Seit dem Wahlsieg von Trump läuft hier die lockere Serie der „Gutmenschenlektionen in Schwarzer Rhetorik“. Denn so traurig es ist: Mit edlen Manieren alleine sieht man gegenüber Stänkerern alt aus. Auch zur heutigen Lektion passt das Buch „Tough Talk: Die Die rhetorischen Spielregeln zum Überleben im Haifischbecken“ von Marc-Stefan Daniel, Wiley Verlag 2016.
Ich persönlich bin seit vielen Jahren Mitglied in einem fantastischen, in allen Lebens- und Berufsbereichen extrem hilfreichen Netzwerk, auch Texttreff genannt. Die Mitglieder pflegen einen sehr wertschätzenden Umgangston. Streit kommt wie überall vor, aber Stinkstiefel, deren Hauptanliegen es ist, schlechte Luft zu verbreiten, haben dort keine Chance. Das mag daran liegen, dass die Mitglieder traditionell alle weiblich, berufstätig und des Schreibens mächtig sind. Das erweitert den kommunikativen Spielraum. Der wertschätzende Umgangston mag aber auch daran liegen, dass die Mitglieder keine Männer sind. Männer müssen traditionellerweise vor jeder Sachdiskussion erst einmal den unerlässlichen Schwanzlängenvergleich hinter sich bringen, ehe sie beginnen können, um eine konstruktive Lösung zu ringen. Alle, die das leidige Gockelgehabe kennen, ob aus Politik, kirchlichen, karitativen oder schulischen Ehrenämtern, wissen es zu schätzen, wenn es entfällt.
Es geht nicht darum, Stinkstiefel lieb zu haben, sondern ihnen Respekt abzunötigen
Nun ist aber nicht die ganze Welt ein netter wertschätzender Ort. Die Anhänger von Alptrump und anderen Populisten gehören vielfach zur Kategorie Stinkstiefel. Sie sind dominant und gehässig. Mit solchen Persönlichkeiten kommt man nur klar, wenn man ihnen zeigt, wo der Hammer hängt. Es geht ja nicht darum, sie liebzuhaben, sondern es geht darum, ihnen glasklar zu sagen:
„Ihr lügt!“ und: „Ihr habt und ihr seid keine Alternative!“
Auch harmoniebedürftige Gutmenschen dürfen zeigen, wo der Hammer hängt
Um das im privaten Kreis, am Stammtisch, in sozialen Netzwerken, im Betrieb oder im Kundengespräch zu tun, muss man dazulernen. Man muss auch als harmonieliebende und Wertschätzung schätzende Gutmenschenfrau lernen, solchen Personen argumentativ eins zwischen die Hörner zu geben. Allgemeiner gesprochen: Mensch muss sich Respekt verschaffen, sonst kann mensch eine sachliche Diskussion vergessen. In einer von Wertschätzung geprägten Atmosphäre kann man darauf verzichten, denn da ist der Respekt schon da. Doch wenn einem Misstrauen oder gar Geringschätzung entgegenschlägt, kann man jede sachliche Argumentation vergessen, bevor man sich nicht Respekt verschafft hat. Gilt allgemein gesprochen nicht nur für die Stammtischdiskussion, sondern hilft auch bei harten Verhandlungen im Geschäfts- und Kanzleialltag.
Marc-Stefan Daniel, Autor von „Tough Talk“, bringt das schön auf den Punkt. Er erklärt, dass ein defensiver, diplomatischer oder kooperativer Verhandlungsstil in solch einer Situation die „Grundlage für eine Asymetrie“ im Gespräch lege. Asymetrie bedeutet: Eine Seite zeigt Respekt, die andere nicht. Eine Seite trachtet danach, zu dominieren, die andere Seite lässt sich dominieren. Daniel sagt:
„Zum Spiel gehören immer zwei, einer, der ausprobiert, was er mit dem anderen machen kann und ein anderer, der es mit sich machen lässt. Die Verantwortung für die Asymetrie liegt nicht nur beim Kontrahenten.“
Wer sich auf die Sachebene zurückzieht, bezahlt einen hohen Preis: den, nicht für voll genommen zu werden
Dass zwei dazu gehören, muss man erst einmal verstehen und akzeptieren. Dann versteht man auch, warum eine von vielen Frauen gern genommene Lösung leider keine ist. Frauen sagen angesichts von verbalen Machtkämpfen schon mal mal gerne:
„ich lass mich auf dieses ganze Gegockel doch nicht ein, mir geht es doch um die Sache!“
Mit solchen Worten weichen sie dem verbalen Schlagabtausch aus, das ja. Doch dafür bezahlen sie einen hohen Preis. Denn mit diesem Rückzug auf die vermeintlich vernünftige Sachebene setzen sie die Sache selber aufs Spiel. Sie riskieren nämlich, genau in der Sache nicht für voll genommen zu werden. Damit verschlechtern sie ihre Position in jeder Hinsicht. Jemand, der nicht für voll genommen wird, kann weniger Geld verlangen, kann andere schlechter mitreißen, wird leichter übergangen.
Welche Lehre können Diskutanten daraus ziehen?
- Immer dort, wo nicht per se ein wertschätzender Umgangston herrscht, reicht eine an der Sache orientierte Diskussion nicht aus.
- Diskutanten müssen sich vorab und bei Bedarf immer wieder Respekt verschaffen. Erst wenn der Respekt und damit die Symetrie hergestellt ist, ist eine an der Sache orientierte Diskussion möglich.
- Also: Keine Angst vor dem Schwanzlängenvergleich! Er hat sein Gutes.
Lesen Sie mehr zum Thema: „Wie verschaffe ich mir in einer Diskussion Respekt?“ bei der nächsten Lektion.
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