Unrat zu beseitigen, ist nicht einfach, Unrecht zu bereinigen, noch viel schwerer. Doch am allerschwierigsten ist es, Unrecht zu beseitigen, das auf nationalsozialistischen Normen beruht. Umso mehr sollten die Abgeordneten den Deutschen Bundestages alle Kräfte zusammennehmen, um endlich eine Unrechtsvorschrift aus der Nazidiktaktur zu entfernen, die sich trotz allem Ärger, den sie verursacht, hartnäckig hält. Den Paragraf 219a StGB, über den am 18.10. der Bundestag berät.
Endlich wieder im Bundestag: Der Antrag, den Naziparagrafen abzuschaffen
Genau genommen wird über drei Anträge beraten, die von der Links-, Grünen- und FDP-Fraktion eingebracht wurden. Die Linken wollen die Vorschrift § 219a StGB ganz abschaffen, die Grünen im Wesentlichen auch. Die die FDP will nur das „Werbeverbot“ entschärfen, indem sie nur noch „grob anstößige Werbung“ ahnden will.
Es geht nicht um Werbung, sondern um Information für Frauen, die sich in einer Notlage befinden
Das Verbot auf grob anstößige Werbung zu reduzieren, wie die FDP fordert, dürfte nicht zielführend sein, weil es dann immer noch existiert und Frauenfeinden und (rechts-)extremen Agitatoren eine Handhabe bietet, Frauenärztinnen einzuschüchtern und Frauen ihr ureigenes Recht auf Familienplanung zu nehmen. Schon jetzt ist die Vorschrift sehr zurückhaltend formuliert, gleichwohl wird sie erfolgreich verwendet, um Strafanzeigen gegen FrauenärztInnen zu begründen. Darunter der der schon vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilten Babycaust-Betreiber Klaus Günter Annen und ein Mathematikstudent aus Kleve namen Markus Krause.
Es formiert sich der Protest gegen die Bevormundung: in der Gesellschaft, in der Politik und im Gerichtssaal
- Aber es gibt Hoffnung im Kampf um die Hoheit über die Körper von Frauen. Zum einen formieren sich immer mehr Menschen zum Widerstand.
- Die Solidaritätsbewegung für die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel ist einer der Startpunkte.
- Das in Berlin angesiedelte Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung eine kräftig wachsende Pflanze.
- Unterstützung kommt auch aus der offiziell reservierten CDU: Mit der Bundestagspräsidentin und Bundesministerin a. D. Professor Dr. Rita Süssmuth hat ein zwar altes, aber prominentes Parteimitglied kürzlich öffentlich gegen Paragraf 219a Strafgesetzbuch Stellung bezogen.
- Auch in der noch zaudernden SPD wünschen sich viele den Paragrafen weg. Darunter die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen im Bezirk Hessen-Süd, die Kristina Hänel für ihr Engagement mit dem Olympe-de-Gouges-Ehrenpreis ausgezeichnet hat. Olympe de Gouge ist bekanntermaßen die Verfasserin der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von 1791.
- Bundesfamilienministerium Dr. Franziska Giffey (SPD) spricht Kristina Hänel zwar auf Facebook ihre „Solidarität“ aus, doch wie genau ihr „Lösungsvorschlag“ aussieht, ist nicht ganz klar: „
13. Oktober um 16:35 ·
Meine Solidarität für Kristina Hänel! Ich werde alles, was in meiner Macht als Frauenministerin steht, tun, um Ärztinnen und Ärzte, die Schwangeren in Not Hilfe, Beratung und Unterstützung geben, zu entkriminalisieren. Der Paragraph 219a des Strafgesetzbuchs muss geändert werden. Betroffene Frauen haben ein Recht auf Information und Ärztinnen und Ärzte ein Recht auf Rechtssicherheit. Gemeinsam mit Justizministerin Katarina Barley haben wir einen Lösungsvorschlag dafür ausgearbeitet. Wir machen uns stark, um mit der CDU/CSU eine Einigung darüber zu erreichen. So wie es jetzt ist, kann es nicht weiter gehen.
Berufungsrichter selbst verweist nach Karlsruhe wegen der Verfassungswidrigkeit von 219a
Zum anderen gibt es aus dem Gerichtssaal erste Signale, dass die Tage der Nazivorschrift gezählt sind. Zwar hat das Landgericht Gießen die erstinstanzliche Verurteilung zu 6.000 Euro Strafe der Frauenärztin Kristina Hänel wegen Verstoß gegen § 219a StGB bestätigt – weil Hänel auf ihrer Website über die von ihr angebotene ärztliche Leistung Abtreibung informiert hat. Aber der Vorsitzende Richter Johannes Nink hat expliziert ausgesprochen, dass der die Vorschrift § 219a StGB für verfassungswidrig hält. Man fragt sich, warum er dann nicht eigentlich das Verfahren ausgesetzt hat, um die Vorschrift im Wege einer konkreten Normenkontrollklage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Aber sei es drum. Nun haben die Revisionsinstanz oder das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass eine weitere Nazivorschrift auf den Müllhaufen der Geschichte wandert.
Zeit für das Bundesverfassungsgericht, seine Grundsatzentscheidung oder deren Umsetzung neu zu justieren
Und übrigens: die immer wieder herangezogene Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Lebensschutz der Ungeborenen höher als das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu gewichten sei, ist kein Hinderungsgrund für die Abschaffung von § 219a oder insgesamt der Abschaffung der §§ 218 ff. Schon damals, 1975, erklärten führende Strafrechtler, etwa Claus Roxin, der vom Verfassungsgericht geforderte Lebensschutz könne auch ohne Bestrafung der Frau erreicht werden. Na, bitte!
Letztlich geht es darum, Frauen das Recht über ihren Körper (zurück) zu geben – zum Wohle aller
Allgemein und weltpolitisch dürfte ohnehin längst klar sein, dass es bei der Frage „Abtreibung – ja oder nein?“, die auch dem Kampf gegen § 219a zugrundliegt, um einen immer unsinnigeren Machtkampf geht, in dem Frauenkörper und Babys als strategisches Kriegsgerät eingesetzt werden. Die irrwitzige Logik: Wer die meisten Kinder produziert, beherrscht die Welt.
Dabei ist eins der größten Probleme Afrikas, und damit der ganzen Welt, die unkontrollierte Geburtenkontrolle, wie das Handelsblatt gerade wieder berichtete. Die Lösung wäre, Frauen zu befähigen, rigoros ihr Recht auf reproduktive Selbstbestimmung wahrzunehmen. Doch stattdessen überbieten sich katholische Kirche und islamische Herrscher darin, Frauen Informationen zu Familienplanung vorzuenthalten und sie zu Gebärmaschinen zu degradieren. Der Papst Franziskus vergleicht Abtreibung mit Auftragsmord, und den AfD-Anhängern hierzulande fällt nichts besseres ein, als Abtreibung ebenfalls zu verbieten, als Teil ihres wahnwitzigen Masterplans. Dieser besteht darin, das von Thilo Sarrazin befürchtete Aussterben der Deutschen und die Überfremdung mit Auslängern zu kontern: Mit einer Flut an deutschen Babys, die von deutschen Müttern geboren werden. Geht’s noch, Jungs???
Wir sind alles Menschen und bewohnen alle denselben Planeten. Und damit dieser Planet überlebt, wäre es eine gute Maßnahme, Frauen das Recht über ihren eigenen Körper (zurück) zu geben. Schlimmer als mit euch kann es nicht werden. Aber womöglich deutlich besser.
#frauenland #fraubellion #wedoittogether #wegmit219a
Ergänzung: Hier geht’s zur Beratung im Bundestag:
Hilfreicher Link: Bündnis Pro Choice: