Betreff: Kein Klartext. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation unter Plagiatsverdacht
Seit Mittwoch Morgen plagt den allseits beliebten Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg eine Sorge mehr: Seine 2009 veröffentlichte Dissertation „Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ enthält mehrere Textpassagen aus fremden Texten, die aber nicht ordnungsgemäß als solche gekennzeichnet wurden. Noch lässt der Minister zwar verkünden, er sehe der Überprüfung der Vorwürfe durch den Ombudsmann seiner Universität gelassen entgegen, doch die vorab auf www.zeit.de veröffentlichte Rezension des Bremer Juraprofessors Andreas zeigt deutlich: Der Minister hat platt abgekupfert. Viele Absätze sind wortgleich aus Zeitungsartikeln, Vorträgen und Büchern entnommen, ohne dass sich der Promovend die Mühe gemacht hätte, sie für seine Arbeit umzuformulieren.
Deshalb sitzt der Minister aktuell auch im Flieger nach Kundus. Man muss wirklich dankbar sein für diesen Afghanistan-Einsatz der Deutschen, woher bekämen die Politiker sonst gute Publicity?
Doch wie kommt ein Minister dazu, Teile seiner 475 Seiten starken Promotionsschrift abzuschreiben (unterstellt, die Vorwürfe erweisen sich als wahr (wonach es stark aussieht)?
- Ganz aktuell: Der Pöbel untersucht die Dissertation des Ministers und entdeckt minütlich neue zweifelhafte Stellen: http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/GuttenPlag_Wiki.
Grund 1: Der Minister hatte nichts zu sagen
Der Rezensent seiner Doktorarbeit und Erstentdecker der Plagiate, Andreas Fischer-Lescano, schreibt: „Der wissenschaftliche Ertrag der Arbeit ist bescheiden. […] Zu Guttenbergs Argumentations mäandert vor sich hin und zermürbt die Leser-innen durch seitenlanges Politsprech und die Nacherzählung rechtspolitischer Diskussionen im Konvent.“
Zum Download Rezension von Andreas Fischer-Lescano der Guttenberg-Dissertation
Mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis zitiere ich mich selber (Klartext für Anwälte, Lindeverlag 2010, Seite 59: „Der einfache Grund für viel geschwollenes Blabla ist, dass das meiste schon von den meisten gesagt ist. Anders gesagt: Wer wirklich etwas zu sagen hat, kann es auch einfach ausdrücken.“
Grund 2: Zu Guttenberg hatte keine Zeit, a) überhaupt eine Doktorarbeit zu schreiben und b) sich kurz zu fassen.
„Ich habe keine Zeit, deshalb schreibe ich dir einen langen Brief“, schrieb ein berühmter Mensch (wissen Sie, wer’s war?). Karl-Theodor hatte keine Zeit. Die Süddeutsche Zeitung vom 17.2. listet alle Ämter auf, die er während der Fertigstellung der Diss innehatte. Zunächst Ortsverbandsvorsitzender, dann Kreisrat, Obmann, BTags-Abgeordneter und dann immer so weiter, je mehr seine Karriere „Fahrt“ aufnahm.
Noch Fragen?
Ja. Ich habe hohen Respekt vor jedem Menschen, der sich für politische Ämter zur Verfügung stellt. Ich habe auch Respekt dafür, dass jemand keine Zeit hat, schließlich habe ich selber eine Arbeit und eine große Familie und mit dem Schreiben eines nur 200 Seiten starken Buches die Gesundheit und Nerven ziemlich vieler Menschen strapaziert .
Aber dafür, dass jemand um eines Doktortitels willen beginnt, heimlich Puzzle zu spielen und die Puzzle-Teile aus dem gesamten Internet zusammenklaubt, dafür habe ich kein Verständnis. Die Kunst der Puzzle-Spielens in allen Ehren. 1000 Teilchen so zusammenzusetzen, dass am Ende der Sonnenuntergang über Capri oder fünf springende Pferde sichtbar werden, erfordert Geschick und ein viel Geduld. Doch kein Puzzle-Spieler der Welt würde auf die Idee kommen, sich anschließend als Schöpfer des abgebildeten Bildes oder Fotos auszugeben.
Herr Minister, haben Sie Ihre Doktorarbeit mit einer Patchworkdecke verwechselt?
Vielleicht ist es bei zu Guttenberg anders. Vielleicht ist seine wissenschaftliche Leistung eher mit einer komplizierten Patchworkdecke zu vergleichen, wo die aus zahlreichen kunstvoll angeordneten Flicken zusammengesetzte Decke sehr wohl als eigenständiges Kunstwerk durchgeht, obschon die Stofffetzen ein eigenständiges Design, gut erkennbare Muster und Farben haben. Kunstvolle Patchworkdecken sind fraglos urheberrechtlich geschützte Kunstwerke. Der Unterschied zur Dissertation: Flicken bleiben immer erkennbar Flicken. Einkopierten Texten ist ihre fremde Herkunft nicht mehr anzusehen, sobald sie in das Word-Dokument einkopiert sind.
Bei einer Doktorarbeit ist eben keine Patchworkdecke gefragt. Gefordert ist eigene Sprache. Fremde Gedankengänge nachdenken und sie dann in eigene (!) Worte fassen, nicht fremde Worte übernehmen. Das ist ein großer Unterschied, den jeder kennt, der schon einmal versucht hat, Gedanken auszuformulieren. Wer beides verwechselt hat und glaubte, mit der Patchworkdecke durchzukommen, hat keinen Doktortitel verdient. Ob er womöglich auch kein Ministeramt verdient hat, ist eine andere Frage.
*Witzige Beobachtung am Rande: Mit seiner Diss war der Minister nicht nur bei seinem Gutachter Häberle gut angekommen, der die Arbeit mit summa cum laude bewertet hatte, sondern auch bei einem anonymem Amazon-Rezensenten, der schrieb: „Mir hat die Lektüre sehr gut gefallen, die Arbeit liest sich teilweise wie ein Zeitungsartikel und ist damit auch für juristische Laien sehr gut verständlich.“ Kein Wunder, sogar die Einleitung der Diss. stammte ja offenbar aus der Feder der FAZ-Autorin und Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.
Zum Download Rezension von Andreas Fischer-Lescano der Guttenberg-Dissertation
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