Meistens geht es hier um Kommunikation, es kann aber auch mal um einzelne Anwältinnen* gehen, falls es zum Thema meines Buches „111 Gründe, Anwälte zu hassen“ passt. Das ist bei den Plänen, den katholischen Bundestagsabgeordneten und Abtreibungsgegner RA Dr. Stephan Harbath, zum Verfassungsrichter zu machen, der Fall.
Bestehen Interessenkonflikte, wenn Anwältinnen trotz Bundestagsmandat weiter Mandantinnen beraten?
Als bekannt wurde, Rechtsanwalt Dr. Stephan Harbarth solle ab 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden, fiel mir ein Kapitel meines Buches „111 Gründe, Anwälte zu hassen“ ein. Darin hatte ich über die problematische Konstellation geschrieben, dass Rechtsanwältinnen* trotz Bundestagsmandat weiter Mandantinnen beraten. Einer davon war Stephan Harbath.
„Der zweite Topnebenverdiener im Bundestag ist Anwalt: Stephan Harbath ist Spezialist für Kapitalmarktrecht und Partner der Rechtsanwaltskanzlei SZA Schillling, Zutt & Anschütz. Zu seinen Nebenverdiensten auf Stufe 10 tragen Mandanten wie Daimler mit EADS bei.“
111 Gründe, Anwälte zu hassen, 2014, Schwarzkopf Verlag von Eva Engelken
2018 war der Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt Stephan Harbath erneut unter den Topnebenverdienerinnen im Bundestag. Mit mindestens 150.000 Euro Nebeneinkünften. Er selbst verneint einen Interessenkonflikt aufgrund seiner Anwaltstätigkeit. Sein „berufliches Standbein“ sei „das Fundament“ seiner „politischen Unabhängigkeit“, äußerte er 2015. Ob er seine Nebenverdienste aufgibt, wenn er zum Bundesverfassungsrichter ernannt wird? Die Organisation Abgeordnetenwatch hat ihn dazu bereits gefragt:
„Können Sie die gerichtliche Unabhängigkeit mit Ihrer bisherigen Tätigkeit mit reinem Gewissen gewährleisten?“ Frage von Abgeordnetenwatch an Stephan Harbath
Sollte ein katholischer Reformgegner Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden?
Mir persönlich erscheint eine andere Interessenkollision problematischer: Harbaths gestrige Einstellung zu markanten gesellschaftspolitischen Entwicklungen.
Seit Monaten bemühen sich Vertreterinnen aller Parteien darum, endlich den § 219a Strafgesetzbuch abzuschaffen. Die Vorschrift, die „Werbung“ für Abtreibungen unter Strafe stellt, stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus. Im Bestreben, viele deutsche Babys zu erzeugen, wurden damals die Strafen für einen Schwangerschaftsabbruch verschärft. Außerdem verbot man „Werbung“ für die Abtreibung nach § 219a StGB.
Harbath votiert für Beibehaltung der Strafrechtsnormen rund um die §§ 218 StGB
Im Jahre 2018 wollen alle Parteien den § 219a StGB ändern oder ganz streichen. Alle mit Ausnahme von AfD und CDU/CSU. Entsprechend sprach sich in der Bundestagsdebatte zu § 219a StGB der CDU-Abgeordnete Stephan Harbath gegen eine Abschaffung des Paragrafen 219a StGB aus. Eine Zulassung von „Werbung“ würde das derzeitige Beratungsmodell infrage stellen“. Implizit sprach er sich auch dafür aus, dass die Abtreibung gemäß § 218 StGB weiterhin strafbar bleiben solle. Zur Begründung zitierte er aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1975. Nachzulesen in den Bundestagsdrucksachen vom 22. Februar 2018. Oder zu sehen im Parlamentsfernsehen .
Nun ist es so, dass die derzeit laufenden Gerichtsverfahren wegen § 219a StGB letztlich zu einer Überprüfung der gesamten Regelungen in den §§ 218 ff. StGB führen. Und zwar vor dem Bundesverfassungsgericht. Eine moderne gute Verfassungsgerichtspräsidentin könnte das Urteil von 1975 und auch 1993 ergangene Folgeurteil zur Strafbarkeit von Abtreibungen durch ein neues Urteil revidieren.
Ob ein Verfassungsrichter Harbath für eine Reform modern genug wäre?
Bei einem Richter namens Stephan Harbath, Jahrgang 1971 – genau so alt wie ich -, bin ich mir da nicht sicher. Ich befürchte, würde man ihn nach Karlsruhe berufen, würde das nichts Gutes bedeuten. Weder für Frauenärztinnen wie Kristina Hänel und andere, die aufgrund von § 219a StGB mit unsinnigen Gerichtsverfahren auf Trab gehalten werden. Noch für alle Frauen, die eine Novellierung des Abtreibungsrechts fordern. Beziehungsweise ein modernes Recht, das die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen (und ihren Männern) festlegt und Zugang zu sicheren Informationen, Verhütung und Abtreibung gibt.
Dabei dürften auch Harbath die Statistiken bekannt sein: Überall dort, wo das Abtreibungsrecht liberal ist und Frauen Zugang zu Informationen über Familienplanung haben, sind die Abtreibungszahlen niedrig. Und es kommt nicht zu den unfassbar grausamen Verletzungen, die entstehen, wenn sich schwangere Frauen in ihrer Verzweiflung Kurpfuschern anvertrauen, um abtreiben zu lassen.
Ein Bundesverfassungsrichter sollte die Größe und Weitsicht haben, all diese Fakten zu berücksichtigen. Ein Kandidat für dieses Gericht, dass diese Weitsicht von vornherein ausschließt, sollte nicht Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden. In diesem Fall sollten alle, die zugestimmt haben, Stephan Harbath 2020 zum Nachfolger Andreas Vosskuhle zu machen, noch einmal in sich gehen.
* Ich schrieb im letzten Blogbeitrag, dass ich hier künftig nur noch die weibliche Form verwenden würde, Männer aber bis auf Weiteres selbstverständlich mitgemeint seien.
Lesen Sie die Fortsetzung: Wie eine moderne Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 218 aussehen könnte.
Frank meint
Das Recht wird immer mehr eine Moralische Frage. Wobei man den Vertreter gut anschätzen muss, was nicht gerade einfach ist…