Making of, Teil 1 – Klartext für Anwälte
Weil ich bei DVD-Filmen die Making-ofs so gerne angucke, gibt es jetzt auch hier ein kleines „Making of“ zum Buch Klartext für Anwälte. Da im gesamten Buch dazu rate, deutsche Begriffe zu verwenden, hätte ich natürlich auch Entstehungsgeschichte sagen können, aber ich finde, Making of klingt einfach besser, nach mehr Fun und überhaupt. Als man mich bat, ein kleines Interview zum Making of zu geben, habe ich daher ohne Zögern zugesagt.
Klartextanwalt: Dauert bestimmt ganz schön lang, so ein Buch zu schreiben, woher nehmen Sie nur diesen Atem, Frau Engelken?
Eva Engelken: Ehrliche Antwort? Jeder Mensch, noch dazu, wenn er Jurist oder gar Journalist ist, ist unsäglich eitel; er würde seine Mutter verkaufen, wenn er dafür seinen Namen in der Zeitung gedruckt sähe. Hat ein tragisches Schicksal diesen Menschen aus der journalistischen Bahn geworfen und schlägt er sich notgedrungen als PR-Fuzzi durch, der nur als Ghost schreibt und anderen Menschen zu Pressepräsenz verhilft, überfallen ihn heftige Entzugserscheinungen. Das ist schlimmer als bei Nikotin, glauben Sie mir! Um seine Schmerzen zu lindern, kann er schließlich nicht anders: Er muss ein Buch schreiben.
Das Buchschreiben war für Sie also eine Ersatzdroge? Oder war es eher die Therapie?
Therapie. Therapie für die Folgen des Juristendeutschs. Wissen Sie, wenn man sich mühsam im Studium all diese juristischen „demzufolges“ und „mithins“ antrainiert hat, ist es hart, darauf zu verzichten. Floskeln sind für Juristen wie ein Geh-Gips. Wenn man den nach sechs Wochen abgenommen bekommt, fällt man erst einmal auf die Nase, weil alle Muskeln weg sind. In dem Buch gebe ich Tipps, wie man auch ohne den Gehgips der Floskeln und Worthülsen vorwärts kommt.
Wollten Sie nicht ein Marketingbuch schreiben?
Klartext für Anwälte ist ein Marketingbuch. Wer sich seine eigenen Interessen oder die anderen überzeugend vermitteln oder vermarkten will, muss verständlich und überzeugend sprechen – Klartext eben.
Was verstehen Sie denn unter Klartext?
Klartext sprechen heißt zum einen verständlich sprechen. Also so, dass der jeweilige Zuhörer oder Leser es kapiert – beispielsweise Journalisten, Websitebesucher, Radiohörer und vor allem Mandanten. Also meistens Leute, für die juristische Fachbegriffe so klingen wie ‚Superkalifragilistischexpialigetisch’. Dabei hat schon Aristoteles in seinem Buch Rhetorik gefordert, Dinge klar und einfach auszudrücken.
Und für die Verständlichkeit finden Anwälte in dem Buch Tipps?
Ja, sie finden alle gängigen und von Sprachpäpsten (z.B. Wolf Schneider http://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_Schneider) erprobten Methoden des Texte-glatt-Bügelns erläutert – vom Entschachteln der Schachtelsätze bis hin zum Auflösen der doppelten und dreifachen Verneinungen. Außerdem finden sie Tipps, wie sie überzeugend sprechen können.
Wieso überzeugend – ist verständlich nicht ausreichend?
Verständlichkeit alleine reicht nicht. Viele Anwälte sprechen sogar einigermaßen verständlich, aber nicht schön und nicht überzeugend. Um zu überzeugen, müssen sie die Menschen berühren und seine Gefühle wecken. Sollen Worte einen Menschen überzeugen, müssen sie ihn im Inneren berühren. Seine Gefühle müssen zum Leben erwachen – etwa sein Mitleid mit einem Menschen oder einem Tier, sein gerechter Zorn, sein Gerechtigkeitsempfinden, seine Sehnsucht nach einem bestimmten schönen Ort oder einfach sein zutiefst menschliches Bedürfnis, Liebe zu empfangen oder Liebe und Fürsorge zu geben.
Tatsache? Und wie das geht, steht auch im Buch?
Ja. Ich schildere das anhand zahlreicher Beispiele – angefangen vom Rechtsanwalt der wegen drei Pfandbons geschassten Supermarktkassiererin über den Horror-Altmeister Steven King bis hin zu den beiden Scheidungsanwälten, von denen der eine berührt und der andere Paragrafen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zitiert. Ich bin Hans-Joachim Rüdel vom WDR (www.sprechen-wie-marlies.de) sehr dankbar, der mich darauf gebracht hat, dass das eigentliche Problem der Juristen- und Anwaltssprache die Langeweile ist. Die gilt es zu bekämpfen.
Okay, Klartext bedeutet Verständlichkeit und Überzeugungskraft – aber da war noch etwas?
Ja, unter Klartext sprechen versteht man landläufig auch, ehrlich zu sein und seinen Standpunkt zu vertreten. Nun gut, ein bisschen strategisch lügen tun wir alle mal – wenn wir ein langweiliges Partygespräch beenden wollen oder wenn zu spät zum Termin kommen, weil wir zu lange private Mails beantwortet haben: „Sorry, der Call hat so lange gedauert!“ „Der was? Der Karl?“ „Nein, der Call, also die Telefonkonferenz!“ „Ach so, sag das doch gleich!“ Auch darum geht es im Buch.
Haben Sie da auch ein Beispiel?
Ja, kein persönliches Erlebnis, sondern ein Ereignis im August 2009, über das ich in den Medien las: Nämlich die Tatsache, dass der damalige CDU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Urahn des ehrwürdigen Buchdruckers Guttenberg und vom Spiegel als Kanzleikandidat gehandelt, einen gesamten Gesetzentwurf von einer Großkanzlei hatte ausarbeiten lassen. Die Medien kolportierten den Vorwurf, dass die beauftragte Großkanzlei befangen gewesen sei, da sie selber Banken beriet, deren Interessen durch das betreffende Gesetz ja berührt wurden. Hier hätte nicht nur der Minister, sondern auch die betreffende Kanzlei Klartext sprechen müssen.
Die Großkanzlei hätte Klartext sprechen müssen?
Ja, sie hätte meines Erachtens darlegen müssen, welchen Umfang das Ministeriumsmandat hatte und auch, warum sie der Ansicht war, trotz ihrer Mandate aus Finanzkreisen bei einem Finanzmarktgesetz nicht befangen zu sein. Aber genau das tat sie nicht. Sie eierte herum (http://www.wiwo.de/blogs/management/2009/08/14/nur-mit-strikter-transparenz-nachhilfe-fur-kanzlei-linklaters-von-konkurrent-gleiss/) und reihte sich damit in die Reihen der Kanzleien ein, die Beratungsaufträge von Ministerien annahmen, aber ihr Honorar nicht offen legten. Und das, obwohl derartige Aufträge aus Steuergeldern bezahlt werden und deshalb ein öffentliches Interesse an Höhe und Verwendungszweck des Geldes besteht. Das haben auch Journalisten kritisiert, die Wirtschaftsanwälten durchaus freundlich gesonnen sind, etwa Claudia Tödtmann (Handelsblatt, mittlerweile Wiwo) oder Joachim Jahn (FAZ).
Können Prädikatsjuristen aus Topkanzleien nicht hervorragend Gesetze formulieren?
Natürlich können sie das und fachlich sind sie ebenfalls spitze, so dass sie mit ihrem Spezialwissen einem Ministerium tatsächlich sinnvoll unter die Arme greifen können. Wenn sie sie anstrengen und ihre juristische Kunst darauf verwenden, ein handwerklich fehlerfreies Gesetz zu formulieren, mag das die Wirkung des Gesetzes enorm erhöhen und seine Angreifbarkeit – etwa durch das Verfassungsgericht senken. Das Problem ist jedoch die mangelnde Unabhängigkeit der Kanzleien. Wenn Großkanzleien selber den Gesetzesadressaten beraten – also etwa die Finanzinstitute – sind sie befangen. http://faz-community.faz.net/blogs/wort/archive/2009/03/13/lobbyisten-als-gesetzgeber.aspx Aus der Feder einer Kanzlei, die die Interessen von Finanzinstituten vertritt, kann niemals ein Gesetz kommen, dass die Befugnisse der Banken im Umgang mit Finanzprodukten radikal einschränkt und womöglich ihre Mandanten ärgert und ihre Gewinne schmälert. Das wäre widersinnig.
Im Zusammenhang mit dem Guttenberg-Gesetz wurde mehrfach gesagt, die Beratung der Banken und die Formulierung des Gesetzes kämen aus unterschiedlichen Abteilungen und dazwischen seien Chinese Walls.
Nun ja, normalerweise sind Chinese Walls aus Papier und nicht besonders dick. Oder war von der Chinesischen Mauer die Rede? Eine Kanzlei, die eine Chinesische Mauer zwischen ihren einzelnen Abteilungen errichtet und Knowhow aus der einen Abteilung anderswo missachtet, handelt ziemlich unwirtschaftlich. Im Grunde sollten unabhängige Beamte die Gesetze schreiben und niemand sonst. Wenn aber eine Kanzlei das Geschäftsfeld „Gesetzgebung und Beratung öffentlicher Ministerin und Ausschüsse“ dennoch betreiben will, sollte sie sich doch bitte offiziell zu dem Geschäftsfeld bekennen und Klartext reden. Auch zu dieser Art von Klartext wollte ich in dem Buch aufrufen und ermutigen.
Lesen Sie demnächst: Making of, Teil 2: Von der Idee zum verlagsreifen Exposé und zum Verlag
Eva Brandecker (thegrooves) meint
Köstlich!!! Selten so einen herzerfrischenden Schlagabtausch gelesen ;-)) Hoffen wir auf eine (verbale) Revolution in der Juristenbranche! Wann folgt die Ausgabe fürs Finanzamt und für die Steuerberater?
Eva Engelken meint
Danke! Das Finanzamt ist ja leider ein Amt und kann daher straflos Fachchinesisch reden. Aber die Steuerberater wären eine Zielgruppe. Mal nachdenken.