Erst gestern bemerkte mein geschätzter Journalistenkollege Daniel Schönwitz in seinem Blog, dass das Gendern, also das geschlechtsneutrale Formulieren, allzu leicht dazu führe, dass man passiv wird. Nicht passiv im Sinne von passiv-in-der-Sonne-liegen, sondern passiv durch die Verwendung von Passiv-Konstruktionen.
Ich gab ihm sofort Recht. Gendern ist Mist. Und mir reicht’s damit! Ab sofort werde ich darauf verzichten. Hier in meinem Blog wird es nur noch Rechtsanwältinnen, Bloggerinnen, Besucherinnen und Ratgeberinnen geben. Und Zahnärztinnen und Fußpflegerinnen, sollte ich je über Zähne oder Füße bloggen.
Alle männlichen Angehörigen dieser Berufe dürfen so frei sein, sich mitgemeint zu fühlen. Ab sofort gilt hier folgende Fußnote:
„Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die Verwendung der männlichen Form verzichtet, Männer sind selbstverständlich mitgemeint.“
Das generische Maskulinum funktioniert im Deutschen nicht. Die Alternative: das generische Femininum
Die Wirkung, dass die männliche Form – die „Rechtsanwälte“ -, als generisches Maskulinum, die weiblichen Angehörigen des Berufs, – also die Rechtsanwältinnen, mitbezeichnet, gibt es in der deutschen Sprache in Wahrheit nicht. Das generische Maskulinum wurde allerdings, und wird noch so benutzt, als würde es die Frauen mitbezeichnen. Und meistens finden sie sich ja auch damit ab, und wenn nicht, kann man immer noch die Floskel schreiben, dass „Frauen mitgemeint“ seien.
Leider weiß die Wissenschaft inzwischen: Wer nur von Rechtsanwälten spricht, tut sich schwer, Frauen, also die Rechtsanwältinnen, mitanzusprechen. Nachzulesen bei der Bloggerin Antje Schrupp. Ich verwende also bis auf weiteres ein generischen Femininum und tue so, als ob man unter Rechtsanwältinnen und Politikerinnen gemeinhin auch die männlichen Rechtsanwälte und männlichen Politiker verstehen würde. Vielmehr: ich erkläre, dass ich sie mitmeine.
Keine Sternchen, Binnen-Is, Unterstriche und Xe mehr
Mitgemeint sind auch alle geschlechtlich Dazwischenliegenden. Ihnen trägt man oft mit einem Sternchen „*“ Rechnung. Etwa in Publikationen der Heinrich-Böll-Stiftung oder in anderen, auf Geschlechtergerechtigkeit Wert legenden Einrichtungen. Hier werden aus „Mitarbeitern“ die „Mitarbeiter*innen“.
Andere, wie zum Beispiel meine geschätzte Netzwerkkollegin Birte Vogel, lehnen das Sternchen ab, unter anderem weil es an den „Judenstern“ der Nazidiktatur erinnert, und setzen einen Unterstrich „_“ ein, um alle Geschlechteridentitäten mitzumeinen. Noch wieder andere verwenden ein „X“.
Hier, in meinem Blog, wird es künftig keine Sternchen, Binnen-Is, Unterstriche und Xe mehr geben. Ich respektiere euer Bedürfnis, sich mit einem anderen Geschlecht zu identifizieren als dem per Geburtsurkunde zugeteilten. Aber hier seid ihr ab sofort mitgemeint. Ihr macht statistisch weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung aus. Wir Frauen machen 51 Prozent aus. Außer in China und Indien, wo man unsern Anteil per Abtreibung weiblicher Föten auf unter 50 Prozent gedrückt hat.
Die Hälfte des Himmels erobert man nicht mit lauen Quoten
Ich bin für Parität, wie sie die Grande Dame der CDU, Professorin Dr. Rita Süßmuth, kürzlich forderte. Frauen steht die Hälfte des Himmels zu. Oder profaner ausgedrückt: sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie Männern. Doch bisher nähern sie sich der Gleichberechtigung derart zaghaft an, als wollten sie den Atlantik überqueren, indem sie mit einem Ruderboot auf einem Baggersee herumpaddeln. Immer freundlich im Kreis herum und bei der ersten Welle zurück ans Ufer.
So wird das nix mit der Hälfte. Auch nicht mit lauen 30-Prozent-Frauenquoten für Vorstände oder Abgeordnete. Wir brauchen eine angemessene Repräsentation von Frauen und Männern. Auf der Führungsebene und darunter: Bei den Erzieherinnen, Altenpflegerinnen oder Soldatinnen. Weg mit der Quote und her mit der Parität!
Das generische Neutrum wäre schön, lässt aber noch auf sich warten
Das generische Neutrum ist das sprachliche Pendant zur Parität zwischen den Geschlechtern. Es wäre schön, wenn wir es hätten, denn die Sprache prägt das Denken und ebnet der faktischen Gleichberechtigung den Weg.
Die englische Sprache besitzt es bereits: „The teacher“, „the chancellor“ und „the minister“ meint jeweils Mann und Frau. In der deutschen Sprache sind generische Neutruum selten zu finden. Die „Majestät“, die „Ihre Majestät, den König“ oder „Ihre Majestät, die Königin“ meint, ist eines der wenigen.
Also müssen wir sie entwickeln. Wir brauchen ein generisches Neutrum und ein generisches Maskulinum, so wie Antje Schrupp erklärt: Eins für Menschen, und eins für Männer. Das Neutrum könnte mit dem Artikel „das“ gebildet werden, und das Maskulinum mit der Endung „ich“, schlägt die Sprachforscherin Luise Pusch vor:
Das Lehrer, die Lehrerin, der Lehrerich.
Die vorläufige Alternative zum Gendern: Nicht mehr gendern, sondern Männer mitmeinen
Bis sich das in unserer deutschen Sprache durchgesetzt hat, hat eine schreibende Frau, die nicht nur mitgemeint sein will, nur zwei Möglichkeiten.
- Entweder sie gendert und verteilt Sternchen & Co, damit Männer UND Frauen und sämtliche Zwischenstufen gleichermaßen angesprochen werden. Natürlich immer möglichst unauffällig oder elegant, damit bloß kein fortschrittsresistenter Macho brüllt „Genderwahn!“ Ich selbst habe redlich versucht, etwa in der Legal Tribune Online, mich für ein elegantes Gendern stark zu machen, das es irgendwie allen ein bisschen rechter macht. Und am Ende kommen trotzdem Irgendwelche und mosern, weil sie immer mosern.
- Oder sie gendert nicht mehr und nimmt behelfsweise die weibliche Form: das generische Femininum.
Ich gehöre dazu. Ich habe genug von der sprachlich korrekten Rund-um-Wohlfühl-Verpackung. Schert euch zum Teufel, ewiggestrige Befindlichkeiten. Ich verzichte auf das Gendern und meine Männer ab sofort mit.
Ich bin sicher, liebe Leserinnen, Sie haben größtes Verständnis dafür!
#fraubellion #frauenland #esreicht
Andrea meint
Ja, ich kann das verstehen und unterschreibe nahezu jedes Wort deines Beitrags, auch wenn ich zu den Gender*innen mit dem Stern gehöre. Danke für deine klaren Worte!
Eva Engelken meint
Merci!
Ulrike Zecher meint
Liebe Eva,
Klasse, das ist ein richtiger EVA-Blogartikel:
Sehr, sehr fundiert, feministisch, leidenschaftlich und klar positioniert. Einfach großartig!
Viele Grüße,
Ulrike
Eva Engelken meint
Merci, ma belle!
Dr. Dr. Heike Franz meint
Gute Idee, und ich habe vollstes Verständnis. Warum bin ich da noch nicht drauf gekommen? Und ich hoffe, alle männlichen Zahnärztinnen (Google möchte, das ich ZahnÄrztinnen schreibe, mache ich aber nicht), Polizistinnen und Rechtsanwältinnen sind auch so tolerant.
By the way: ist Google eigentlich männlich oder weiblich oder irgendwo dazwischen?
Eva Engelken meint
Deren Toleranz werde ich auf die Probe stellen. ;-)
Google ist eine alte Tante, wo viel ich gehört habe. Das liegt, glaube ich, schon nicht mehr dazwischen sondern eher im Jenseits von männlich und weiblich.;-)
Gabriele Rejschek-Wehmeyer meint
Na, das ist doch mal Wort-Verstand. Ich bin beeindruckt von der Klarheit. Über das Sternchen denke ich noch mal nach.
Heike Baller meint
Jau, das habe ich in meinem Blog recht stikkum auch so gemacht. Hin und wieder, bei Aufzählungen variier ich mal zur männlichen Fassung, aber im Großen und Ganzen gibts bei mir Leserinnen usw. Angeregt hat mich vor Jahren dieser Blogbeitrag https://www.haltungsturnen.de/2012/12/zeit-fur-ein-zwischenfazit-zum.html von Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach; das war 2012.
Es tut echt nicht weh, es gibt, wie Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach schon 2012 anmerkte, kaum Anmerkungen dazu – also los.
Eva Engelken meint
Es gibt Luise Pusch, die sich das alles schon mal ausgedacht hat. Aber vielleicht ist jetzt erst die Zeit reif dafür. Ich probiere aus und berichte darüber!!
Franziska Nauck meint
Liebe Eva,
toller Artikel, radikal und konsequent – zumindest in der Ankündigung ;-)! Bin gespannt, welche Erfahrungen Sie damit machen.
Viele Grüße von einer Kollegin
Franziska Nauck
Eva Engelken meint
Vielen Dank! Ich muss erstmal wieder bloggen, um es austesten zu können. Bin selber sehr gespannt!
guppy meint
Wie heißen bei die die Maurer in Zukunft? Maurerinnen?
Eva Engelken meint
@Maurerinnen? Ich würde sagen, ja. Zur Not „Mauerfrauen“ analog zu den „Trümmerfrauen“, die der Legende zufolge ja auch Trümmer beseitigt und Mauern wieder aufgebaut haben. :-)
Elke Speidel meint
Warum nicht Maurerinnen?! Schwieriger wird es bei Zimmerfrau/Zimmermann oder Hauptfrau/Hauptmann. Ist ein Mann, der in einem Hotel die Betten bezieht, ein Zimmermann oder eine Zimmerfrau? Und ist eine weibliche Soldatin im Dienstgrad zwischen einer Oberleutnantin und einer Majorin eine Hauptfrau?
Eva Engelken meint
„Maurerinnen“ ist selbstverständlich vollkommen okay und entspricht auch meinem Vorhaben, das generische Femininum zu verwenden und Männer mitzumeinen.
Das schließt aber nicht aus, sprachlich kreativ zu bleiben, und – so wie du auch anregst -, bei rein männlich oder rein weiblich besetzten Bezeichnungen ungewohnte weibliche Formen zu bilden.
„Zimmermann“ und „Zimmerfrau“ ist lustig, beim Lesen dachte ich sofort an „Zimmermädchen“ und dann: „Ach nee, die redet von Schreiner und Schreinerin!“ und dann: „Ach, nee, die redet doch von der Hilfskraft, die im Hotel Betten bezieht!“
Und auch bei Soldatinnen MUSS man kreativ werden, um bislang ausschließlich Männern vorbehaltene Dienstgrade für weibliche Soldatinnen zu öffnen. „Hauptfrau“ finde ich zum Beispiel wunderbar. Da ist alles dabei, was sie haben muss: das Adjektiv „Haupt“ bzw. das Nomen „Haupt“ = Kopf. Die Frau und die Kombination als Hauptfrau. Das erinnert natürlich – normal für eine patriarchalische Gesellschaft – an die Haupt- und Nebenfrau, aber da muss Soldatin durch, würde ich sagen.
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Margot Müller meint
Das männliche Pendant zu „Zimmermädchen“ ist doch ganz klar „Zimmerbübchen“. „Bübchen“ als Pendant zu „Mädchen“ zu verwenden um damit die Geschlechtverhältnisse zurecht zu rücken, ist die Idee von Waltraud Pomper, Pressesprecherin der Feministischen Partei DIE FRAUEN.
Eva Engelken meint
Bübchen gefällt mir sehr!!
Aber was wäre denn die Idee für ein adäquates weibliches Pendant zu Junge? Das altdeutsche „Maid“, aus dem ja Mädchen abgeleitet ist, wohl nicht, oder? Jungin?
guppy meint
Der Beitrag ist bestimmt von einer Verlagin (oder wie heißt die weibliche Form eines Verlages) gesponsert. Autorinnen, die nach Zeilen bezahlt werden müssen dann mit existentiellen Einbußen rechen, weil sie dann in Zukunft ja nicht mehr Bundestagabgeordnetinnen und Bundestagsabgeordnete schreiben können und somit entweder den Textblasen der Bundestagsabgeordnetinnen etwas Frei-erfundenes hinzufügen könnten oder aber mit den Einbußen der Honorare überleben müssen. „Textblasen der Bundestagsabgeordnetinnen“ klingt jetzt aber auch nicht so toll und ich habe Zweifel ob sich die anderen Abgeordnetinnen, also die mit ähhhm Eingriff in der Unterhose, da angesprochen fühlen? ;-)
Eva Engelken meint
Gibt’s Verlage, die solche Beiträge sponsern? Dann bitte gerne den Kontakt herstellen! Ansonsten müssten alle auf Zeile Schreibenden sich freuen, wenn künftig nur noch die weibliche Form verwendet wird, denn Rechtsanwältinnen beanspruchen mehr Buchstaben als Rechtsanwälte, was in der Summe zu längeren und also besser vergüteten Texten führt!
Martin Mantz meint
Ich finde das Gendern gleichfalls ziemlich blöd, manchmal wirkt es auf mich trotzig. Als Mann (!) schreibe bzw. sage ich weiterhin die über Traditionen hinweg entwickelten Begriffe, wie zB. Fussballspieler und meine die Frauen mit.
… jetzt bin ich gespannt …
Eva Engelken meint
…gespannt auf eine Antwort? :-)
Vorweg: anderswo als hier mache ich das oft auch so, verwende also neben anderen gegenderten Formen auch manchmal nur die männliche Form, aber hier im Blog ist ja meine Spielwiese.
Was die Tradition angeht, habe ich folgendes gelernt: Die Sprachtradition der deutschen Sprache kannte bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts kein generisches Maskulinum, anders als viele es heute behaupten. Vielmehr bezeichnete die männliche Form einfach nur Männer und Frauen gerade nicht.
Es gibt hierzu eine spannende Dissertation, wonach, ich zitiere:
„das in der Debatte um die feministische Sprachkritik als traditionell vorausgesetzte Verständnis maskuliner Personenbezeichnungen als geschlechtsneutral keine sehr lange Tradition besitzt, sondern erst in den sechziger Jahren des 20. Jh. in die Germanistik Eingang gefunden hat. Weiters kann aus den in den Grammatiken angetroffenen Beschreibungen und vor allem Beispielen indirekt der Schluss gezogen werden,
dass sich das generische Maskulinum auf Kosten des Neutrums ausgebreitet hat, das in früheren Zuständen des Deutschen teilweise die Funktion geschlechtsneutraler Bezeichnung
von Personen hatte.“
Es werden mehrere Beispiele aufgeführt, dass Frauen- und Männerbezeichnungen parallel verwendet wurden:
„Es ist für städtische Verordnungen des Hoch- und Spätmittelalters typisch, dass männliche und weibliche Personenbezeichnungen parallel verwendet werden. Dies hat mit der besseren rechtlichen Stellung von Frauen in dieser Zeit zu tun (Grabrucker 1993: 89-92, Wolf-Graaf 1983), vgl.: (4) Unser herren meister und rat sint überein komen, daz kein altgewender, gremp oder grempin, noch nieman anders (…) hinnanvür me keinen husrat noch ander g_t miteinander sammenthaft koufen süllent, und (…) die altgewender kofent umbe die koufeler und koufelerin uf merschetzen, daz sie ouch daz selbe altgewant hinnanvürme selber erkoufen und vertriben süllent, und süllent es nit vür die koufeler und koufelerin hencken z_verkoufenden, als sie bitzher geton hant. („Verordnungen für Grempen und Gerümpler“ 14. Jh., Stadtordnungen, vol. 19, fol. 4b; zit. nach Brucker 1889: 249)“
Aus: „Ursula Doleschal (Wien) Abstract: Das generische Maskulinum im Deutschen Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne
Schöne Grüße nach Großwallstadt!
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Martin Mantz meint
Also, ich bin aufrichtig beeindruckt von der sprachwissenschaftlichen Kompetenz und da fehlt mir einfach das erforderliche Wissen und dementsprechend auch die richtigen Worte. Daher entschuldige ich mich für meine Oberflächlichkeit. Vielleicht sollte man (Passiv, Neurum) diese Diskussionen auch den Fachleuten überlassen. Es ist aus meiner Sicht auf jeden Fall bemerkenswert, dass sich fast ausschließlich weibliche Schreiber (Schreiberinnen ?) an dem Blog beteiligen. Ok, für sich allein genommen ist dies kein Argument für oder gegen etwas. Ich fühle mich nur so hilflos, gerade weil ich mich sehr um Gleichberechtigung bemühe. Für mich ist es jedoch freudlos, wenn ich keine Komplimente mehr machen darf, ohne dem Verdacht des Sexismus ausgesetzt zu sein. Irgendetwas stimmt da nicht. Wie gesagt, mir fehlen die Worte und der Sachverstand.
Marie meint
klar positioniert!! 5 Sterne!