieren.