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Kommunikation: Reden Männer anders als Frauen?

8. Januar 2017 von Eva Engelken 2 Kommentare

Klartext schmeckt - greifen Sie zu!
Klartext schmeckt – greifen Sie zu!

Sven Oswald und Daniel Finger von radioeins haben mich am 8.1. in der Sendung „Zwei auf eins“ gefragt, Kommunizieren Männer anders als Frauen? (hier zu den 3 Fragen im Radio, Minute: 11:48). Und hier ein paar ausführlichere Gedanken dazu:

Gibt es Unterschiede? Und wenn ja, woher kommen sie?

Ja, Frauen und Männer drücken sich unterschiedlich aus. Das liegt nicht an der Biologie, sondern an unterschiedlichen Rollenerwartungen. Auch wenn sie in einer modernen gleichberechtigten Gesellschaft antiquiert erscheinen, beeinflussen sie die Kommunikation von Männnern und Frauen. Der Blogbeitrag analysiert die Unterschiede und gibt Tipps, wie man damit clever umgeht.

Die Stimmlage von Frauen ist tiefer geworden

Die entspannte Sprechlage liegt bei Frauen bei 220 Hertz, bei Männern bei 120 Hertz. Interessante Beobachtung: Durchschnittlich hat sich die durchschnittliche Stimmlage in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten um 2-3 Halbtöne gesenkt. Der Grund ist die fortgeschrittene Emanzipation von Frauen. Anschaulich wird der Unterschied an Filmen von damals und heute: Da die zarten, piepsigen Stimmen von Romy Schneider oder Heidi Kabel aus einem Heimatfilm aus den 60er oder 70er Jahren, dort die tiefen Stimmen einer Maria Furtwängler oder Ulrike Folkerts aus einem Tatort von heute.

Sonore Stimme = Führungsstärke

Frauen in Führungspositionen wissen schon seit seit jeher, dass frau sich mit einem maskulineren Auftreten besser durchsetzt: So soll sich Margret Thatcher, britische Premierministerin von 1979 bis November 1990, bewusst eine tiefe Stimme antrainiert haben. Andererseits halten Männer Frauen für attraktiver, die relativ hoch und zart sprechen. An fruchtbaren Tagen wird die Stimmlage von Frauen höher. Soweit zu den Unterschieden in der Stimmhöhe.

„Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“

Doch was ist mit dem Inhalt der Sprache? Was Frauen und Männer sagen, wird nicht von der Biologie bestimmt. Die Annahme, dass Frauen und Männer unterschiedliche Gehirne hätten, ist widerlegt. Genetisch sind Männer und Frauen zu 99 Prozent gleich. Sogar die ach so unterschiedlichen Geschlechtsorgane ähneln sich in ihrer Zellstruktur frappant.

„Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“,

schrieb die berühmte französische Philosophin Simone de Beauvoir 1949 in einem Essay. Sie meinte damit, dass das Verhalten einer Frau und eines Mannes durch Rollenerwartungen geprägt wird.

Die Steinzeit lässt grüßen

Diese traditionellen Rollenbilder sehen den Mann als Jäger und Sammler, der aggressiv herrschen und beschützen musste, während die Frau die Kinder erziehen und die Gemeinschaft zusammenhalten musste.

Wikipedia: 

„Die historische Perspektive des Mannes als Jäger und Sammler, konkurrierend mit anderen Männern um Nahrung, Ressourcen und Frauen und mit geringen Investitionen in die Erziehung der Kinder, ist konsistent mit der Entwicklung von speziell männlichen Eigenschaften wie Aggression, Konkurrenz und Raumvorstellung. Bei Frauen standen wahrscheinlich Kindererziehung und die Fähigkeit, in einer kooperativen Gemeinschaft zu überleben, im Vordergrund, was die Herausbildung von kommunikativen und sozialen Fähigkeiten beförderte…“

Das Patriarchat beeinflusst Verhalten und Kommunikation

Nun ist die Steinzeit lange vorbei, gleichwohl haben es die herrschenden Instanzen geschafft, über Jahrtausende eine patriarchale Gesellschaftsordnung zu etablieren und immer wieder neu zu begründen. Diese patriarchale Gesellschaftsordnung hat sich nicht nur in den Rechtsnormen und dem Verhalten, sondern auch in der Sprache niedergeschlagen. Man kann also sagen, dass auch die unterschiedliche Art, wie Männer und Frauen kommunizieren, von Geschlechtsnormen geprägt sind.

Stereotyp: Männer behaupten sich, Frauen stellen Nähe her

Die sprachlichen Geschlechtsnormen besagen kurz gefasst:

  • Männer setzen die Sprache ein, um Hierarchien zu festigen und ihre Machtposition auszubauen.
  • Frauen, die zuständig sind für das Aufrechterhalten sozialer Beziehungen, reden, um Nähe und Gemeinschaft herzustellen.

Reden Männer „hart wie Kruppstahl“?

Von Adolf Hitler stammt der Ausspruch, die deutsche männliche Jugend müsse sein:

„flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.“

Hitlers Ziel war es, einen neuen Mann zu erziehen. „Das Schwache muss weggehämmert werden“, verkündete er. Gottseidank hat Deutschland den 2. Weltkrieg verloren und ist das Dritte Reich zusammengebrochen. Dennoch wirkt es im Verhalten und eben auch in der Sprache nach. Besonders nachdrücklich wirkt das in der Generation der Kriegskinder von 1939 bis 1945. Männer aus dieser Generation tun sich traditionell besonders schwer Gefühle zu äußern. Daran haben besonders ihre Söhne bis heute zu knabbern.

Geschlechterstereotypen – Beispiele

Im Grunde hat jedes traditionelle männliche und weibliche Rollenverhalten ein sprachliches Pendant.

Rolle im öffentlichen Raum

Männer nehmen mehr Raum ein, beanspruchen mehr Redezeit bei öffentlichen Auftritten. Frauen halten sich eher zurück.

Rolle bei Gehaltsverhandlungen

Von Männern wird erwartet, dass sie offensiv für ihren eigenen Standpunkt werben, ohne dass man ihnen deshalb Egoismus anlastet. Frauen, die allzu offensiv für ihre Belange eintreten, werden leicht als kalt und berechnend wahrgenommen.

Machtbewusstsein und Eigenlob

Männern wird ohne Probleme zugestanden, dass sie ihre Leistungen hervorheben, während man von Frauen traditionell Bescheidenheit erwartet.

  • Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Facebook-Vorstandfrau Sheryl Sandberg. Sie beschreibt in ihrem autobiografischen Sachbuch „Lean In – Frauen und der Wille zum Erfolg“, wie sie als Jahrgangbeste einmal ein Henry-Ford-Stipendium bekommen habe. Das habe sie jedoch verschwiegen, aus Angst, von ihren benotenden Professoren als egoistisch wahrgenommen und nicht mehr gemocht zu werden.

Umgang mit Ängsten und Schwächen bei Männern und Frauen

Frauen, die traditionell als das schwache Geschlecht gelten, dürfen bis zu einem gewissen Grad auch in der Öffentlichkeit Schwächen eingestehen und Rat und Trost erbitten.

  • Ein Beispiel ist die traditionelle Freundinnenclique, die sich alles gesteht und Freundschaft daran misst, wieviele Geheimnisse man sich erzählt. Mein eigenes Beispiel ist mein Netzwerk Texttreff, in dem jederzeit um Hilfe gefragt werden kann.

Gemeinnützige Tätigkeiten

Von Frauen wird erwartet, dass sie vielfältiges ehrenamtliches Engagement zeigen. Etwa im Umfeld von Kindererziehung, Schule und Altenpflege vom Kuchenbacken bis zum Besuchsdienst. Würde sich eine Frau ständig für all ihre unbezahlten Tätigkeiten loben, würde dies als unpassend wahrgenommen. Würde sie hingegen Hilfsdienste kategorisch verweigern, würde man sie als kalt und egoistisch wahrnehmen. Männer, die sich ausnahmsweise gemeinnützig engagieren, dürfen dagegen mit Erstaunen und Lob rechnen und müssen keine tadelnden Blicke fürchten, wenn sie sich bei Hilfsdiensten vornehm zurückhalten.

Bei Nichtbefolgen der traditionellen Geschlechtsnormen droht Strafe

Sowohl die gesellschaftlichen als auch die daraus folgenden sprachlichen Geschlechtsnormen wirken wie gewöhnliche Gesetze: Wer gegen sie verstößt, wird bestraft. Das trifft emanzipierte Frauen gleichermaßen wie Männer, die sich dem Stereotyp des harten, keine Gefühle zeigenden Cowboys verweigern. Also eigentlich uns alle.

  • Als berufstätige Mutter, die nicht alle naslang mit einem selbstgebackenen Kuchen in der Grundschule aufläuft, muss ich mir das leichte Naserümpfen einer stets präsenten Supermutti gefallen lassen.
  • Männer, die dem traditionellen Bild des Indianers, der keinen Schmerz zeigt, entsprechen wollen, tun sich keinen Gefallen, wenn sie Unsicherheiten oder gar Ängste oder psychische Probleme ansprechen.

Sprachlich drückt sich das in Beschimpfungen à  la „du Mädchen“ aus. „Mädchen“ ist ja per se keinesfalls ein Schimpfwort. Aber es verdeutlicht dem als Mädchen bezeichneten Mann, dass er gegen traditionelle Geschlechternormen verstoßen habe.

Clinton gilt als „machtgeil“, Trump als „ehrlich“

Wer es als Frau wagt, offen Macht anzustreben, lehnt sich gegen die traditionelle dienende Rolle der Frau auf und wird entsprechend hart sanktioniert.

  • Prominentestes aktuelles Beispiel dürfte Hillary Clinton sein, die am 8. November 2016 Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl unterlag. Die erfahrene und in jeder Hinsicht für das Amt geeignete Politikerin hatte einen Hauptmakel, der darin bestand, dass sie eine Frau war. Bezeichnend in dem zur Schlammschlacht ausartenden Wahlkampf war, dass Donald Trump sich eine sprachliche Entgleisung nach der anderen leistete, ungeniert log und beleidigte und dennoch von seinen Anhängern gefeiert wurde, weil mit ihm „endlich mal jemand wagte, zu sagen, was Sache war“. Hillary Clinton hingegen wurde als zickig, berechnend, gar als Hexe beschimpft. Übrigens auch von Frauen.

Sanktionen gegen Frauen kommen oft auch von Frauen

Das Perfide an den geschlechtlichen Sprachnormen ist, dass sie auch vom eigenenen Geschlecht durchgesetzt werden. Bzw. dass Männer andere Männer abqualifizieren, wenn sie verstoßen und dass Frauen anderen Frauen zusetzen.

  • Man denke an die katholische Kirche, die Priester bestraft, wenn sie sich zu ihrer Homosexualität bekennen. Oder an die schon genannten Männer, die andere Männer als „Mädchen“ oder als „Schwuchtel“ abqualifizieren.

Frauen tragen bewusst und unbewusst andauernd dazu bei, dass gesellschaftliche und in der Folge auch sprachliche Gesellschaftsnormen von anderen Frauen eingehalten werden.

  • Beispiel Hillary Clinton. Ich persönlich wäre davon ausgegangen, dass quasi jede Frau in den USA Hillary Clinton wählen würde, alleine, weil sie eine Frau ist. Doch das war nicht der Fall. Zwar haben deutlich mehr Frauen Clinton ihre Stimme gegeben als Trump, aber es gab auch viele, die Hillary Clinton aufs schärfste verurteilt haben.

Frauen fühlen sich minderwertig und halten andere Frauen klein

Warum ist das so? Die US-amerikanische Feministin Gloria Steinem hat beobachtet, dass viele der sogenannten „Hillary Haters“ sogar Hillary Clinton ähnelten: Sie waren weiß, gebildet und mit einflussreichen Männern liiert. Der Unterschied war: Diese Frauen waren trotzdem nicht so stark und unabhängig wie Hillary Clinton. Deshalb mochten sie Hillary Clinton nicht, weil sie ihnen mit ihrer Stärke und Unabhängigkeit auf brutalste zeigte, wo ihr eigenes Leben nicht in Ordnung war. Ihnen wurde bewusst, dass sie von ihren Männern nicht als gleichberechtigt behandelt wurden, dass sie betrogen wurden und sie ihre Männer nicht verlassen konnten und vieles mehr.

Wer sich nicht kleinmacht, wird kleingemacht

Der Grund für ihre Abwertung von Clinton waren also Neid und Minderwertigkeitsgefühle. Hillary war ursprünglich wie sie, aber sie weigerte sich, deshalb so unerfolgreich zu sein wie sie. Deshalb verzichteten diese Frauen aus persönlichem Neid darauf, sie zu wählen und möglicherweise eine weibliche Präsidentin zu bekommen, mit der sich vielleicht das Leben für alle von ihnen verbessert hätte.

  • Ein solches Verhalten beobachte ich manchmal auch in Frauennetzwerken. Statt sich unbedingt zu fördern, weil es der Sache dient, werden zu großer Erfolg und mangelndes „sich-klein-Machen“ als ungebührliches Herausstechen aus der Masse werden mit Missgunst und Neid bestraft.

Traditionelle Sprachnormen machen Männern das Leben schwer

Nun leiden unter Geschlechterstereotypen nicht nur Frauen. Auch Männer leiden daraunter. Das traditionell männliche „Nicht-über-Gefühle sprechen“ und „Gefühle-nicht-verarbeiten“ führt bei Männern in der Lebensmitte nicht selten zu psychischen Krisen. Oft eskalieren sie in Alkoholsucht, im Suizid, der dreimal so oft von Männern wie von Frauen begangen wird. Auch der sogenannte erweiterte Suizid, der eigentlich ein Mord mit anschließender Selbsttötung ist, wird zu 90 Prozent von Männern begangen.

Auch weitere Aggressionen aller Art finden sich viel öfter bei Männern als bei Frauen. Die einzige wirksame Hilfestellung: Die Männer kriegen doch noch rechtzeitig die Kurve und finden zur richtigen Zeit einen einfühlsamen Zuhörer oder eine Zuhörerin, die ihnen beim Verarbeiten ihrer Probleme hilft. Häufig ist diese Person eine Frau.

Die Ideallösung: Vielfalt und Gleichberechtigung für alle

Wünschenswert für alle ist eine Gesellschaft, in der auch Männer Schwächen und Gefühle zeigen und artikulieren können und in der Frauen Verantwortung und Machtpositionen anstreben dürfen. Um dahin zu kommen, hilft es, sich die Stereotypen von Mann und Frau klarzumachen und die sprachlichen Pendants dazu. Und dann in im Alltag Bingo zu rufen, wenn man erfolgreich dagegen verstoßen hat.

Für unterwegs: Taktische Tipps und Tricks

Auf dem Weg dahin hilft es, mit den Stereotypen taktisch umzugehen. Sheryl Sandberg hat in ihrem Buch „Lean in“ ein paar ganz gute Tipps zusammengetragen:

  • Gehaltsverhandlungen: Frauen, die ein höheres Gehalt oder andere Vorteile für sich verhandeln wollen, sollten betonen, dass dies dem Wohle aller diene. Hilfreich ist die Betonung des „wir“. Abgesehen von dem taktischen Vorteil gilt natürlich, dass Ergebnisse, die tatsächlich dem Gemeinwohl dienen, nachhaltiger sind als Vorteile, die genau einer Person zugute kommen.
  • Begründung liefern: Während man Männern zugestehe, einfach so für sich selber Partei zu ergreifen, sollten Frauen eine Begründung vortragen.
  • Tonfall: Frauen müssten, so Sandberg, quasi eine „unerbittliche Freundlichkeit“ an den Tag legen. Das entspricht dem allgemeinen Rat, hart in der Sache, aber verbindlich im Tonfall zu sein und schadet ganz sicher nicht.

Weitere Ratschläge darf sich jede und jeder selber hinzufügen.

  • Für Eltern gilt: Bemühen Sie sich, Ihre Töchter  und Söhne gleichermaßen zu fördern. Jungs dürfen weinen und Gefühle haben und zeigen. Mädchen dürfen Macht anstreben, Leistung bringen und dafür Gegenleistungen fordern, die sich auch finanziell bemerkbar machen.

Soweit meine Gedanken zum Thema. Anregungegen gerne an engelken@klartext-anwalt.de.

Mehr lesen: FAZ: Frauen wollen reden, Männer suchen Lösungen

Nachtrag: Auf Facebook kommentierte Carsten Brombach:

„Was ich mich frage: Die Tipps aus ‚Lean In‘ nehmen ja die unterschiedlichen Erwartungen an Frauen und Männer, was Kommunikation betrifft, als gegeben hin und sind darauf ausgerichtet, trotzdem erfolgreich zu sein bzw in der Arbeitswelt zu kommunizieren, was sicher hilfreich ist. Wie aber kommen wir (parallel oder als zweiten Schritt) dahin, dass die unterschiedlichen Erwartungen an sich hinterfragt/ aufgehoben werden können?“
ich antwortete: „Ich glaube, man sie ansprechen. Genauso wie man sich übers „In-den-Mantel-helfen“ unterhält, ob das jetzt gut oder schlecht ist, sollten man/frau ihr Gespür dafür schärfen, ob das männliche oder weibliche Kommunikation ist. Und es dann bei passender Gelegenheit gesprächsweise auch artikulieren, so nach dem Motto „okay, wenn ich jetzt ein Mann wärde, würde ich jetzt den brusttrommelnden Gorilla raushängen lassen und erwähnen, wie großartig uns das letzte Projekt gelungen ist““

Kategorie: Aktuelles, Kanzleikommunikation Stichworte: Frauen, Führung, Hillary Clinton, Kommunikation, Männer, Margret Thatcher, Sheryl Sandberg

Interview mit Gudrun Happich zur Kanzleiführung: „Wer für Geld gekommen ist, geht auch für Geld“

29. September 2014 von Eva Engelken Kommentar verfassen

Gudrun Happich
Gudrun Happich, Executive Coach, im Interview mit Eva Engelken über Führung und Wertschätzung in Kanzleien
was-wirklich-zaehlt-buch
Buch „Was wirklich zählt“ von Gudrun Happich

Gudrun Happich, die Gründerin des Galileo Instituts für Human Excellence, lernte ich kennen, als sie 2011 ihr Buch „Ärmel hoch“ veröffentlichte. 2014 hat die Kölner Unternehmensberaterin das zweite Buch „Was wirklich zählt!“ herausgebracht. In beiden geht es um ihren Beratungsansatz der bioSystemik®, welcher biologische Phänomene heranzieht, um Prozesse in Unternehmen zu verstehen. Da Anwaltskanzleien faszinierende Organismen und starkem evolutionären Druck ausgesetzt sind, habe ich Gudrun Happich zur idealen Führungsstruktur und zum Recruiting in Kanzleien befragt.

Klartext Anwalt: Frau Happich, traditionell sind Kanzleien als Partnerschaftsmodell organisiert. Die jungen Anwälte arbeiten bis zum Umfallen mit der Aussicht, irgendwann Partner zu werden. Die Alten streichen umso mehr Gewinn ein, je mehr die Mannschaft buckelt. Ist das noch zeitgemäß?

Happich: Früher funktionierte das. Doch in Kanzleien, wo die Alten immer weniger Junioren zu Partnern werden lassen – wie das ja seit einigen Jahren in großen Kanzleien der Fall ist –, wird das Buckeln eher unattraktiv. Hinzu kommt: Die Jungen wollen gar nicht mehr um jeden Preis Partner oder Partnerin werden. Das ist nicht anders bei Zahnärzten. Auch da stellt mancher alte Zahnarzt verwundert fest: Die Jungen wollen sich einfach nicht mehr totarbeiten. Und die Verantwortung der Selbständigkeit erscheint vielen auch nicht mehr attraktiv.

Klartext Anwalt: Die Jungen kündigen den Generationenvertrag auf?

Happich: Mehr oder weniger. Vielen jungen Anwälten oder Anwältinnen sind die interessante Arbeit oder auch Work-Life-Balance wichtiger als die vage Aussicht auf den Partnerstatus. Abgesehen davon haben einige gar nicht das Zeug dazu, Partner zu werden.

Klartext Anwalt: Das heißt, sie sind froh und glücklich als Angestellte und würden das auch gerne bleiben?

Happich: Ganz richtig. Sie sind gute Juristen beziehungsweise Juristinnen. Aber sie können und wollen die hohe Verantwortung nicht tragen. Sie haben Spaß an der Juristerei, engagieren sich in der Sache, wollen eine gute Bezahlung, aber nicht die Partnerschaft. Auf der anderen Seite gibt es die, die gut darin sind, die Organisation zu machen. Ein erfolgreiches Unternehmen braucht immer beide.

Klartext Anwalt: Die klassische Führungsstruktur einer Kanzlei spiegelt das aber nicht wieder. In der Partnerversammlung, dem obersten Führungsgremium, haben diejenigen Partner das Sagen, die fachlich am besten sind und die größten Mandate heranschleppen. Eine Fehlkonstruktion?

Happich: Es hat lange Zeit gut funktioniert, aber damals waren eben die Rahmenbedingungen auch anders. Ich würde also eher sagen: es ist nicht mehr zeitgemäß. In der Evolution gibt es ein Grundgesetz für Erfolg: Derjenige, der am besten über seine Kernkompetenzen und Stärken Bescheid weiß, diese einsetzt und sich an die permanent sich ändernden Rahmenbedingungen/Umfeldbedingungen anpasst, der wird überleben, sprich, das Rennen machen.

Klartext Anwalt: Mittlerweile haben immer mehr Kanzleien moderne Support-Abteilungen: Human Ressources, Business Development, Marketing, IT, Finanzen und Office Management. Ist das schon ausreichend, um von einer modernen Management- und Unternehmensstruktur zu sprechen?

Happich: Tools alleine reichen nicht, um anders zu sein. Nur weil ich über die bestehende Post-Struktur modern schreibe, wird ja auch noch kein modernes Postunternehmen draus, oder? Es geht immer darum, was mache ich daraus? Und zu einer Struktur gehört immer auch eine Kultur – und die ist eine Frage der Einstellung und Haltung. Welche Geisteshaltung liegt vor? Wo ist das gemeinsame Ziel, eine verbindende Vision, die Sinn stiftet? Ist das geklärt, dann können diese Abteilungen wirkungsvoll sein, um die Ziele zu erreichen.

Klartext Anwalt: Kanzleien unterscheiden zwischen Berufsträgern einerseits und Nichtberufsträgern andererseits. Zu den Nichtberufsträgern gehören alle, vom IT-Mitarbeiter über die Sekretärin bis hin zur Personalleiterin. Das hat natürlich berufsständige Gründe. Wer keine Anwaltszulassung hat, darf in Deutschland keinen kostenpflichtigen Rechtsrat erteilen. Erschwert solch ein Berufsverständnis die Bildung von modernen Managementstrukturen?

Happich: Die Unterscheidung in Berufsträger und Nichtberufsträger gibt es ja auch bei anderen berufsständisch geregelten Berufen. Also bei Ärzten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern. Und sie hängt natürlich damit zusammen, dass die anwaltliche Beratungsleistung gewisse Kenntnisse erfordert. Trotzdem muss ein Umdenken stattfinden, dass nämlich die Berufsträger sich klar machen, dass sie nicht alleine die Kanzlei führen können. Solange jedoch die Meinung vorherrscht: Die einen sind wertiger und besser und die anderen weniger, ist es mit der Wertschätzung und dem respektvollen Umgang auf Augenhöhe schwer. Und ein Sklave engagiert sich nun mal nicht aus dem Inneren heraus bzw. aus tiefer Überzeugung für den Herrn.

Klartext Anwalt: Anwälte gehen davon aus, dass sie im Grunde alles viel besser könnten?

Happich: So ungefähr. Dabei wäre es utopisch anzunehmen, dass Anwälte und Anwältinnen auch sämtliche Aufgaben der sonstigen Kanzleimitarbeiter beherrschen könnten. Zwei juristische Staatsexamen sind kein Beleg für Management-Skills. Eine erfolgreiche Kanzlei zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr die Qualitäten aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wertgeschätzt werden. Wertschätzung ist übrigens auch ein Faktor beim Recruiting.

Klartext Anwalt: Bisher setzen Kanzleien beim Recruiting vor allem auf den Faktor Geld. Speziell die Großkanzleien überbieten sich mit immer höheren Honoraren. Ein Irrweg?

Happich: Wer für Geld gekommen ist, geht auch für Geld. Die zahlreichen Kanzleiwechsler belegen die geringe innere Bindung der Partner an eine Kanzlei. Kanzleien, die ihre Fachkräfte stärker an sich binden wollen, dürfen nicht nur auf Geld und geldwerte Vorteile setzen. Erst recht, wenn die Partnerschaft keine realistische oder attraktive Option ist.

Klartext Anwalt: Wie sieht solche Wertschätzung konkret aus? Für die High Potenzials denken sich die Großkanzleien schon jetzt allerhand aus: Kanzleikindergarten, Support bei Einkäufen und privaten Erledigungen. Geht das in die richtige Richtung?

Happich: Nun, im Grunde geht es bei diesen Angeboten auch wieder um geldwerte Vorteile. Das ist schon ein guter Ansatz, reicht alleine aber nicht aus. Die bessere Frage ist doch: Lieber High Potential – was muss passieren – bei Dir und bei mir – das Du Dich bei uns wie zuhause fühlst und Deine volle Leidenschaft im Sinne des Unternehmens einbringst? Denn das ist die Voraussetzung für volle Leistung, für die der Arbeitgeber zahlen kann und will.

Das Ganze beruht auf einem Geben und Nehmen. Ein Unternehmen zahlt in der Regel gerne, wenn sich der Mitarbeiter von innen heraus engagiert. Ein Mitarbeiter legt sich in der Regel gerne ins Zeug, wenn er beim Unternehmen findet, was seinen inneren Werten und Lebensmotiven entspricht. Sprich, wenn mir die Arbeit Spaß macht, und ich dann auch noch mein Kind in den Kanzleikindergarten bringen kann beziehungsweise jemand anders meine Einkäufe erledigt, passt das gut zusammen.

Klartext Anwalt: Was muss sich beim Recruiting der anderen Mitarbeiter ändern?

Happich: Ich denke, es sollte immer mehr darum gehen: Was sind die Werte und Vorstellungen beim potenziellen Mitarbeiter? Passt das zu uns? Dann kann man den nächsten Schritt gehen und schauen: welche Qualifikation bringt der mit, und wo passt er/sie bei uns am besten? Sprich, erst die richtige Person, dann der richtige Platz oder die richtige Position. Person geht vor Qualifikation. Im Zweifelsfall kann man fehlendes Wissen noch nachsteuern. Aber wenn die Chemie beziehungsweise die Persönlichkeit nicht passt, dann kann man relativ wenig reparieren und auf lange Sicht auch mit keinem Geld der Welt wieder gerade rücken.

Klartext Anwalt: Wie sieht die Führungsstruktur einer modernen Kanzlei idealerweise aus? Wie kann man die Fachkräfte, die keine Managementqualitäten haben, da einbinden?

Happich: Das ist so pauschal mit zwei bis drei Sätzen nicht wirklich zu beantworten. Aber grundsätzlich kann man sich folgende Fragen stellen: Was ist unsere Vision? Wozu und wofür machen wir das eigentlich? Wer passt zu uns? Was und wen brauchen wir, um die Ziele zu erreichen? Welche Rahmenbedingungen gehören dazu? Welche Struktur passt dazu am besten? Sprich, die Struktur folgt dem Ziel, nicht umgekehrt.

Eine moderne Kanzlei kann noch mal ganz neu denken: Da gibt es eventuell die Spezialisten, die für Fachfragen die wichtigen Experten sind, die sogenannten Wissensarbeiter. Dann diejenigen, die einfach richtig gut führen können und schließlich die, die zeitweise Projekte gut handhaben können. Das alleine sind schon mal drei ausgewählte unterschiedliche Rollen mit unterschiedlichen Profilen. In einer modernen Kanzlei sind alle von gleichem Wert und Bedeutung.

Und diese Rollen können in einer modernen Kanzlei je nach Anforderung auch wechseln. Das Unternehmen Gore betreibt dieses sogenannte Amöben–Modell seit vielen Jahren und ist damit äußerst erfolgreich. Übrigens nicht nur von den Zahlen her, sondern auch von Arbeitgeberbewertung her.

Klartext Anwalt: Was für eine Person sollte der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin sein? Im traditionellen Modell ist das der Managing Partner respektive die Managing Partnerin? Von ihm oder ihr erwarten die anderen Partner hohe Umsätze aus der Mandatsarbeit und zugleich die Geschäftsleitung. Wenn ihre Legislaturperiode als Manager abgelaufen ist, müssen sie wieder in die Mandatsarbeit zurückfinden. Wer das nicht schafft, muss gehen. Was müsste sich ändern?

Happich: In meinem Buch „Ärmel hoch! – die 20 schwierigsten Führungsthemen und wie Top-Führungskräfte damit umgehen“ habe ich einen typischen Karriereweg im Unternehmen aufgezeichnet. Auf allen Ebenen geht es um Leistung, aber in jeder Ebene wird Leistung anders definiert. Bei der Rolle des Geschäftsführers zeigt sich die Leistung darin, dass er/sie sehr gut Beziehungen knüpfen kann, sowohl innerhalb als auch vor allen Dingen außerhalb des Unternehmens, Verhandlungen führen kann, dass er/sie gut Strategien entwickeln kann und ein hohes Maß an taktischem und politischem Kalkül zeigt. Auch ist er/sie in der Lage, andere zum Machen anzuleiten.

Im Grunde kann man sagen, während die anderen im Unternehmen arbeiten, arbeitet er am Unternehmen. Man kann sich das so vorstellen, dass er auf einem Berg steht und mit Weitblick in die Ferne schaut und immer wieder diese Perspektive einnimmt, einnehmen kann, während die anderen Rollen schauen, wie diese Visionen umzusetzen sind und das auch noch fachlich exzellent tun.

Vielen Dank für das Gespräch!

  •  Hier geht’s zur Website meiner Interviewpartnerin Gudrun Happich: http://www.galileo-institut.de/gudrun-happich.html.
  • Und hier gibt’s demnächst (ungefähr ab Mitte Oktober) mehr zum Thema Anwälte zu lesen: „111 Gründe, Anwälte zu hassen“.

Kategorie: Aktuelles, Interviews, Strategie Stichworte: Führung, Kanzleistrategie, Managing Partner, Partner, Persönlichkeit

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