Wie definierst Du im Jahr 2013 den Begriff Storytelling?
Nicht anders als im Jahre 30 nach Beginn unserer Zeitrechnung, als Jesus mit seinen Jüngern umherzog und den Menschen mit Gleichnissen grundlegende Weisheiten vermittelte: über das Leben, die Liebe, den Tod und das ewige Leben. Oder weitere 10.000 Jahre früher, als die Höhlenmenschen am Feuer saßen und ihren Kindern Gutenachtmärchen vom bösen Säbelzahntiger erzählten.
Wie viel ist Hype bzw. Buzzword, was ist neu am Storytelling?
Das Storytelling als Methode ist alt, wie gesagt. Aber es war schon immer der Job von Werbern und Marketingleuten, bewährte Techniken unter einer neuen Bezeichnung als neu und durchschlagend zu verkaufen. Und das Erzählen von Geschichten ist nun einmal eine der bewährtesten Methoden, die wir haben, Ideen in Köpfe zu pflanzen. Deshalb lieben Werber, Politiker, Demagogen, religiöse Führer und Grundschullehrerinnen sie gleichermaßen.
Wie funktioniert aus Deiner Sicht Storytelling?
Mit Geschichten, Bildern dockt der Erzähler am Geschichtenreservoir des Zuhörers und Zuschauers an. Eine überschaubare Zahl von Urgeschichten und Urplots in unendlich vielen Variationen beantworten die Kernfragen unseres Lebens: Wer bin ich? Wer ist der andere? Wo ist mein Platz in dieser Welt? Damit ermöglichen die Geschichten dem Zuhörer, sich mit einer Sache zu identifizieren; oder sie verführen ihn zum Kauf: „Mit diesem Smartphone gehöre ich dazu, werde geliebt, usw.“ Oder: In dieser Seniorenresidenz lebe ich in Würde bis an mein Ende.
Wo und wie setzt Du Storytelling beruflich ein?
Ich berate ja schwerpunktmäßig Anwälte bei ihrer Kommunikation und gebe Schreibtrainings für Juristen. Neulich bei einem Vortrag über klare Sprache für Anwälte habe ich das Bild vom Ritter im Floskelpanzer eingesetzt. Ich habe erläutert, dass er den Helm absetzen muss, wenn er an zum Kaffeekränzchen beim Ritterfräulein Kunigunde erscheint. Genauso muss der Anwalt auf seine juristischen Floskeln und Fachbegriffe verzichten, wenn er einem Mandanten das Problem klarmachen will. Das haben die Anwälte sofort verstanden, erst recht, weil wir anschließend in einem Burgrestaurant aßen, wo echte Ritterrüstungen ausgestellt waren.
Wie können Kanzleien Storytelling einsetzen?
- Praktisch überall. Im Kampf ums Recht gibt es Helden, Heldinnen, Schurken und dramatische Kulissen. Im Prozess, wenn sie sich klarmachen, welchen Kampf sie gerade kämpfen und welche Helden- oder Schurkenrolle die Medien ihnen zugedacht haben.
- In der Pressearbeit: Journalisten wollen Geschichten erzählen, Anwälte, die in die Presse wollen, müssen die Geschichte hinter dem Rechtsthema erkennen.
- Im Corporate Publishing: Für die eigenen Publikationen und die Website gelten die gleichen Regeln wie für die öffentlichen Medien.
Sie wollen mehr über Storytelling im Anwaltsmarketing erfahren? Kontaktieren Sie Eva Engelken, engelken@klartext-anwalt.de
Link zur Blogparade „Are we all storytellers?“
Ed Wohlfahrt meint
Blogparade zum Thema Storytelling. Schöne Sache, übrigens. Sehe das bloß ein wenig zu spät. Ich denke, dass ein wesentliches Ziel von Geschichten immer Verständnisgewinn ist bzw. sein sollte. Bedeutet, dass ich es darauf anlege, versuche, von meinem Gegenüber bestmöglich verstanden zu werden. Ich denke, dass es in vielen Branchen Leute gibt, die dieses Verständnis gar nicht erst erreichen wollen, da sie davon leben, dass nur (möglichst) wenige sie verstehen. Beratersprech, etc. aber darum geht es beim Thema Geschichten meiner Meinung nach gar nicht. Wenn wir uns Geschichten bedienen, wollen wir verstanden werden, setzen wir einen bewussten Akt in Richtung Augenhöhe und bieten unserem Gesprächspartner auch die Möglichkeit, mit zu sprechen / sich in unsere (!) Geschichten hinein zu reklamieren und dadurch letztlich besser zu verstehen, was wir sagen. Arbeiten wir mit Geschichten, so klappt das „ich rede, ihr hört zu“ nicht mehr und werden unsere Zuhörer – durch die Wahl der Methodik Geschichte – aufgewertet. Aus diesem Grund funktionieren Geschichten immer dann so gut, wenn es dem Erzähler um Teilhabe um gemeinsames Gestalten und um Verständnis geht. Letzter Satz: Storytelling rein als Marketing-Tool zu sehen, finde ich sehr sehr schade, da mit dieser Sicht Geschichten weit unter Wert geschlagen werden.